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Riads Lobby-Arbeit in den USA

»Saudi-Arabien gibt mehr aus als China«

Interview
»Saudi-Arabien gibt mehr aus als China«

Seit der Ermordung von Jamal Khashoggi haben Lobbyisten im Dienste Riads alle Hände voll zu tun. Juristin Anna Massoglia beobachtet die Geldströme und erklärt im Interview, wie das System funktioniert.

zenith: Laut den Angaben, die die Datenbank »Open Secrets« zusammengetragen hat, sind 2017 rund 14 Millionen US-Dollar aus Saudi-Arabien geflossen, um Einfluss auf die US-Politik zu nehmen. Welche Ziele verfolgt Riad mit der Lobby-Politik?

Anna Massoglia: Saudi-Arabien verfügt über ein großes Netzwerk von Lobbyisten, und die wiederum beauftragen PR- und Kommunikationsfirmen, die in den USA sogenanntes Reputationsmanagement betreiben. Zusätzlich ist Riad mit regierungsnahen Ablegern saudischer Unternehmen in den USA präsent. Sie alle haben zum Ziel, das Image des Königreichs aufzuwerten, und richten sich dabei sowohl an die Öffentlichkeit als auch an Abgeordnete, um die Beziehungen mit Saudi-Arabien zu vertiefen. Diplomatische und finanzielle Fragen spielen hier eine Rolle, etwa wenn es um Rüstungsdeals oder Handelsverträge geht. Wir können die saudischen Aktivitäten relativ gut nachverfolgen – und zwar bis in die 1950er-Jahre –, schließlich verpflichtet der »Foreign Agents Registration Act« (FARA), jegliche Lobbyarbeit für einen ausländischen Staat beim US-Justizministerium anzumelden.

 

Wie haben sich die saudischen Lobby-Aktivitäten in den vergangenen Jahren entwickelt?

Das schwankt von Jahr zu Jahr, aber insgesamt investiert Riad sukzessive mehr Geld. Der letzte große Schub kam nach dem 11. September 2001, seitdem liegen die Ausgaben beständig über zehn Millionen US-Dollar pro Jahr. Doch auch in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden schon Verträge mit PR-Firmen im Wert von Hunderttausenden US-Dollar
geschlossen – damals beachtliche Summen.

 

Die Debatte um Einflussnahme auf die US-Politik fokussiert sich im Umfeld der Präsidentschaftswahlen auf russische Aktivitäten. War Donald Trump aus saudischer Sicht ebenso der bevorzugte Kandidat im Rennen ums Weiße Haus? Immerhin erscheinen die Beziehungen zwischen Königshaus und US-Regierung so eng wie lange nicht.

Es gab Zuwendungen, die im Auftrag registrierter Lobbyisten für Saudi-Arabien getätigt wurden. Solche Kontakte gibt es nicht erst seit Trump, sondern etwa auch schon unter der Obama-Regierung. Lobbyisten suchen Einfluss, unabhängig davon, ob Republikaner oder Demokraten gerade an der Macht sind. Allerdings fällt uns schon auf, dass unter den Lobbyisten viele frühere Abgeordnete sind – quer durchs politische Spektrum. Sie gehen gewissermaßen durch die Drehtür: Erst in den Kongress, dann in die Beratungsindustrie, wo sie von ihren Kontakten in die Politik profitieren und so de facto oft nicht offiziell registrierte Lobbyarbeit leisten.

 

»Unter den Lobbyisten sind viele frühere Abgeordnete – quer durchs politische Spektrum«

 

An wen wandte sich Saudi-Arabien, nachdem Trump 2016 die Wahlen gewonnen hatte?

