Lesezeit: 8 Minuten
Regierungskrise in Südafrika

Südafrikas neue Heldin

Analyse
von Julia Jaki

Die Ergebnisse ihres Untersuchungsberichtes könnten Präsident Zuma zu Fall bringen. Anwältin Thulisile Madonsela verkörpert für viele Südafrikaner etwas, das nicht mehr zu existieren schien: Hoffnung auf ein gerechtes politisches System.

Ein kollektives Fan-Fieber grassiert in Südafrikas sozialen Netzwerken, Adressat der Bewunderung ist kein Popstar oder Schauspieler, sondern eine Juristin: Thulisile »Thuli« Nomkhosi Madonsela, Rechtsanwältin und Ombudsfrau des südafrikanischen Parlaments. Eine Frau, die Staatspräsident Jacob Zuma und der politische Elite momentan mehr als nur Kopfzerbrechen bereitet, denn am 19. März 2014 veröffentlichte Madonsela den von Presse und Öffentlichkeit lang ersehnten Nkandla-Report.

 

Der Bericht, Ergebnis monatelanger Untersuchungen ihres Teams, legt die Verschwendung von Steuergeldern für den Ausbau von Präsident Jacob Zumas Privatresidenz offen. 246 Millionen Rand (gut 16 Millionen Euro) flossen demnach in die Verschönerung des präsidialen Anwesens in Zumas Heimatort Nkandla; die als Sicherheitsvorkehrung gerechtfertigte Investition umfasst dabei unter anderem den Bau eines Amphitheaters, eines Schwimmbades, eines Rinder- und Hühnergeheges sowie eines Besucherzentrums.

 

Die zuständigen Verwaltungsorgane und Ministerien, so stellten Madonsela und ihr Team fest, haben dies nicht zu verhindern gewusst. Madonselas Untersuchungsbericht bestätigt so das Bild vieler Südafrikaner von einer gesättigten, korrupten und verschwenderischen politischen Klasse – rückte mit der Verfasserin selbst aber eine Lichtgestalt des politischen Systems in den Mittelpunkt: Ein Mensch, der den Grundsätzen seines Mandates fest verpflichtet scheint, der sich nicht korrumpieren lässt und die Wahrheitsfindung über alles stellt. Das klingt fast schon zu hehr um wahr zu sein und löste wohl genau deshalb die Thuli-Euphorie aus.

 

Sehnsucht nach einer politischen Identifikationsfigur, die dem Erbe Mandelas gerecht wird

 

Wie sehr sich die Südafrikaner nach einer politischen Identifikationsfigur sehnen, zeigen die Bekundungen in sozialen Netzwerken: Die Facebook-Seite »Support Thuli Madonsela, our public protector« hat über 13.000 Anhänger, Südafrikaner aller ethnischen Gruppen sprechen Madonsela hier ihren Respekt aus: »Südafrika braucht Dich«, kommentiert ein User, »Nelson Mandela hat sich für Menschenrechte und gegen Ungerechtigkeit eingesetzt, Frau Madonsela macht genau dasselbe.«, »Mach weiter so, Du bist unser Heldin, unser Beispiel!«, heißt es in weiteren Kommentaren.

 

Desillusionierte ANC-Anhänger, Democratic Alliance-Wähler, weiß, schwarz, coloured, männlich, weiblich – auf Thuli Madonsela, so scheint es, können sich alle Südafrikaner einigen. Auch auf der Facebook-Seite »Hands OFF our Public Protector«, mit 15.000 Likes noch etwas populärer, sammeln sich die positiven Zurufe: »Eine südafrikanische Heldin, ein Vorbild«, liest man da, »Eine mutige Frau. Vorwärts Thuli! Es gibt noch viel zu tun!« Die 52-jährige Anwältin, die durch ihre zurückgenommene Sprechweise besticht, nährt die Hoffnung vieler Südafrikaner, dass ihre Demokratie nicht komplett vor die Hunde gegangen ist.

 

Aus ihren Online-Kommentaren lässt sich Erleichterung herauslesen, Erleichterung darüber, dass Nelson Mandela nicht die letzte integre Persönlichkeit auf Südafrikas politischer Bühne war. Auch von prominenter Seite bekommt Thuli Madonsela Unterstützung: Der ehemalige Erzbischof und Anti-Apartheid-Aktivist Desmond Tutu gratulierte der Ombudsfrau in einer Pressemitteilung zu ihrem Mut, die Nkandla-Vorgänge angstfrei und unabhängig zu untersuchen. Mutig, inspirierend, integer – Attribute, die immer wieder im Zusammenhang mit ihr genannt werden.

 

Rückendeckung von Tutu, nervöser ANC

 

Auf ihrer offiziellen Homepage liest man, dass die 1962 in Johannesburg geborene Madonsela ein Harvard-Stipendium ablehnte, um 1994/95 bei der Ausarbeitung der neuen südafrikanischen Verfassung beratend mitzuwirken. In den folgenden Jahren arbeitete die alleinerziehende Mutter zweier Kinder als Menschenrechtsanwältin, leitete Projekte im Justizministerium und war Vorsitzende der  Kommission zur südafrikanischen Gesetzesreform.

 

2009 ernannte Präsident Zuma die Anwältin nach einstimmiger Empfehlung des Parlaments zur Ombudsfrau und verlieh Madonsela so das Mandat, Amtsmissbrauch in Regierungsorganen und staatlichen Institutionen zu untersuchen. Nun, wenige Wochen vor den Parlamentswahlen Anfang Mai, könnte Madonselas Untersuchungsbericht Präsident Zuma das Genick brechen. Regierungsmitglieder versuchten so auch im Vorfeld die Veröffentlichung des Nkandla-Reports zu verhindern und, als das scheiterte, Madonselas Ergebnisse als politisches Wahlkampfinstrument zu diskreditieren – ein »skandalöser Unsinn« wie Desmond Tutu öffentlich konstatierte.

 

Auf welches Niveau die Reaktionen auf eine Frau wie Madonsela abrutschen können, zeigt die jüngste Äußerung des Generalsekretärs des ANC-nahen »Congress Of South African Students« Tshiamo Tsotetsi: Auf einer Versammlung bezeichnete er Thuli Madonsela als »diese Frau mit der dicken, hässlichen Nase«. Dies brachte Tsotetsi zumindest einen Rüffel von der ANC-Spitze ein.

 

Thuli Madonsela selbst äußerte in der südafrikanischen Presse, sie fühlte sich zwar zu keinem Zeitpunkt bedroht, fürchtete aber, dass die Regierung nach Wegen gesucht habe, ihren Untersuchungen ein Ende zu setzen. Ohne Erfolg, wie sich gezeigt hat. Thuli Madonsela ist Südafrikas neue Heldin. Was sie nach dem Ende ihres Mandats als Ombudsfrau macht, ist bisher nicht bekannt. Geht man nach ihren online Unterstützern ist der nächste Karriereschritt klar: »Thuli for president!« ist ein häufiger Kommentar – und der Name einer weiteren Facebook-Fanseite.

Von: 
Julia Jaki

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