Lesezeit: 7 Minuten
Interview mit Sabah Al-Shammari

»Deutsche Firmen übertreiben das Sicherheitsrisiko«

Interview

Sabah Al-Shammari, Geschäftsführer der irakischen Investmentgruppe SAPCO, über deutsche Übervorsichtigkeit, chinesische Allgegenwärtigkeit und die Vorteile einer fehlenden Zentralregierung.

zenith: Deutsche Unternehmer zögern, im Irak zu investieren. Was hält sie vom Markteintritt ab – etwa die sprichwörtliche deutsche Übervorsichtigkeit?

Sabah Al-Shammari: Ich denke, es gibt drei Gründe. Erstens, gibt es einfach keine großen Ölkonzerne in Deutschland. Zweitens, fürchten sich die Deutschen vor der Konkurrenz mit amerikanischen Firmen im Ölsektor. Und schließlich, ja, die meisten deutschen Firmen sind übervorsichtig. Sie übertreiben das Sicherheitsrisiko.

 

SAPCOs Ziel ist es also, deutsche Firmen und Investoren zu überzeugen, dass sie sich um die Sicherheit nicht sorgen brauchen?

Wenn sie in die Ausbildung irakischen Personals investieren, bedürfte es nur einer minimalen Anzahl deutscher Fachkräfte vor Ort im Irak. Unser Ziel ist es, eine Brücke zwischen irakischen und deutschen Firmen zu schlagen. Wir möchten Partnerschaften in unterschiedlichen Bereichen aufbauen, wie zum Beispiel in der Versorgung mit Ausrüstung und Dienstleistungen im Bereich der erneuerbaren Energien, Energiegewinnung und -distribution sowie in der Wasseraufbereitung. Derzeit steht uns ein Budget von 127 Milliarden US-Dollar für den Irak zur Verfügung, davon soll circa ein Drittel für Infrastruktur, Versorgungsbetriebe und Wohnprojekte ausgegeben werden. In meinen Augen stellt dies eine exzellente Möglichkeit für deutsche Firmen dar, sich einen gerechten Anteil am irakischen Markt zu sichern. Leider gibt es derzeit keine deutschen Wettbewerber im Öl- und Gassektor, aber um den deutschen Energiebedarf decken zu können, sollten sie wirklich herkommen. Wir würden beispielsweise gern eine Pipeline von Irak über die Türkei nach Deutschland bauen.

 

Wie können die investitionswilligen deutschen Firmen Fuß fassen im irakischen Markt – und warum sollten sie das überhaupt?

Der Irak hat keine zentralisierte Regierung mehr, darum ist die Wirtschaft frei und der Privatsektor ist stark. Es gibt großartige Gelegenheiten, Partnerschaften mit verlässlichen irakischen Firmen einzugehen, was auch dabei helfen wird, den Sicherheitsaspekt zu umgehen. Außerdem würden einheimische Arbeitskräfte deutschen Firmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Deutschen können die richtigen Technologien, die nötige Ausrüstung und die relevanten Führungsfähigkeiten einbringen.

 

Wie zum Beispiel im Bereich erneuerbare Energien. Spielt dieser Sektor eine Rolle in SAPCOS Investmentstrategie?

Ja, wir haben unterschiedliche Projekte in diesem Bereich. Es gibt ein Pilotprojekt in Bagdad, bei dem wir Bauteile für Systemintegration aus Spanien und Deutschland einsetzen. Darüber hinaus planen wir eine emissionsfreie Chemiefarbik in einer abgelegenen Region, in der es keine Stromversorgung gibt. Deshalb wollen wir zur Versorgung der Lampen und Klimaanlagen Solar- und Windenergie einsetzen. In der Zukunft sollen erneuerbare Energien sogar für die Produktion genutzt werden. Die Fabrik wird ein »Green Building«, da wir auch planen, das gesamte Wasser aufzubereiten und für Bewässerungsanlagen zu nutzen.

 

Warum spielen dann Solar- und Windenergie bislang keine entscheidende Rolle im Irak?

Bisher gibt es lediglich Untersuchungen über die Nutzung von Solarenergie. Die irakische Regierung lädt nun Firmen aus dem Asien-Pazifik-Raum ein, Solaranlagen zu installieren. Stattdessen sollten wir meines Erachtens die fortschrittlichen Technologien aus Deutschland nutzen und mit Fördergeldern Iraker in der Nutzung der Technologie schulen. Ich denke, der Zukunftstrend wird die Nutzung von Solarenergie sein. Wir haben 365 Sonnentage im Jahr, wir sollten das Öl exportieren und die Sonnenenergie nutzen, um unseren eigenen Energiebedarf zu decken. Leider gibt es im Irak aufgrund der geografischen Beschaffenheit sehr wenig Möglichkeiten zur Nutzung von Windkraft.

 

An deutschen Investitionen mangelt es – welche anderen Nationen sehen Sie im irakischen Markt aufsteigen?

China bewegt sich momentan sehr aggressiv im irakischen Markt und ist bereits ein sehr wichtiger Akteur. Sie waren unter den ersten, die nach 2003 Ölfelder im Irak kultiviert haben und kollaborieren nun mit BP. China plant, mehr als eine Million Barrel pro Tag zu fördern und hat bereits Pipelines und mit dem Sektor verbundene Dienstleistungen eingerichtet. Zusätzlich unternehmen sie sehr viel in den Bereichen Transport und Konsumgüter. Mittlerweile gibt es sogar chinesische Banken, die der Regierung und der Industrie Geld zur Verfügung stellen. Im Schatten der Chinesen haben aber auch die Südkoreaner sehr ambitioniert den irakischen Markt betreten.


Sabah Al-Shammari, ist seit 1980 Geschäftsführer der irakischen Investmentgruppe SAPCO. Seit 2003 ist Mitglied im Irakischen Wirtschaftsrat in Dubai und im Irakischen Unternehmerverband. Zenith sprach mit Al-Shammari am Rande des »3rd Arab-German Ghorfa Energy Forum« in Berlin.

Von: 
Laura Ginzel

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.