Knallbunt, laut und fröhlich kommen Saba Chaudhry Barnards Porträts muslimischer Frauen daher, an Gold und Kitsch wird nicht gespart. Doch Chaudhry Barnard geht es nicht nur um Spaß an der Farbenfreude: Die Frau hat ein Anliegen.
Umringt von ihren drei Kindern blickt eine Mutter den Betrachter selbstbewusst an. Zu ihren Füßen die neugierig schauende Tochter und der fragend zur Mutter aufsehende Sohn, auf dem Arm die kleine Tochter. Alle vier sind von Heiligenscheinen umgeben. Der blaue Himmel mit goldenen Sternen im Hintergrund erinnert nicht nur an Deckenmalereien in katholischen Kirchen, in Verbindung mit den rot-weißen Streifen, die die verbleibende Fläche der 2,40x1,80-Leinwand bedecken, ist der Bezug zur amerikanischen Flagge unverkennbar.
In diese mischen sich Linien islamischer Muster. »Maestá«, italienisch für Majestät und in der Ikonenmalerei für Darstellungen der thronenden Maria mit dem Jesuskind verwendet, heißt dieses Gemälde von Saba Chaudhry Barnard, das religiöse Symbolik mit Kitsch, amerikanischen Patriotismus mit islamischen Elementen und verspielte Details mit ernstem Mutterblick verbindet. »Maestá« ist Teil der Bilderreihe »An-Noor« (arabisch für »das Licht«), mit der die US-pakistanische Malerin Saba Chaudhry Barnard in diesem Jahr an den Erfolg ihrer Porträts »Technicolor Muslimah« von 2011 anknüpft.
In beiden Serien geht es um die Individualität muslimischer Frauen. »Westliche Medien transportieren ein homogenes Bild von Musliminnen als unterdrückte Wesen, die von Patriarchen gezwungen werden, sich zu verschleiern«, sagt die 27-jährige Chaudhry Barnard, und fügt energisch hinzu: »Dabei ist das absurd! Es gibt muslimische Politikerinnen, Künstlerinnen, Aktivistinnen, und sie verstecken sich keineswegs vor der Öffentlichkeit.« Doch gezeigt werden sie nur selten.
Chaudhry Barnard, Tochter pakistanischer Einwanderer, wuchs im amerikanischen North Carolina auf. Sie kennt das Gefühl, als Muslimin ungefragt einer eindimensional dargestellten Gruppe zugerechnet zu werden. Deshalb will sie mit ihrer Kunst denen eine Stimme geben, die sonst nicht gehört werden. So wie Amani, die in »Maestá« inmitten ihrer Kinder thront. Die Zitate islamischer Kunst, die amerikanische Flagge, die christlich inspirierte Umgebung – das alles zeigt die Vielschichtigkeit des kulturellen Erbes und der individuellen Gegenwart der amerikanischen Muslimin Amani, so Chaudhry Barnard.
Auch die Stimme von Amarra wird in »An-Noor« hörbar. Ihr herausfordernder Blick, die lässige Körperhaltung, die Leggings mit Leopardenmuster und der groß auf ihrem T-Shirt prangende Schriftzug »Rebel« haben so gar nichts mit dem so oft vermittelten Bild der geduckt vorbeihuschenden, dunkel verhüllten Muslimin gemein. Wie alle Frauen, die sie porträtiert, kennt Chaudhry Barnard Amarra schon länger. »Sie trägt Kopftuch, ihre Schwester und Mutter jedoch nicht. Die Entscheidung lag allein bei ihr.« Auch das Outfit, in dem sie sich porträtieren ließ, war Amarras Idee – ein »kick ass«-Outfit, findet Chaudhry Barnard.
Jedem Porträt gehen lange Gespräche voraus. Das war ihr schon 2011 bei »Technicolor Muslimah« wichtig. In 26 Porträts zeigte sie Musliminnen in leuchtenden Farben, mit typischen Accessoires der amerikanischen Popkultur wie Micky Maus-Ohren über dem Hidschab, und vor allem mit viel Humor. Nicht nur in Galerien in den USA, auch auf dem »World Islamic Economic Forum« in London wurde »Technicolor Muslimah« gezeigt. Zu jedem Bild gibt es ein Statement: »Ich bin gerne Anwältin, aber noch lieber wäre ich Astronautin«, schreibt Taiyyeba, die auf ihrem Porträt mit 3D-Brille in den Himmel lacht.
Die Erzieherin Ayesha gesteht: »Früher betete ich, das Justin Timberlake konvertiert, damit ich ihn heiraten kann.« Dass es in islamisch geprägten Gesellschaften nicht nur unbeschwert zugeht, sondern Frauen noch oft um ihre Rechte kämpfen müssen, ist Saba Chaudhry Barnard bewusst. Einen Anspruch darauf, für alle Musliminnen zu sprechen, erhebt sie nicht – sie weigert sich sogar, als ein solches Sprachrohr zu agieren: »Das sind nicht meine Erfahrungen, wie könnte ich für diese Frauen sprechen?« Von verallgemeinernden Begriffen wie »die islamische Welt« hält sie nichts: »Wo soll das sein? Ich war jedenfalls noch nie dort«, sagt sie lachend und stellt klar, dass es in ihrer Kunst um muslimische Frauen in den Vereinigten Staaten geht.
Selbstkritisch, wie sie ist, spürt sie mit zunehmender Bekanntheit auch eine wachsende Verantwortung. »Afro-Amerikaner sind mit 40 Prozent die größte Gruppe unter den in den USA geborenen Muslimen. Ich habe 26 Porträts gemalt – und nur eines davon zeigt eine afro-amerikanische Muslimin.« Das will sie nun ändern: Gerade erst rief sie über soziale und private Netzwerke potentielle Models auf, sich an der geplanten Neuauflage von »Technicolor Muslimah« zu beteiligen: »Alle, die bisher nicht repräsentiert sind, sollen nun Teil der Serie werden.«
Dann überlegt sie kurz und lacht schließlich: »Es ist auch niemand auf den Porträts zu sehen, der so aussieht wie ich.« Statt Kopftuch trägt Saba Chaudhry Barnard derzeit Undercut, sie experimentiert gerne mit Frisuren. Sie ist eine der unzähligen Musliminnen, die es in ihrer ganzen Individualität wahrzunehmen gilt – und die offensichtlich auch wahrgenommen werden wollen: »Die Resonanz ist überwältigend«, sagt Chaudhry Barnard begeistert. Dann verabschiedet sie sich. Es gibt noch viel zu malen.