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Presse-Schah

Der Kaiser von Seite Drei

Feature
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Foto: BUNTE

Als die Deutschen in den Schah verliebet waren. Mohammed Reza Pahlavi und seine Frauen boten der Regenbogenpresse eine ideale Projektionsfläche – für deren eigenes Weltbild.

Was offiziell bisher immer heftig dementiert wurde, das hat Persiens Kaiserin Farah (31) jetzt selbst angedeutet: Nämlich, daß Schah Reza Pahlavi (51) die Regierungsgeschäfte in absehbarer Zeit niederlegen könnte, um (...) endlich seine wohlverdiente Ruhe als Privatmann zu genießen. (...) 

Der Schah hatte seinen Untertanen damals versichert, er werde zumindest bis zum 31. Oktober 1985 regieren (...) Kaiserin Farah erklärte dagegen, sie hoffe, daß ihr Gemahl 1980 abdanken werde. In Teheraner Hofkreisen spricht man jedoch bereits davon, daß der Schah wahrscheinlich schon viel früher zurücktreten werde.« 

Im Nachhinein wirkt die Frauenzeitschrift 7 Tage, in denen jene Zeilen 1970 erschienen sind, erstaunlich gut informiert. Mohammed Reza Pahlavi, der Iran seit 1941 regiert, dankt weder 1985 noch 1980 ab, sondern verliert seinen Thron Mitte Januar 1979. Dem voraus gehen monatelange Proteste der Bevölkerung, die seinen Rücktritt fordert. Aus den Protesten wird eine Revolution. Als zudem auf der Konferenz von Guadeloupe Anfang 1979 die USA, Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik entscheiden, die bisherige Führung in Teheran nicht mehr zu unterstützen, geht der »Schah- an-Schah«, der »König der Könige«, wie er sich nennen lässt, auf »Erholungsreise«. Es ist der Beginn seines Exils. Der Ex-Schah stirbt am 27. Juli 1980 in Kairo an einem Krebsleiden. 

Mit Mohammed Reza Pahlavis Emigration endet nicht nur das Königtum in Iran – mit ihm verliert auch die westdeutsche Regenbogenpresse einen ihrer wichtigsten Akteure. Seit der Gründung der Bundesrepublik hat die hiesige Klatschpresse den Schah zu einem Märchenherrscher aus Tausendundeiner Nacht stilisiert. Und um das Exotische noch zu verstärken, wird für das Land stets die westliche Bezeichnung »Persien« und nicht »Iran« benutzt, wie es seit 1934/35 offiziell heißt. 

Zugleich macht die Regenbogenpresse Pahlavi zu einem vorbildlichen Herrscher: Unermüdlich wirke der Schah für das
Wohl seines Landes und versuche, Iran mithilfe mutiger Reformen, ja einer »Weißen Revolution« und gegen allerlei Widerstände aus seinem als mittelalterlich-lethargisch gezeichneten Zustand in das industriell und dynamisch geprägte 20. Jahrhundert zu katapultieren. 

Einerseits der Herrscher eines als fern und märchenhaft imaginierten Landes, andererseits der Modernisierer nach westlichem Vorbild – der Widerspruch in der Darstellung des Schahs und Irans scheint für die Klatschreporter kein Problem gewesen zu sein. Ihre Zeichnung sagt eher etwas über den Zeitgeist in der jungen Bundesrepublik aus und schließt darin an NS-Deutschland an, das Modernisierung und »Blut und Boden«, Technik- und Bauernkult zugleich propagiert hat. 

Was die westdeutsche Klatschpresse nach dem Krieg aber besonders für den Schah einnimmt, ist seine zweite Frau: 1951 heiratet er die Fürstentochter Soraya Esfandiari-Bakhtiari, deren Mutter eine Deutsche ist. Nach zwei Kriegen, der Abschaffung der Monarchie und des Reichs haben die Westdeutschen mit Soraya wieder eine Kaiserin, die im Gegensatz zur Film-Sissi real ist. Fortan gehört das Paar zum festen Inventar hiesiger Blätter. Die Trennung des Herrschers von Soraya nach sieben Jahren Ehe infolge ihrer Kinderlosigkeit geben ihrer Geschichte noch zusätzliche Dramatik. 

