In jeder Ausgabe fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? In dieser Ausgabe antwortet Susanne El Khafif
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe.
- Geboren: 1963 in Darmstadt
- Wohnort: Ägypten
- Ausbildung: Studium der Arabistik, Politologie und Publizistik in Göttingen, Studium der Islamwissenschaften/Orientalistik, Politologie und VWL (Magister) in Bonn
- Karriere: Redakteurin DLF, Autorin; langjährige Aufenthalte im Nahen Osten; lebt und arbeitet seit 2011 in Ägypten
Wie kamen Sie dazu Nahostjournalist zu werden?
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen – der Vater Ägypter, die Mutter Deutsche. Das Befremden, oft auch die Ablehnung, die andere der (ihnen unbekannten) arabischen Welt entgegenbringen, haben mich schon immer irritiert.
Dann kam der Golfkrieg 1990/91, und das Orientalische Seminar der Uni Bonn wurde aus seinem Dornröschenschlaf gerissen. Weil andere die Deutungshoheit über den »Orient« und »den« Islam an sich rissen. Ich erinnere mich genau: Scholl-Latour vor einer Karte, den Zeigestock in der Hand. Spätestens da wollte ich auch in die Medien gehen.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Von Beherrschen kann keine Rede sein. Sie beherrschen mich und meine Ungeduld.
Der Orient riecht nach…
.… Staub, nach Abgasen und frischer Meeresbrise, nach Müll, Kadaver, geröstetem Kaffee und Kamoun. Nach Rose, Jasmin, Orangenblüten. Und nach »Miskit al-layla« – der »Königin der Nacht« …. einem Strauch mit unscheinbaren weißen Blüten, die nachts einen umwerfenden Duft verströmen.
Apropos: Wo liegt er eigentlich dieser Orient?
Ist er denn wirklich real? Oder doch nur (Alb-)Traumgespinst und Projektion? Europas Antipode – dunkel, lüstern, irrational, beherrschbar, zurückgeblieben?
Drei No-gos für westliche Reporter im Nahen Osten.
Die Region nur durch die Augen von Männern zu sehen; die positiven Dinge bei der Berichterstattung auszublenden; bei der Arbeit Abstriche zu machen und nicht demselben hohen journalistischen Standard gerecht zu werden wie in Deutschland.
Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Davon auszugehen, dass Kollegen in Deutschland per se offen sind und der Welt zugewandt …
Am meisten über den Orient gelernt habe ich…
…durch seine Menschen, seine Pflanzen und Tiere, seine Landschaften.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Hala Kodmani: »Sie können mir den Kopf abschlagen, aber nicht meine Würde nehmen – Ruqias tödlicher Kampf auf Facebook«. Ein beeindruckendes Buch (aber kein Roman), das zu Tränen rührt. Ein Buch, das bescheiden macht. Und dankbar für die eigenen Lebensumstände.
Peter Scholl-Latour war für mich…
… mein »Erweckungserlebnis« – im entgegengesetzten Sinne des Wortes: Mir wurde wichtig, seinem »Ich erkläre euch jetzt mal den Orient« mein »Ich weiß nicht alles« entgegenzuhalten.
Die Geschichte, die Sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Ein Feature über die Liebe … über Sehnsucht und Verlangen ….