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Jitzchak Herzog und die Arbeiterpartei in Israel

Der rote Prinzling von Tel Aviv

Essay

Jitzchak Herzog ist neuer Vorsitzender der Arbeiterpartei. Ob der Spross einer bekannten Familie die altehrwürdige Awoda wieder auf Vordermann bringen kann? Viele sehen in ihm lediglich einen farblosen Apparatschik, der jede Sprechblase füllen kann.

Am Wahltag öffentlich mit François Hollande verglichen zu werden? Das dürfte gegenwärtig keinem Politiker auf der Welt gefallen, gilt der Hausherr des Élysée-Palasts doch mittlerweile als Rohrkrepierer von der Seine. Jitzchak Herzog ist genau das passiert. In der links-liberalen Haaretz wurde er, da noch in seiner Rolle als Herausforderer Shelly Jachimovitchs um die Führung der Arbeiterpartei, von Gideon Levy als israelische Version des französischen Präsidenten verglichen und als »guter Junge im schlechtesten Sinne des Wortes« bezeichnet, dessen politische Rhetorik »all das bla, bla« einen eher an Bar Mitzva-Reden erinnere. Touché. 

 

Ein Kind des roten Adels von Tel Aviv

 

Geschadet hat es Herzog indes nicht. Im Rennen um den Vorsitz der »Awoda« hat er die einstige Journalistin Jachimovitch geschlagen und wurde mit 58.5 Prozent zum nunmehr 15. Vorsitzenden der Arbeiterpartei gewählt. Er ist kein Unbekannter zwischen Mittelmeer und Jordan.

 

Der 53-jährige Familienvater dreier Kinder ist der Sohn von Chajim Herzog, seines Zeichens Staatspräsident, Chef des Militärgeheimdienstes und Sohn von Jitzchak ha-Levi Herzog, der aus Irland eingewandert und nach Avraham Jitzchak ha-Kohen Kuk zweiter aschkenasischer Oberrabbiner des Landes gewesen war. Jitzchak Herzogs (angeheirateter) Onkel? Richtig, Abba Eban, die Außenministerlegende Israels, von dem Henry Kissinger einst gesagt hat, seine »Sätze quollen in honigsüßen Wortfügungen aus ihm heraus«. Kurzum: Jitzchak Herzog ist ein Tel Aviver Prinzling, aufgewachsen in den besten Kreisen, der das Wort »Hautevoée« nicht einmal buchstabieren kann. Ein Kind des roten Adels von Tel Aviv.

 

Solider Arbeiter im Maschinenraum der Arbeiterpartei

 

Nun will er selbst das Zepter in die Hand nehmen. Zeit wird’s. Seit 2010, als Ehud Barak sein Fähnchen in den Wind gehangen, die »Awoda« verlassen und die »Atzmaut«-Partei gegründet hatte, ließ Herzog jeden wissen, er wolle und werde der nächste Vorsitzende der Arbeiterpartei sein. Daraus wurde bekanntlich nichts.

 

Shelly Jachimovitch kam, sah und siegte. Dabei hatte Herzog bereits seinerzeit ein aussagekräftiges Bewerbungsschreiben vorliegen: Nach seinem Wehrdienst in der »Unit 8200«, zuständig für Fernmelde- und strategische Aufklärung, studierte er Jura in Tel Aviv und an der Cornell University, die zur »Ivy League« gehört, und konnte seine Karriere anschließend butterweich in der von seinem Vater mitbegründeten Riesenkanzlei »Herzog, Fox & Ne'eman« beginnen.

 

In den späten 1990ern schnuppert »Buji«, wie Herzogs Spitzname lautet – ein diminutives Wortspiel seiner aus Alexandria stammenden Mutter der hebräischen und französischen Wörter für »Puppe« – erstmals die Luft des Jerusalemer Politbetriebs als linke Hand des damaligen Ministerpräsidenten Ehud Barak. Er war dessen Regierungssekretär. Seit 2003 sitzt Herzog in der Knesset und auch immer wieder als Minister in unterschiedlichen Regierungskoalitionen, mal als Tourismusminister, dann zuständig für das Wohnungsbauressort oder als Sozialminister. 

 

Als Tribun der Massen ist es bisher nicht aufgefallen – mit besonderen Themenschwerpunkten ebenso nicht. Einzig seine harte Haltung gegen Außenminister Avigdor Lieberman ist betonenswert. Die Politik des mächtigen Parteivorsitzenden der »Israel Beitenu«-Partei, so Herzog, habe allzu oft »den Geruch des Faschismus«.

 

Auf den Punkt gebracht: Jitzchak Herzog hat seine Arbeit immer ordentlich gemacht im Maschinenraum der Arbeiterpartei. Aber ob das reicht für den Vorsitz der »Awoda«, für den viel beschworenen Neuanfang in der Post-Barak-Ära? Das darf bezweifelt werden, zumal schon die ersten Unkenrufe erklingen, wonach Herzog die Partei wieder in ein Regierungsbündnis mit Premierminister Netanjahu führen könnte. Schließlich kann die »Awoda« seit zwei Jahrzehnten nur noch davon träumen, das Land mit der Allmacht von einst zu regieren. Temous edax rerum.

Von: 
Dominik Peters

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