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Inflation in Ägypten und Chinas Geldpolitik

Krawall und Renminbi

Analyse
Inflation in Ägypten und Chinas Geldpolitik
Südlicher Teil des Suezkanals in Ägypten vom Satelliten Hodoyoshi aus gesehen. Wikimedia Commons / Axelspace Corporation

Ägypten bekommt den Währungsverfall nicht in den Griff – und macht dafür den allmächtigen US-Dollar mitverantwortlich. Abhilfe soll nun der Umstieg auf Yuan und Renminbi schaffen.

Als ich vor kurzem auf Wohnungssuche in Kairo war, bot man mir einen beträchtlichen Preisnachlass auf die Miete an. Die Bedingung: Zahlung in bar – und in US-Dollar. Anstelle des offiziellen Wechselkurses, der liegt in etwa bei 32 ägyptischen Pfund pro Dollar, schlug der Eigentümer 39 Pfund vor. Ich schlug ein, wenngleich mein Gegenüber ein paar der grünen Scheine nicht annehmen wollte. waren sie »zu alt«, das heißt sie gehörten nicht zu der Serie von Banknoten, die 2013 in Umlauf gebracht wurde. Nach einigen Telefonaten fand sich dann doch ein Makler, der die Scheine akzeptierte.

 

Man sollte nicht zu viel in diese Anekdote hineininterpretieren, aber sie wirft ein Schlaglicht auf die Devisenkrise, die Ägypten seit Russlands Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 erfasst hat. Der Konflikt verunsichert die Anleger, ägyptische Schuldtitel im Wert von 20 Milliarden US-Dollar wurden abgestoßen. Die Golfstaaten – die zunehmend die Rolle als Ägyptens Kreditgeber der letzten Instanz übernommen haben – zahlten 13 Milliarden US-Dollar ein, um die Lage in den Griff zu bekommen.

 

Ägypten stimmte im Dezember 2022 einer IWF-Vereinbarung zu, die dem Land drei Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von 46 Monaten gewährt. Die Vereinbarung erfordert einen dauerhaften Übergang zu flexiblen Wechselkursen. Der Wertverlust des ägyptischen Pfunds hat jedoch nicht zu Devisenzuflüssen geführt, wodurch sich der Inflationsdruck in einem Land verschärft hat, das bei der Beschaffung von Gütern des Grundbedarfs stark von Importen abhängig ist. Der IWF prognostiziert für Ägypten in den nächsten vier Jahren eine Finanzierungslücke von rund 17 Milliarden US-Dollar. Zieht man die IWF-Mittel ab, verbleibt eine Lücke von 14 Milliarden US-Dollar.

 

Einfuhr von Weizen im Tausch gegen den chinesischen Renminbi?

 

Viele Ägypterinnen und Ägypter sind überzeugt, dass weitere Abwertungen nur eine Frage der Zeit sind. Eine Ansicht, die Analysten und Ökonomen teilen, nicht zuletzt, weil nur so ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt zu erreichen ist.

 

Aber nicht nur private Investoren zögern, nach Ägypten zurückzukehren. Der zweitgrößte Schuldner des IWF, der seit 2016 bereits das vierte Kreditpaket in Anspruch nimmt, hat wiederholt Strukturreformen versäumt, die ausländische und institutionelle Kreditgeber überzeugen könnten. Versprechungen zur Liberalisierung der Wirtschaft werden etwa regelmäßig nicht eingehalten. Dazu zählt unter anderem die Einführung eines flexiblen Wechselkurses. Darüber setzt die dominante wirtschaftliche Stellung des Militärs privaten Unternehmen und ausländischen Direktinvestitionen enge Grenzen.

 

Angesichts dieser Umstände ist es nicht verwunderlich, dass Ägypten nach alternativen Finanzierungsquellen Ausschau hält und erwägt, in anderen Währungen als dem US-Dollar seine Handelsgeschäfte abzuwickeln. Im August 2022 gab der ägyptische Finanzminister Mohamed Maait bekannt, dass Vorbereitungen für die Ausgabe von Yuan-Anleihen im Wert von 500 Millionen US-Dollar getroffen werden. Erst im April dieses Jahres berichteten ägyptische Medien, dass das Ministerium für Versorgung und Binnenhandel die Einfuhr von Weizen im Tausch gegen den chinesischen Renminbi erwägt.

 

Die hohe Inflation hat die Finanzierung in Dollar verteuert.

