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Saudischer Übersetzerpreis

Mithalten und durchhalten

Feature

Saudi-Arabiens Vize-Außenminister vergibt in Berlin den höchstdotierten Übersetzerpreis der Welt, gesponsort vom saudischen König. Am internationalen Charakter der Veranstaltung muss derweil noch gefeilt werden.

Eine Karawane aus schwarzlackierten Boliden, Marke Mercedes CL600 Coupé, blockiert am Abend des 8. Oktober das Seitenschiff des Roten Rathauses. Am Haupteingang wimmelt es von Sicherheitskräften, die auf die hohen Gäste aus Saudi-Arabien warten. Nein, im Regierungssitz des Berliner Bürgermeisters werden keine unpopulären Panzer-Deals eingefädelt, die saudische Delegation will etwas für das international angeschlagene Image ihres Landes tun – und präsentiert sich als Kulturbotschafter und Pate von Wissenschaft und Forschung. Und dafür soll die Kulisse stimmen.

 

Unter den Augen von Reichskanzler Otto von Bismarck, einst von Hofmaler Anton von Werner auf Leinwand gebannt, wird der höchstdotierte Übersetzerpreis der Welt im Festsaal des Berliner Rathauses verliehen. Zum fünften Mal in Folge werden die Übersetzer in vier Kategorien jeweils mit einem Preisgeld von 200.000 Euro honoriert.

 

Die Kriterien sind einfach: Es wird nach den besten Übersetzungen ins Arabische und aus dem Arabischen aus Religion, Literatur, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften gesucht. Außerdem werden Institutionen, die arabische Übersetzungen fördern, mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Freilich drängt sich die Frage nach den Motiv für solch eine Preisverleihung auf – gerade an diesem Abend.

 

Handelt es sich nun um getarnte Imagepolitur oder doch ein Anknüpfen an die islamische Wissenschaftstradition? Im 9. Jahrhundert gründete der Abbasiden-Kalif Al-Ma'mun 825 das »Bayt al-Hikma – das Haus der Weisheit«. Die Übersetzungsakademie bestand aus 90 Mitarbeitern, die hauptsächlich antike griechische Wissenschaftsliteratur ins Arabische übersetzten. So lernte man beispielsweise von Euklid, Archimedes und Platon und füllte damit große Bibliotheken.

 

Die deutschen Gastgeber passen sich der Atmosphäre an

 

Die Initiatoren des Übersetzerpreis loben etwas beliebig die »Förderung des kulturellen Dialogs und die Bereicherung der arabischen Sprache« als Ziel aus. »Wir möchten beweisen, dass wir auch in der Wissenschaft international mithalten können«, erklärt Jurorin Ibtisam Al-Alaiyan etwas übermütig – und gibt vielleicht ungewollt preis, dass neben dem ganzen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn vor allem wohl die Anerkennung für den großzügigen Stifter keine unerhebliche Rolle spielt.

 

Die Dozentin der König-Saud-Universität saß im Komitee, das über die naturwissenschaftlichen Publikationen befand. Die diesjährigen Siegerwerke handelten von Computernetzwerken und Erzmetallen, Vize-Außenminister und Königssohn Abdulaziz bin Abdullah höchstpersönlich überreicht die Siegerurkunden. Glamourös soll die Preisverleihung in Berlin daherkommen – nicht umsonst hat man sich die deutsche Hauptstadt als Veranstaltungsort ausgesucht.

 

Doch der offiziös-steife Charakter und der zuweilen eher aufdringliche denn dezente islamische Unterton ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung. Dass kein Alkohol ausgeschenkt wird, mag man verschmerzen – die geladenen Gäste werden dafür in der deutschen Hauptstadt andere, diskretere Möglichkeiten haben, so sie sie denn nutzen wollen.

 

Anstrengender ist dann schon die etwas überkorrekte ausführliche Eloge in jedem Redebeitrag. Am Anfang darf ein »Bismillah Ar-Rahman Ar-Rahim – Im Namen Allahs des Allerbarmers des Allbarmherzigen« in keiner Preisrede fehlen und auch Preisstifter König Abdullah wird bei jeder Nennung artig in ganzer Namensfülle mit »Der Hüter der beiden heiligen Stätten« tituliert.

 

Die deutschen Gastgeber passen sich der Atmosphäre an und liefern ebenso monotone Allgemeinplätze ab. Bürgermeister Wowereit ist anzusehen, dass er hier nicht den Presseball eröffnet, aber er erledigt seine Aufgabe mit pflichtschuldiger Professionalität. So lobt er die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien und betont, dass die »arabischen Aufstände ein Beweis für die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie« gewesen seien.

 

Schade nur, dass Wowereit die Menschenrechts- und die Gleichstellungsfrage des Landes dabei so ganz außen vor lässt. Ganz zu Schweigen davon, dass die Demokratiewelle des arabischen Frühlings einen großen Bogen um das Königreich macht. Aber um kritische Töne geht es an diesem Abend ja auch nicht und auch die anwesenden Medienvertreter, von denen die meisten praktischerweise gleich aus Saudi-Arabien eingeflogen wurden, begnügen sich mit den gleichermaßen lobenden wie beliebigen Dankesworten und verschwinden nach Drehschluss in der Berliner Nacht.

Von: 
Sümeyye Çelikkaya

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