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Unternehmer auf dem Owners Forum

Guldenburgs am Golf

Feature

Auf dem »Owners Forum« treffen sich jährlich arabische und deutsche Unternehmer-Dynastien. Ob sie Stahlwerke in der Wüste bauen oder in Niedersachsen Schoko-Kekse backen – ihre Sorgen sind die gleichen.

Kaum hatte Khadidscha bint Khuwailid ihre Logistikfirma zum Branchenprimus ausgebaut, schon quälten sie Personalprobleme. Die wahrscheinlich prominenteste Spediteurin der Arabischen Halbinsel hatte sich nämlich gegen Kinder und für die Karriere entschieden. Sie besaß keinen Erben und musste nun wohl oder übel einen externen Manager namens Mohammed bin Abdallah als Geschäftsführer einstellen – da trug sie ihm auch gleich die Ehe an.

 

So waren die Regeln des »Family Business« im Arabien der Spätantike, und wäre Mohammed nicht als Religionsstifter berühmt geworden, hätte das geschäftstüchtige Ehepaar wohl ein Familien-Imperium aufgebaut – so wie die Henkels, die Bahlsens, die al-Kanoos oder die Olayans. Das sind nur vier von rund 150 Familienunternehmern, die sich in der vergangenen Woche im Park Hyatt Hotel von Abu Dhabi zum »Owners Forum« trafen – auch die Guldenburgs hätten sich in diesem Ambiente wohl gefühlt.

 

Dies sei »die größte deutsche Wirtschaftsdelegation«, die je an den Golf gereist sei, freut sich der deutsche Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei seiner Begrüßungsrede – und das, obwohl nicht einmal ein Minister die Karawane führt. Auf dem Kongress der bodenständigen Milliardäre – wer im »Owners Forum« Mitglied werden will, sollte einen Jahresumsatz von einigen hundert Millionen Euro nicht unterschreiten – geht es polyglott zu: Arabisch, Fränkisch, Kurpfälzisch und Ostwestfälisch sind gleichberechtigte Verkehrssprachen.

 

Ab und an schaut ein süddeutscher Weltmarktführer für Zementgussformen an die Decke des Hotels und raunt: »Schlecht isoliert, das Ganze!« Und die meisten Teilnehmer, ob sie Eifeler Klebstoff-Fabrikanten oder arabische Petroleumhändler sind, stellen sich die selben Fragen: Wie übertrage ich die Verantwortung für meine Firma auf meine Kinder, ohne dass das Imperium zusammenbricht?

 

Wie überzeuge ich die Geschwister von den Vorzügen des Börsengangs? Was wird der Großvater und Firmengründer sagen, wenn wir statt Schlafanzügen mal eine Reizwäsche-Kollektion per E-Commerce anbieten und uns neue Zielgruppen erschließen? Und warum muss der Junge seinen Bentley auf dem Betriebsgelände parken, wenn wir gerade in Tarifverhandlungen stecken?

 

Tradition gibt Halt, behindert aber auch

 

Ganz so tun, als sei politisch im Nahen Osten nichts geschehen in diesem Jahr, kann man bei einem solchen Event gewiss nicht: »Die globale Wirtschaftskrise und die politischen Unruhen machen arabischen und deutschen Familienunternehmern gleichermaßen Sorgen«, sagt Konstantin von Unger, Erbe und Mitglied des Gesellschafterausschusses beim Waschmittelgiganten Henkel AG (»Persil«), dem nicht nur die deutsche, sondern auch die ägyptische Hausfrau die Treue hält.

 

Im Park Hyatt Abu Dhabi bahnt man nicht nur Geschäftskontakte an: Es soll auch ein Wissens- und Erfahrungsaustausch stattfinden. Aber was können deutsche und arabische Impressarios von einander lernen? »Über 95 Prozente der deutschen Unternehmen sind in Familienhand und beschäftigen weit über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland«, rechnet Paul Dietze, 29, Absolvent der Wirtschaftshochschule Witten/Herdecke und Experte für Familienunternehmen.

 

Mit diesen Zahlen sei Deutschland in Europa Spitzenreiter; ähnlich hohe Quoten gebe es auch in der arabischen Welt. Gemeinsam mit seinem Partner Timm Tiller, 31, gründete Dietze 2008 an der Universität Witten/Herdecke das »International Institute for Family Enterprises« – seitdem halten sie alljährlich in einem arabischen Land das »Owners Forum« ab, um deutschsprachige und arabische Unternehmer zu vernetzen.

 

»Viele arabische Unternehmen haben zwar eine lange Tradition«, sagt Tiller, »aber die meisten agieren erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit global und können von der Erfahrung der Deutschen profitieren«.

 

»Den arabischen Diktator in mir bändigen«

 

Was die Deutschen im Gegenzug von den Arabern lernen können? »Der Familienzusammenhalt ist dort wesentlich stärker – zudem sind die wirtschaftlichen und politischen Umstände in der arabischen Welt volatil«, fügt Tiller hinzu. Da lerne man Flexibilität und sich wechselnden Umständen anzupassen.

 

Auch Werner Bahlsen – sein Vorfahre gründete 1889 die »Hannoversche Keksfabrik H. Bahlsen« und sein Leibniz-Butterkeks ist weltweit wohl bekannter ist als der gleichnamige Mathematiker und Philosoph – steht bei Kalbsbraten und Couscous in Abu Dhabi und plaudert mit einem jungen Scheich. »Familienunternehmen sind besser durch die Krise gekommen, denn sie wirtschaften konservativer«, sagt Bahlsen, der nun seinen Marktanteil am Golf dringend ausbauen will.

 

»Tradition gibt uns Halt, aber sie behindert uns auch: Unsere Firma gibt es seit 120 Jahren, wir haben das Gefühl, wir haben alles schon mal gemacht.« Ein solches Unternehmen »fit zu halten« und neue Wege zu gehen, sei nicht gerade leicht.

 

Khaled S. Olayan, saudischer Multi, Senior-Chef der milliardenschweren Holding Olayan-Group und einer der Star-Redner auf dem Forum, hält Selbstironie für angebracht: »Als Unternehmer muss ich meine natürliche Veranlagung zum arabischen Diktator bändigen«, erklärt Olayan, »bedauerlich, wenn man überlegt, dass das ja wohl ein grundsätzliches Privileg des Familienpatriarchen ist!«

Von: 
Daniel Gerlach

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