Sasan Aminiafshar mischt unter seinem Künstlernamen DSM die iranische Untergrund-Partyszene auf. Ein Gespräch über die Macht der Kunst und seine melodisch-dystopische Musik, die Iran-Klischees herausfordert.
zenith: Welchem Genre ordnest Du Deine Musik zu?
Aminiafshar: Ich möchte mich weder einem bestimmten Genre verschreiben noch irgendeiner Routine folgen. Als Kind spielte ich oft Gitarre. Bereits damals lehnte ich es ab, die Noten auf den Blättern vor mir zu kopieren. Stattdessen spielte ich lieber frei nach Gefühl. Das Wichtigste ist, mich beim Produzieren von meinen Emotionen leiten zu lassen. Experimentell ist daher wahrscheinlich die treffendste Beschreibung meiner Musik.
Wie gestaltete sich Dein Weg zur elektronischen Musik?
Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren ein Video des niederländischen DJs Tiësto sah. Die Musik, die tanzende Menge – ich war wie verzaubert. Daraufhin installierte ich einige Audiomixer auf meinem Computer und schaute mir unzählige Youtube Tutorials an. Ich begann, Tracks zusammenzustellen und hochzuladen – und das, ohne das Wort »mash-up« überhaupt zu kennen! Heute lache ich über diese Stücke; für damalige Verhältnisse waren sie gut.
Finden sich in Deiner Musik speziell Iranische Einflüsse wieder?
Es gibt viele traditionelle Instrumente, die der persischen Musik ihren besonderen Charakter verleihen. Auch ich benutzte Vocals bekannter persischer Sängerinnen und Sänger in meinen Tracks. Allerdings möchte ich nicht, dass meine Tracks als Ethnomusik gelabelt werden.
Folgst du beim Produzieren einem bestimmten Schema?
Ich lasse mir gerne Zeit. Meine Tracks durchlaufen verschiedene Phasen; manchmal lege ich ein Stück für mehrere Monate beiseite. Wenn ich die Arbeit wiederaufnehme, bringe ich neue Emotionen mit. Ich denke, das macht meine Musik so vielseitig. Vielleicht bringt sie dich zum Tanzen, vielleicht lässt sie dich weinen.
Am 16. April 2018 veröffentlichte das Label FUTURIST Deine EP »Abstracted«. Was ist das Besondere an dieser Platte?
»Abstracted« hat vier Tracks. Ich habe versucht, sämtliche Emotionen in ihr zu verarbeiten und ich glaube, dass sie deshalb außergewöhnlich ist. Der erste Track ist »Birds in Mind«, inspiriert durch den Vogelgesang vor meinem Fenster. Die anderen Stücke heißen »Delusion of Feeling«, »Draw in Your Sleep« und »Qashae«. »Qashae« ist eine blütenlose Pflanze, die unaufhörlich wuchert. Mir fällt es schwer, Namen für meine Tracks – in diesem Sinne auch meine Gefühle – zu finden. Geeint werden die Titel durch eine gewisse Finsternis.
Was unterscheidet Irans Elektroszene von der anderer Länder?
Ich sehe keinen Unterschied zwischen uns und dem Rest der Welt. Wir sprechen eine andere Sprache, haben aber den gleichen Wunsch zu feiern. Musik vermag es, Menschen über Grenzen hinweg zu verbinden. Um ein Beispiel zu nennen: Cold Spring Records und die Unexpected Sounds Group veröffentlichten meinen Track »NOWRUZ« auf dem Album »Visions of Darkness (in Iranian Contemporary Music)«. Der Gedanke war, experimentelle Musikerinnen und Musiker zusammenzubringen. Erst durch das Feedback realisierten wir, wie viele Menschen sich Iran als eine öde Wüste vorstellten – ohne jegliche Kultur oder Musik! Ich glaube, wir konnten viele Vorstellungen begradigen. Die iranische Musikszene ist besonders, gerade wegen ihrer Restriktionen. Sie wird in den Untergrund gedrängt, und genau das macht sie so reizvoll. Früher hätten Dich Leute für das Spielen elektronischer Musik angeschrien, mit den Jahren wurde es ein Trend. Deep House und Techno Sounds erfüllen heute dutzende Partys. Mit Sicherheit ist es für viele Menschen nur ein Herumdrücken auf Bildschirmen, doch andere spüren die Musik. Sie übersetzen die Klänge in ihre eigene Sprache, reisen mit der Musik in andere Welten.
Was sind deine Pläne für die nächsten Jahre?
In den letzten zwei bis drei Jahren haben wir große Veränderungen beobachtet. Früher organisierten wir Auftritte in Kunstgalerie – sie waren sozusagen die Brutstätte für experimentelle Musik. Nun gab es das erste offizielle Elektrofestival in Iran! Natürlich unter bestimmten Bedingungen – die Leute sollten beispielsweise nicht tanzen. Aber die Dinge ändern sich, und wir stehen erst am Anfang. Iran ist auf dem besten Weg, eine Ikone der elektronischen Musik im Nahen Osten – vielleicht sogar in der ganzen Welt – zu werden. Kunst ist die Sprache unserer Seele, die uns unsere Gefühle ausdrücken lässt. Kunst ist mächtig, wie ein Fluss – du kannst dich in ihr treiben und an unbekannte Orte bringen lassen. Versuchst du, sie einzugrenzen, wird sie sich neue Wege graben.
Hier können Sie die EP auf Spotify hören