Der tunesische Ministerpräsident Jebali lehnt eine militärische Intervention in Syrien ab. Dennoch will er Machthaber Baschar al-Assad zum Aufgeben zwingen.
»Wir kommen nicht als Bettler, das verbietet uns unser arabischer Stolz«, sagt der tunesische Ministerpräsident Hamadi Jebali über seinen Besuch in Deutschland. Dennoch stand bei seinen Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Frage im Mittelpunkt, wie Deutschland den Neuanfang in dem nordafrikanischen Land unterstützen kann.
Auf Expertise aus Deutschland hofft der Gast aus Tunesien besonders im Bereich der Berufs- und Weiterbildung, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. 800.000 Menschen sind in Tunesien derzeit ohne Arbeit, und die von Jebalis Ennahda-Partei dominierte Regierung sieht sich zunehmend sozialen Protesten gegenüber.
Für den Ministerpräsidenten ist die prekäre wirtschaftliche Lage ein Erbe aus der Ben-Ali-Zeit, wie er überhaupt für die meisten Probleme des heutigen Tunesien den geschassten Machthaber verantwortlich macht. Das Erbe der Diktatur abzuschütteln, erfordere einen Neuaufbau der Justiz und der Verwaltung – eine Mammutaufgabe würden manche sagen, »eine zweite Revolution«, sagt Jebali voller Pathos. Und dafür ist Know-how und Geld aus Europa und Deutschland gerne gesehen.
In einem anderen Feld sieht sich Jebali als Experte und Tunesien als Modell: Wenn es darum geht, wie ein langjähriger Diktator aus dem Amt gejagt werden kann. Seine Regierung habe zwar nicht vor, ihre Revolution zu exportieren, sagt Jebali, aber sie habe die moralische Verpflichtung, das syrische Volk zu verteidigen. »Wir wissen, was es heißt, was die Syrer erleiden. Unsere Regierung besteht schließlich aus Menschen, die viele Jahre wegen ihrer Überzeugungen im Gefängnis zugebracht haben«, sagt der 62-Jährige Politiker, der selbst 15 Jahre unter Ben Ali inhaftiert war, davon mehr als zehn Jahre in einer Einzelzelle.
»Es steht den syrischen Revolutionären nicht zu, dass sie sich schon jetzt zerstreiten«
Für Syrien sei es jetzt wichtig, Assads Regime politisch und wirtschaftlich weiter zu isolieren, so Jebali. Aber er betont auch: »Eine Diktatur verschwindet nicht durch Reden, ein Diktator lässt sich nicht dazu überreden abzudanken. Man muss ihn zwingen, das Feld zu räumen. Deswegen müssen wir die Opposition in Syrien unterstützen, auch den bewaffneten Widerstand.« Ob dies eine direkte Bewaffnung etwa der Freien Syrischen Armee einschließt, lässt Jebali offen.
Klarer äußert er sich über einen möglichen Militäreinsatz von Außen: »Wenn es eine Intervention mit Bodentruppen gäbe, könnte Assad dies nutzen, indem er sich als Opfer ausländischer Mächte darstellt.« Dies könne ihm durchaus gelingen, weil viele Menschen in der Region die Kriege im Irak und in Afghanistan als abschreckendes Beispiel vor Augen hätten.
Die internationale Gemeinschaft ist derzeit ratlos, wie sie in Syrien weiter vorgehen soll und auch Hamadi Jebali, der Premierminister des Mutterlandes der arabischen Revolution gesteht ein, dass die Lage in Syrien viel verfahrener und komplizierter sei als in Tunesien oder Libyen. Assad werde zudem dadurch gestärkt, dass die syrische Opposition nicht einig sei.
Seine Regierung habe den Assad-Gegnern deutlich gemacht, dass dies nicht der Zeitpunkt für internen Zwist sei: »Es steht den syrischen Revolutionären nicht, dass sie sich schon jetzt zerstreiten.« Das sollten sie später tun, im demokratischen Wettstreit durch die Bildung von Parteien, sagt Jebali. »Wie bei uns in Tunesien« – das sagt er nicht, aber sein Stolz darüber, dass sein kleines Land Modellcharakter für die ganze Region haben soll, der ist nicht zu überhören.