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Menschenrechtslage in Bahrain

Scheinwerfer müssen an bleiben

Kommentar

Auch nach dem Formel 1-Wochenende sollten die Menschenrechtslage, der politische Dialog und die Freilassung des Aktivisten Khawaja in Bahrain auf der Tagesordnung bleiben, meint Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung.

Normalerweise sind Formel 1-Rennen ein Fest für die vielen Motorsport-Fans rund um den Globus. Normalerweise. Nicht so in Bahrain.

 

2011 wurde der Formel 1-Grandprix vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Land abgesagt, das Rennen 2012 fand vor wenigen Tagen statt – trotz anhaltender Proteste der bahrainischen Opposition und dem harten Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Menschen wurden verhaftet, verletzt, ein Toter ist zu beklagen.

 

Internationale Sportgroßereignisse werden zum Politikum, wenn der Austragungsort selbst ein Politikum ist. Sport ist dann nicht mehr nur Sport. Wo universelle Menschen- und Bürgerrechte auf die Probe gestellt werden, können sich auch Spitzensportler und Funktionäre nicht einfach wegducken. Nicht ein Boykott, wohl aber ein Zeichen der Sensibilität von Seiten der FIA für die schwierige Lage in Bahrain wäre mehr als wünschenswert und geboten gewesen.

 

Der Formel 1-Zirkus hat Bahrain wieder verlassen, damit droht Bahrain und sein innenpolitischer Konflikt wieder aus dem Scheinwerferlicht zu geraten. Das darf nicht passieren, die Scheinwerfer müssen an bleiben. Die Ereignisse um das Formel 1-Rennen vor wenigen Tagen haben auf ein Neues unterstrichen, wie dringlich die Lösung des politischen Konflikts ist.

 

Wir appellieren seit Monaten an die bahrainische Regierung und die Oppositionsgruppen, alles zu tun, um weitere Gewalt zu vermeiden und in einen ernsthaften, konstruktiven Dialog einzutreten. Die Menschen in Bahrain haben ein Recht auf friedliche Demonstration. Gleichzeitig verurteilt die Bundesregierung jegliche Gewaltanwendung.

 

Klar ist: Politische Stabilität in Bahrain wird sich nur über grundlegende Reformen und mehr politische Partizipation für alle Bevölkerungsgruppen erreichen lassen. Das sagen wir der bahrainischen Regierung sowohl hinter verschlossenen Türen als auch öffentlich. Innenpolitischer Dialog bleibt das wichtigste Ziel. Offenheit dafür ist von beiden Seiten, also Regierung und Opposition, erforderlich.

 

Die Lösung dieses Konflikts kann und muss innenpolitisch erfolgen

 

Die umfassende und zügige Implementierung der Empfehlungen der internationalen Bassiouni-Kommission zur Untersuchung der gewaltsamen Ausschreitungen im Februar/März 2011 ist der Schlüssel dafür. Hier sind beide Seiten gefordert, insbesondere aber die bahrainische Regierung. Sie muss weitere sichtbare und nachhaltige Schritte zu einer Lösung der politischen Krise unternehmen. Bei der Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen und der Aufarbeitung der Urteile des Sondergerichts gibt es noch Nachholbedarf. Es hat dazu auch in den letzten Wochen intensive Gespräche von Vertretern des Auswärtigen Amtes mit der Regierung und der Opposition in Bahrain gegeben.

 

Ganz besonders besorgt mich der kritische Zustand des Menschenrechtsaktivisten Abdulhadi Khawaja. Die Regierung Bahrains muss dringend eine humanitäre Lösung für Abdulhadi Khawaja finden. Khawaja wurde infolge der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bahrain im Frühjahr 2011 zusammen mit einer Vielzahl anderer Aktivisten verhaftet und von einem Sondergericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Obwohl er seit mehr als 75 Tagen im Hungerstreik ist, wurde die Verhandlung über seine Berufung diese Woche vom Gericht zum zweiten Mal verschoben. Sein Gesundheitszustand scheint sehr kritisch und duldet keine weitere Inhaftierung. Die Zeit läuft ab. Dass die gerichtliche Anhörung für Abdulhadi Khawaja verschoben wurde, ist ein schlechtes Zeichen. Zudem fordere ich die bahrainischen Behörden auf, seinen Familienangehörigen den Kontakt zu ihm zu ermöglichen.

 

Darüber dürfen die mehreren hundert Oppositionellen nicht in Vergessenheit geraten, die mehr als ein Jahr nach den blutig niedergeschlagenen Protesten noch in Gefängnissen sitzen. Auch sie sollten unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden.

 

Bahrain darf zugleich nicht zur Spielwiese für regionalpolitische Auseinandersetzungen werden. Der Ursprung des Konflikts in Bahrain ist ein innenpolitischer – es geht um mehr Rechte und mehr Partizipation der Schiiten im Land, die dort numerisch die Mehrheit stellen. Die Lösung dieses Konflikts kann und muss daher auch innenpolitisch erfolgen.


Markus Löning, 51,saß von 2002 bis 2005 für die FDP im Bundestag und war in dieser Zeit entwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Zudem bekleidet er seit 2005 das Amt des Vizepräsident der Europäischen Liberalen Partei (ELDR). Seit April 2010 ist Markus Löning Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe.

Von: 
Markus Löning

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