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Interview mit Bijan Khajehpour über Iran-Sanktionen und die Straße von Hormus

»Dann wird auch Teheran deeskalieren«

Interview
Interview mit Bijan Khajehpour über Iran-Sanktionen und die Straße von Hormus
Atieh International

Teheran droht, die Straße von Hormus zu schließen. Iran-Experte Bijan Khajehpour erklärt im Interview, wie sich Händler und Reeder auf den Super-GAU im Ölgeschäft vorbereiten und warum die US-amerikanische Iran-Politik Peking in die Hände spielt.

zenith: Beim Blick auf die Karte erkennt man sofort die Bedeutung der Straße von Hormus. Wie schlägt sich diese geostrategische Lage in den Handelszahlen nieder?

Bijan Khajehpour: 35 bis 40 Prozent des Erdöls, das weltweit über den Seeverkehr befördert wird, läuft über die Straße von Hormus. Das sind mehr als 20 Prozent des gesamten gehandelten Öls.

 

China, Japan und Südkorea sind vom Nahen Osten abhängig. Sie importieren mehr als die Hälfte ihres Energiebedarfs aus der Region. Gibt es Alternativen für asiatische Ölimporteure?

Wenn die gesamten Öl-Importe aus dem Nahen Osten eingestellt würden, wären die asiatischen Importeure in einer sehr schwierigen Lage. Kein anderer Anbieter könnte das Gesamtvolumen der Exporte aus dem Nahen Osten ersetzen. Wenn jedoch allein die Importe aus Iran wegfielen, böten sich andere regionale Öllieferanten oder auch die USA als alternative Handelspartner an. Dennoch muss man eine Reihe von Unterschieden berücksichtigen: Ohne Iran wird es an einigen speziellen Ölsorten mangeln. Darüber hinaus verfügt Iran über Kapazitäten, Rohöl mit Kondensat zu mischen, um für seine Kunden sehr begehrte Ölsorten herzustellen. Nicht zuletzt versprach das Iran-Geschäft sehr vorteilhafte Zahlungsbedingungen. Teheran gewährt seinen Kunden etwa Zahlungsverzug – das bietet sonst niemand.


Wie realistisch sind die Warnungen aus Teheran?

Teherans rhetorische Drohkulisse ist eine klare Reaktion auf die amerikanische Strategie des »maximalen Drucks«. Das konkrete Vorgehen Irans wird vollkommen vom Handeln Anderer abhängen: Wenn die USA zur Besinnung kommen und eine andere Politik verfolgen, wird auch Iran deeskalieren.

 

»Einige Unternehmen könnten aber versuchen, sich den Schutz der US Navy oder anderer Streitkräfte in der Region zu sichern.«

 

Welche Möglichkeiten stünden Handelsunternehmen zur Verfügung, sollten die Lieferwege dennoch nicht gesichert sein?

Den Persischen Golf und die Straße von Hormus zu umgehen, ist gar nicht so einfach. Die Öl-Häfen der wichtigsten Produzenten befinden sich am Persischen Golf und dieses Öl muss fließen. Es gibt eine Pipeline durch die VAE, die einen Teil des Handelsvolumens stemmen könnte, aber die entsprechenden Öltanker müssten alle in den Gewässern des Persischen Golfs befinden. Einige Unternehmen könnten aber versuchen, sich den Schutz der US Navy oder anderer Streitkräfte in der Region zu sichern.

 

Washingtons Sanktions- und Strafzollpolitik stört auch die innerasiatischen Handelswege. Drohen die USA sich zu verheben, wenn man gleichzeitig Teheran und Peking handelspolitisch in die Knie zwingen will?