Die Analyse unserer Daten zeigt, dass die Saudis nach den Wahlen Aufträge an Personen oder Beratungsfirmen vergaben, die mit Trumps Wahlkampagne in Verbindung gestanden hatten – etwa die »Sonoran Policy Group«. Das saudische Innenministerium zahlte diesem Lobby-Verein von Trumps Wahlkampfberater Robert Stryk fünf Millionen US-Dollar für sehr weit und vage gefasste Beraterdienste, und das über einen kurzen Zeitraum von nur wenigen Wochen. Solch massive Zahlungen für Firmen auf beiden Seiten des politischen Spektrums, die eindeutig mit einem Lager verbunden sind, kommen häufig vor. Viele Regierungen, nicht nur die saudische, nutzen diese Taktik, um Beziehungen sowohl zu den Republikanern als auch zu den Demokraten aufzubauen. Je nachdem, wer gerade an der Macht ist.

 

Wie viel gibt Saudi-Arabien für Lobby- Arbeit in den USA im Vergleich zu anderen Ländern aus, etwa Israel oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)?

Im Jahr 2017 sind die Saudis in den Top Ten, die VAE und Israel haben allerdings etwas mehr investiert. An Nummer eins steht übrigens Südkorea mit 74 Millionen US-Dollar – dreimal so viel wie Saudi-Arabien. Dafür gibt Riad mehr aus als China und Kanada. In den Top Ten finden sich ansonsten Länder wie Japan und Irland, aber auch die Bahamas und die Marschall-Inseln.

 

Die Bahamas und die Marschall-Inseln?

Das hat uns auch überrascht. Die Zahlungen dieser kleinen Inselstaaten haben mit ihrem Status als Steueroasen zu tun und sollen deren Ruf in Bezug auf Transparenz aufbessern. Die Marschall-Inseln liegen bei den Lobby-Geldern in den USA sogar unter den ersten drei und geben damit mehr aus als Saudi-Arabien, Kanada, China und Israel.

 

Welche anderen Zahlen geben Aufschluss über die Wirkungskraft von Lobby-Aktivitäten?

Zum Beispiel politische Spenden von Individuen, die als Lobbyisten für Saudi-Arabien registriert sind. Und diese Spenden tauchen nicht immer in den Abrechnungen auf. Als US-Bürger können sie ja für Wahlkämpfe spenden – solche Direktzuwendungen sind Nichtstaatsbürgern verboten. So können Lobbyisten, obwohl sie aus dem Ausland finanziert werden, es ihren Auftraggebern ermöglichen, bestimmte Kandidaten mit Wahlkampfspenden zu unterstützen. Viele dieser Zuwendungen liegen zeitlich nah an Abstimmungen oder anderen politischen Entscheidungen, die Saudi-Arabien betreffen. Man kann nur schwer eine direkte Verbindung zwischen Spende und politischer Wirkung nachweisen, aber der Zeitpunkt wirft eine Menge Fragen auf.

 

»Twitter ist als Medium noch immer so neu, dass es nicht explizit von den Regularien abgedeckt wird«

 

Sie weisen auf die vielen Graubereiche hin, in die Lobby-Aktivitäten fallen. Kurz vor dem Staatsbesuch von Muhammad Bin Salman (MBS) 2018 veröffentlichte der Verlag American Media Inc. eine Publikation mit dem Titel »New Kingdom« – eine PR-Broschüre, verkleidet als journalistisches Magazin.

Wir beobachten viele solche PR-Aktionen, die den Eindruck erwecken sollen, dass es sich um journalistische Inhalte handelt – auch China und Russland greifen etwa auf solche Formate zurück. Oft sind solche Beilagen auch in US-amerikanischen Zeitungen oder Zeitschriften eingebettet, sodass meist nur ein kleingedruckter Hinweis am Rand der Seite Aufschluss darüber gibt, wer dafür gezahlt hat. Viele Regierungen setzen auf solche PR-Maßnahmen, sie müssen allerdings ebenso gemäß den FARA-Regularien gemeldet werden.

 

Ende 2015 buchte die saudische Regierung eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Doch der Text strotzte vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern – es regnete Häme. Ist die saudische PR-Strategie in den USA ausgefeilter und sorgfältiger?