In seine nächste Frau Farah, mit der der Schah vier Kinder hat, kann die Klatschpresse dann endlich das biedermeierliche Gesellschaftsbild der Nachkriegsjahre hineinprojizieren: die Kaiserin als brave Ehefrau, die dem Schah den Rücken freihält und voll und ganz in ihrer Mutterrolle aufgeht. 1967 tritt dann zutage, wie politisiert das Schah-Bild in der deutschen Öffentlichkeit inzwischen ist. Im Juni des Jahres demonstrieren Studierende in West-Berlin anlässlich des Schah-Besuchs in der Bundesrepublik gegen Pahlavi, den sie als Diktator betrachten. Sie werden von »Jubelpersern« mit Holzlatten angegriffen. Der Student Benno Ohnesorg wird unbeabsichtigt von der Polizei erschossen. Vier Monate später setzt sich Mohammed Reza Pahlavi in Teheran nach über 25 Jahren an der Macht selbst die Kaiserkrone auf und lässt sich und seine Herrschaft tagelang bejubeln. 

Während die westdeutsche Linke den Schah wegen der Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Iran und der Folterungen Oppositioneller durch seinen Geheimdienst Savak anprangert, feiert ihn die hiesige Klatschpresse als väterlichen und viel geliebten Märchenherrscher. Ein gutes Beispiel dafür ist der aufwendig illustrierte Bildband des Burda-Verlags zur Kaiserkrönung – eine Sonderausgabe der Bunten. Fotos in Farbe und Schwarz-Weiß von der Krönungsfeier, von dem vielfach uniformierten Schah, seiner Familie, der Armee und ihren Paraden, von Staatsreisen und Empfängen im Ausland durchziehen das Buch, während das Volk nur eine Statistenrolle einnimmt. 

Die positive Darstellung von Mohammed Reza Pahlavi in der westdeutschen Regenbogenpresse hat allerdings auch handfeste politische Gründe: Im Kalten Krieg sind Iran und die Bundesrepublik vereint im Kampf gegen den Kommunismus. So wie Westdeutschland 1955 der »North Atlantic Treaty Organization« (NATO) beitritt, ist auch Iran seit dem gleichen Jahr Mitglied der »Central Treaty Organization« (CENTO), die ebenso die Macht der Sowjetunion eindämmen will. Zudem betreiben beide Länder regen Handel. Iran erwirbt 1974 gar 25 Prozent des Aktienkapitals von Krupp. 

»Persien ist das deutsche Traumland von Reaktion und Faschismus«, schreibt Richard Blank im Vorwort zu seinem erstmals 1977 erschienenen Buch »Soraya, Farah und der Schah – Deutsche Schicksalsberichte vom Pfauenthron«, dass nach dem Sturz des Monarchen 1979 unter dem Titel »Schah Reza – der letzte deutsche Kaiser« in Taschenbuchform neu aufgelegt wird. Darin versammelt und kommentiert Blank Dokumente aus der westdeutschen Klatschpresse der Nachkriegszeit. Im Folgenden veranschaulichen Beispiele aus der Berichterstattung aus Blanks Buch das verzerrte Schah- und Iran-Bild der westdeutschen Zeitschriften von der Gründung der Bundesrepublik bis in die Mitte der 1970er Jahre. Wie manipulativ angeblich so unverfänglicher Klatschjournalismus auf die Vielzahl der Leser in der Bundesrepublik gewirkt haben muss, macht Blank von Anfang an klar: »Das Märchenhafte hat ein Attribut, das unserer politischen Haltung besonders entgegenkommt: Es ist zeitlos, unhistorisch. Mit Kaiser und Reich werden ewige Werte angesprochen, mehr noch: Es wird ein Weltbild entworfen, in dem mit Horoskop und Schicksalsstern die Ewigkeit zu Hause ist. Seit den 1950er Jahren klingen die Berichte über den Pfauenthron gleich. Farah und Soraya sind austauschbar. Die Welt ändert sich nicht, das heißt: Sie ist nicht veränderbar. So wird das wöchentliche Käseblatt zum vornehmsten Ideologieträger, der Märchentraum wird zum Alptraum.«

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Die deutsche Klatschpresse liebte den Schah Quelle: Bunte
Von: 
Dr. Behrang Samsami

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