Die USA unter Präsident Trump spielen sich gerade als Oberrüpel auf und sind besessen von der Vorstellung, anderen Länder vorzuschreiben, wie diese sich zu verhalten haben. Das wichtigste Instrument dafür ist die US-Währung, schließlich werden 40 Prozent des Welthandels in US-Dollar abgewickelt. Noch sind die meisten internationalen Institutionen, insbesondere die Banken, durch US-Sanktionen eingeschüchtert. Es gibt aber auch Bemühungen, die Abhängigkeit des globalen Finanzsystems vom US-Dollar zu verringern. Der EU-Zahlungsmechanismus INSTEX ist ein solches Beispiel, oder auch die von China initiierte Asiatische Infrastrukturinvestmentbank. Für eine Weile können die USA also weiterhin den Rüpel spielen, aber früher oder später wird die Strategie des »maximalen Drucks« die anderen globalen und regionalen Mächte in alternative Handelsbündnisse zwingen.

 

Wie wirken sich die jüngsten Spannungen auf den Ölpreis aus?

Anfang Mai stieg der Ölpreis, aber Ende Mai drehte sich dieser Trend und die Ölpreise fielen wieder. Die Erklärungen, die Präsident Trump am 28. Mai in Tokio zur Deeskalation der Lage abgab und die Aussicht auf eine japanische Vermittlung zwischen Teheran und Washington haben einige der Spannungen abgebaut und der Ölmarkt hat entsprechend reagiert.

 

»Das Handelsvolumen zwischen Iran und Europa wird zurückgehen, selbst wenn sich die EU weiterhin für das Atomabkommen einsetzt.«

 

Damit ist das Szenario der Schließung der Straße von Hormus vom Tisch?

Vorerst ist dieses Szenario noch nicht eingetreten und das wird auch so bleiben, solange unter den aktuellen Regeln weitergespielt wird. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass Irans Exporte auf Null fallen, vermute ich keine Schließung der Straße von Hormus, sondern eher einen Mechanismus, der das Passieren von Öltankern erschwert. Hoffen wir, dass Washington zur Besinnung kommt und sich auf das konzentriert, was Präsident Trump in Tokio gesagt hat: Dass sein Ziel darin besteht, sicherzustellen, dass Iran keine Atomwaffen entwickelt. Wenn es das ist, was Washington will, wäre es am besten, dem Atomabkommen wieder beizutreten und neue Verhandlungen darüber zu führen, wie man das Abkommen für alle Parteien verbessern kann.

 

Welche Rolle kann Europa dabei spielen?

Die Unfähigkeit der Europäischen Union, einen Weg zur Förderung des Iran-EU-Handels im Lichte der US-Sanktionen zu entwickeln, hat die iranischen Entscheidungsträger enttäuscht. Zwar bedeutete die Schaffung von INSTEX eine wichtige europäische Errungenschaft, aber auch dieses Instrument hat noch keine einzige Transaktion zur Erleichterung des Iran-EU-Handels gefördert. Folglich verlagert Iran seine Handelsstrategie auf zwei Gruppen von Partnern: Nachbarn in der Region – darunter größere Handelspartner wie die Türkei, Irak und Russland – und China, Indien und andere asiatische Länder. Das bedeutet, dass das Handelsvolumen zwischen Iran und Europa zurückgehen wird, selbst wenn sich die EU weiterhin für das Atomabkommen einsetzt.

 

Was kann Teheran zur Deeskalation beitragen?

Anstatt in diesem konfrontativen Modus zu verharren, sollten die iranischen Führer die sozioökonomischen Entwicklungen des Landes zu ihrer obersten Priorität machen und darauf reagieren. Sanktionen erzeugen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit unter den wichtigsten Stützen der Gesellschaft. Die größten Sicherheitsprobleme für Iran sind Arbeitslosigkeit und Korruption – und nicht externe Bedrohungen. Die Entscheidungsträger sollten diesen Zeitpunkt nutzen, um die Regierungs- und Wirtschaftsstrukturen so zu reformieren, dass das Land sein wirtschaftliches Potenzial ausschöpfen kann.


Bijan Khajehpour ist Wirtschaftswissenschaftler und geschäftsführender Gesellschafter von Eurasian Nexus Partners, einer in Wien ansässigen Unternehmensberatung. Seine Iran-Analysen sind unter anderem bei The Guardian, Al-Jazeera, Bloomberg und Al-Monitor erschienen.

Von: 
Elisabed Abralava

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