Die meisten mir bekannten Publikationen sehen sehr professionell aus. Darüber hinaus investieren die Saudis auch immer mehr in multimediale Inhalte. Ein gutes Beispiel dafür ist die App »Energo«, die im Rahmen der Initiative »Energy to the Kingdom« Anfang 2017 veröffentlicht wurde. »Energo« ist ein edukatives Action-Adventure – ein Handy-Spiel, das speziell auf Kinder ausgerichtet ist. Es geht um Umwelt und Energie, um Nachhaltigkeit von Ressourcen und Wassernutzung – aber es wurde komplett von Saudi Aramco finanziert, der staatlichen saudischen Ölgesellschaft.

 

Und wie fördert solch ein Spiel die saudische Sichtweise?

Sehr subtil. Es versucht zu vermitteln, was das Königreich alles im Einsatz für diese Umwelt- und Energiethemen unternimmt.

 

Beobachten Sie einen Anstieg in den Ausgaben für sozialen Medien? Und müssen solche Aktivitäten ebenso angemeldet werden?

Ja, in dem Bereich tut sich viel, wobei etwa Facebook das Anzeigengeschäft inzwischen stärker reguliert. Zumindest der Anzeigenkäufer muss in den USA sitzen – das kann aber weiterhin ein Mittelsmann sein, also Lobbyisten oder Beraterfirmen, die aus dem Ausland beauftragt werden. Solche Ausgaben auf Facebook und Twitter steigen definitiv, sind aber schwer zu quantifizieren. Manchmal taucht hier und da ein bezahlter Tweet in den Meldelisten auf. Aber das Medium ist noch immer so neu, dass es nicht explizit von den FARA-Regularien abgedeckt wird.

 

Haben Sie im Laufe der vergangenen Jahre einen Zusammenhang zwischen saudischen Lobby-Geschäften und konkreten politischen Ereignissen ausmachen können, etwa dem Beginn der saudisch geführten Blockade gegen Katar oder der Regierungskrise im Libanon, als Premier Saad Hariri für einige Tage in Saudi-Arabien verschwunden war?

Ja, doch diese Aktivitäten rund um politisch potenziell heikle Ereignisse beschränken sich nicht nur auf die Höhe der Ausgaben, sondern umfassen auch Neuanmeldungen für Lobbyisten. Und die Ausschläge nach oben müssen auch nicht immer mit Krisen einher gehen. Ganz allgemein steigt die Aktivität, sobald Entscheidungen auf politischer Ebene anstehen, die das Verhältnis zu Saudi-Arabien in irgendeiner Weise betreffen, etwa Abstimmungen im Parlament.

 

Die gravierendste Imagekrise durchläuft Saudi-Arabien seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi. Als die Medien US-Präsident Trump zu einer Reaktion drängten, führte er wiederholt milliardenschwere Waffengeschäfte ins Feld. Lässt sich daraus messen, wie groß der saudische Einfluss in Washington ist?

Die Reaktion von Unternehmen auf den Mord an Khashoggi fiel sehr unterschiedlich aus. Einige Firmen versuchten, sich von saudischen Interessen zu distanzieren – ein durchaus ungewöhnlicher Schritt, denn so etwas hat es in der Vergangenheit eigentlich nicht gegeben. Andere Firmen haben zumindest ihre Geschäfte mit dem Königreich formell eingestellt
– zumeist waren sie aber gleich zu Beginn ihrer Verträge bereits voll ausgezahlt worden und hatten deswegen weniger zu verlieren.

 

Der Lobby-Betrieb geht nicht auf Abstand zu Saudi-Arabien?

Wir verzeichnen weiterhin Neuanmeldungen für die Lobby-Arbeit für das Königreich – selbst in den Wochen und Monaten unmittelbar nach der Tötung Khashoggis.


Anna Massoglia ist ausgebildete Juristin und spezialisiert auf Steuerrecht und Parteienfinanzierung. Nach ihrem Abschluss an der University of the District of Columbia School of Law arbeitete sie unter anderem für Bloomberg. Seit Mai 2018 ist sie bei der Washingtoner NGO »Center for Responsive Politics« tätig. Dort betreut sie die Datenbank »Open Secrets«, die Geldflüsse und Lobby-Arbeit aus dem Ausland in der US-amerikanischen Politik dokumentiert.

Von: 
Daniel Boehm und Florian Guckelsberger

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