In den Krankenhäusern der syrischen Großstadt Deir Ezzor herrscht Mangelwirtschaft. Seit einem Jahr dauern die Kämpfe im Osten des Landes bereits an, Ärzte beklagen schwindende Vorräte. Im Interview warnt ein Arzt vor Seuchen.
zenith: Täglich fliegt die syrische Luftwaffe Angriffe auf Wohngebiete, auch hier im Osten von Deir Ezzor. Wie viele Patienten behandeln Sie in Ihrem Krankenhaus gerade?
Doktor Abdul-Basit: Im Schnitt führen wir täglich zwischen fünf und zehn Notoperationen durch. Allesamt wegen Verletzungen durch Bombeneinschläge. Es kommen sogar Menschen aus den Provinzen Aleppo und Hasaka hierher, da es kaum ausreichend Kliniken gibt. Dabei hat unser Krankenhaus auch erst vor zwei Monaten den Betrieb aufgenommen. Davor hatten die hier stationierten Soldaten des Regimes unsere Klinik geschlossen.
Mit welcher Begründung?
Es gab einen Bombenanschlag auf Soldaten hier im Ort. In Reaktion darauf haben sie uns die Türen versperrt. Da wir jedoch viele medizinische Vorräte stehlen konnten, behandelten wir die Patienten schließend in Moscheen und Privathäusern weiter.
Doktor Abdul-Basit
stammt aus Damaskus und wurde verhaftet, als er Regimekritiker behandelte. Anschließend ging er nach Meadin, einem Vorort von Deir Ezzor. Da er befürchtet, das Krankenhaus könnte bombardiert werden, möchte er seinen Namen nicht veröffentlicht sehen.
Es werden immer weniger. Antibiotika sind kaum noch vorhanden. Gegenwärtig versorgt uns nur eine einzige kuwaitische Organisation mit Vorräten. Ärzte ohne Grenzen, die »Syrian American Medical Society« und die »Syrian Expatriate Medical Association« haben zwar viel versprochen, angekommen ist hier aber nichts. Seit einem Monat gibt es zusätzlich noch Probleme dabei, Verletzte zur Behandlung in die Türkei zu senden. Die dafür benötigten Flüchtlings-IDs werden vom türkischen Staat kaum mehr ausgestellt. Ein Kämpfer, den wir an eine Augenklinik nach Sanliurfa überstellen wollten, kam ohne Behandlung zurück und wartet nun seit zwei Wochen.
In der Provinz Deir Ezzor werden vermehrt Seuchenfällen vermeldet. Haben Sie nähere Details?
Allein in der Stadt al-Qureya gibt es unter 50.000 Einwohnern 1.200 Fälle von Typhus, Hepatitis B und C. Oftmals sind gleich mehrere Familienmitglieder betroffen. Dafür verantwortlich ist die schlechte Wasserqualität. Wir haben kein Chlor mehr, um das Wasser zu filtern, gleichzeitig landet ohne Müllabfuhr immer mehr Abfall im Euphrat. Die Menschen stellen im Hinterhof selbst Benzin her und verbrennen aus der Not heraus den Abfall. Für die Luft- und Wasserqualität ist das eine Katastrophe. Die Zahl der Erkrankungen steigt dramatisch und wir können nichts dagegen tun. Vor zwei Jahren starben hier schon einmal 70 Menschen an der Cholera. Aktuell weiß ich von 14 Betroffenen. Ich fürchte eine Epidemie, sobald der Sommer kommt.
»Keines der Krankenhäuser in dieser Gegend hat eine Blutbank«
Was benötigen Sie am dringendsten?
Keines der Krankenhäuser in dieser Gegend hat eine Blutbank. Bei Transfusionen improvisieren wir gerade vollständig, geben Patienten Blut, ohne es vorher auf Krankheiten zu testen. Ich befürchte, dass wir darum in den kommenden Jahren deutlich mehr Fälle von AIDS und anderen Infektionskrankheiten verzeichnen werden.
Viele Menschen in Deir Ezzor leben seit einem Jahr mit täglichem Bombardement durch Luftschläge und Granaten. Mit welchen psychischen Krankheiten und Traumata haben Sie hier zu kämpfen?
Wir retten Leben. Für die Psyche der Menschen können wir nichts tun. Uns bleibt nur Gott.