 

Fordert der Renminbi den US-Dollar als unangefochtene Weltreservewährung heraus? Die fiskalische Frage gewinnt derzeit vor allem vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen Washington und Beijing an Bedeutung. Daher schenken Ökonomen, Analysten und Branchenexperten der zunehmenden Internationalisierung des Renminbi im Bereich der Handelsfinanzierung große Aufmerksamkeit – nicht zuletzt aufgrund von Chinas geopolitischen Ambitionen. Jeder Versuch, sich innerhalb des derzeitigen internationalen Systems durchzusetzen, wird zweifellos eine erhebliche Veränderung der Funktionsweise der Weltwirtschaft erfordern.

 

Während des Staatsbesuchs von Xi Jinping in Moskau im März kündigte Wladimir Putin an, dass das Land den Renminbi als Hauptwährung für seine internationalen Reserven einführen werde. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im amerikanischen Bankensektor und des anhaltenden Kampfes gegen Preissteigerungen war dies ein besonders wichtiger Schritt. Die hohe Inflation hat die Finanzierung in Dollar verteuert und den Renminbi attraktiver gemacht. Laut der Plattform für internationale Transaktionen (Swift), hat sich der Anteil des Renminbi am Gesamtwert des Marktes im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

 

Ägypten hat zwar nicht das geopolitische Gewicht eines Landes wie Russland, doch selbst der relativ geringe Betrag von 500 Millionen US-Dollar wäre angesichts der traditionell engen Beziehungen des Landes zu den USA besonders bedeutsam. China hat seinen lautstarken Diplomaten, bekannt als »Wolfskrieger«, vorerst Zurückhaltung verordnet und ist zu taktvolleren Tönen übergegangen, um seine diplomatische Rolle auszubauen. Vorzugsweise in Washingtons traditioneller Einflusssphäre, je nachdem, wo sich entsprechende Möglichkeiten auftun.

 

Im März vermittelte Beijing die zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran. Zwischen den USA und Saudi-Arabien herrschte in den letzten Jahren kein freundschaftliches Verhältnis. Ganz zu schweigen von Iran und dem Westen, der versucht hat, das Regime nach dem harten Vorgehen gegen regierungskritische Demonstrationen weiter zu isolieren.

 

Xi Jinping hebt immer wieder Chinas »alternatives Entwicklungsmodell« hervor.

 

China sieht jeden Rückzug westlicher Staaten – vor allem der USA – als Chance, seine politischen Ziele voranzutreiben. Länder wie Saudi-Arabien, Iran oder Ägypten erscheinen durch ihre ähnlichen autokratischen Regierungsstrukturen noch attraktiver. Xi Jinping hebt immer wieder Chinas »alternatives Entwicklungsmodell« hervor, das sich an jene Staaten richtet, die genug von Reformforderungen aus dem Westen haben. Und damit etwa eben Ägypten, zumal die derzeitigen Maßnahmen nicht zu einer Verbesserung des wirtschaftlichen Klimas geführt haben.

 

Strategisch gesehen wäre es angesichts der Rolle Ägyptens in der Region ein psychologischer Sieg, wenn Beijing das Land seinen Orbit integrieren könnte. Als Hauptschlagader der Weltwirtschaft ist die Aufrechterhaltung des Zugangs zum Suezkanal sowohl ein wirtschaftlicher als auch ein militärischer und strategischer Imperativ. Ganz zu schweigen davon, dass China auch seinen einzigen ausländischen Militärstützpunkt in Dschibuti unterhält, an der Schnittstelle zwischen Rotem Meer und dem Golf von Aden.

 

Noch stecken diese Entwicklungen in den Kinderschuhen. Die bisherigen Renminbi-Darlehen sind überschaubar, zumal Ägypten seinerseits mehr damit beschäftigt zu sein scheint, die Finanzierungslöcher zu stopfen als mit geopolitischem Kalkül einen Paradigmenwechsel einzuschlagen. Das soll nicht heißen, dass Kairo nicht gewillt ist, ein wirtschaftliches Instrument als Druckmittel in künftigen Verhandlungen mit westlichen Finanzinstitutionen einzusetzen.

 

Außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass Ägypten an Anleihen in anderen Währungen als dem US-Dollar versucht: Bereits im März 2021 gab Kairo in japanischen Yen aus. Und in welchem Verhältnis stehen Chinas Ambitionen zur eigenen Währung? Obwohl sich die Zahl der Renminbi-Transaktionen verdoppelte, stieg ihr Anteil im Vergleichszeitraum von 2 Prozent auf 4,5 Prozent. Der Löwenanteil von 84,3 Prozent entfiel nach wie vor auf den US-Dollar.

Von: 
Jake Glasmacher

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