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Bankenplatz Bahrain

Die Unmöglichkeit einer Insel

Feature

Dubai-Crash, Finanzkrise, Korruption, Arabischer Frühling – wie der Bankenplatz Bahrain in den Abwärtsstrudel geriet.

Als in den 1970er und 1980er Jahren im Libanon der Bürgerkrieg tobte, verließ das Geld reicher Araber die damalige arabische Finanzmetropole Beirut und suchte sich ein neues Zuhause: Bahrain, die kleine Insel im Persischen Golf, die mit ihrer vergleichsweise liberalen Lebensweise schnell Geld und Nachtschwärmer aus den benachbarten Ölstaaten anzog.

 

Doch das Finanzzentrum ist unwiederbringlich im Niedergang: Es hatte die Auswirkungen des Immobilien-Crashs am Golf von 2008 und mehrerer anschließender Bankenskandale noch nicht verdaut, da löste der Arabische Frühling im vergangenen Frühjahr auch noch Unruhen in Bahrain aus. Die schiitische Mehrheit verlangte mehr wirtschaftliche und politische Mitsprache. Der Aufstand wurde mit Hilfe Saudi-Arabiens niedergeschlagen. Doch die Unruhen und das Durchgreifen der Behörden gegen die Schiiten machten Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung zunichte. Allein im März 2011 verließen zehn Prozent des in Bahrain verwalteten Geldes das Land.

 

Dabei hatte sich das Mini-Königreich in der Dekade nach der Jahrtausendwende einen Namen als Anlagezentrum für den Ölreichtum der Golfregion gemacht. Kleine Investmenthäuser schossen wie Pilze aus dem Boden, Investoren aus Saudi-Arabien, Kuwait und Katar siedelten ihre Firmen lieber in Manama als in den unterentwickelten Finanzbranchen ihrer eigenen Länder an.

 

Doch sie lenkten die Gelder ausschließlich in Beteiligungskapital und Immobilien, mit denen sich dank der zwischen 2002 und 2008 am Golf entstandenen Immobilien-Blase auch kräftig verdienen ließ. Corporate Governance, Aufsicht durch die Investoren oder die Zentralbank gab es in diesem Sektor während dieses Goldrauschs nicht. Manche Chefs tätigten Investitionen, die von ihren Aufsichtsräten ausdrücklich abgelehnt worden waren.

 

Das Land gab einen seiner letzten Standortvorteile aus der Hand

 

Ein extremer Fall war die Investment-Firma Gulf Finance House (GFH). Sie sammelte Investorengelder für Immobilienprojekte im ganzen Nahen Osten und gebärdete sich als Investment-Bank, doch im Grunde handelte sie nur mit Land. Ihr Aufsichtsratschef Esam Janahi versprach Regierungen Investitionen und bekam dafür günstige Grundstücke, die er mit deftigen Aufschlägen an Investoren weiterverkaufte. Auf deren Gelder erhob GFH Gebühren von über 20 Prozent – bevor die Projekte überhaupt begonnen hatten.

 

Die Lehman-Pleite im Herbst 2008 ließ auch am Golf die Blase platzen und machte das Geschäft von GFH und der bahrainischen Investment-Branche insgesamt dem Erdboden gleich. Kritiker werfen der Zentralbank vor, sie habe die Verluste aus Sorge um den Ruf des Landes lange Zeit verschleiert. Als im Frühjahr 2009 die bahrainischen Banken zweier saudischer Familienkonglomerate über Nacht kollabierten und ihre internationalen Kreditgeber in den Büchern vergeblich nach den Aktiva suchten, wurden Zweifel an der Fähigkeit der Aufseher laut. Auch der Fall GFH zeigt die fehlende Unabhängigkeit der Zentralbank auf einer Insel, in der die Herrscherfamilie das Geschäftsleben dominiert.

 

Regierungschef Scheich Khalifa bin Khalifa, seit der Unabhängigkeit des Landes 1971 im Amt, war lange ein wichtiger Geschäftspartner von Esam Janahi – was dessen Geschäftsgebaren unantastbar machte.

 

Der Arabische Frühling gab dem Finanzzentrum Bahrain dann den Rest. Nach der Niederschlagung der friedlichen Proteste sahen die Hardliner in der Königsfamilie ihre Stunde gekommen und versuchten, ein Apartheidregime mit Trennung zwischen Sunniten und Schiiten zu errichten. Schiitische Bankangestellte, die an friedlichen Demonstrationen teilgenommen hatten, wurden in den Handelsräumen internationaler Banken verhaftet. Damit gab das Land einen seiner letzten Standortvorteile aus der Hand: das von Expats geschätzte liberale, tolerante Leben auf der beschaulichen Insel.

 

Die französische Investmentbank Credit Agricole besiegelte in der Folge ihre Pläne, ihr regionales Hauptquartier von Manama nach Dubai zu verlegen. Die letzte verbliebene Großbank ist BNP Paribas, die in Bahrain mehrere hundert Angestellte hat und ihr regionales Geschäft offiziell auch weiterhin aus Manama betreiben wird. Kenner der Bank sagen jedoch, das Institut werde Schritt für Schritt Stellen nach Dubai verlagern, um Schlagzeilen zu vermeiden und sein Geschäft in Bahrain nicht zu gefährden. »Eine ganze Reihe von Asset Managern hat das Geschäft hier reduziert oder ganz zugemacht«, sagt ein Banker mit jahrzehntelanger Erfahrung in Bahrain und der Region. »Im Grunde begann die Abwanderung nach Dubai aber schon vor einigen Jahren.«

 

»Die Fusionen sind nur vorübergehende Lösungen«

 

Schon lange fordern Banker und Analysten eine Konsolidierung der Finanzbranche. Doch Übernahmen und Zusammenschlüsse sind der Unternehmenskultur am Golf fremd. Für die Händler-Familien ist es eine Frage der Ehre, ein eigenes Finanzunternehmen zu besitzen. Verkauft wird erst, wenn der Bankrott nicht länger zu verschleiern ist.

 

Vergangenes Jahr bewegte die bahrainische Zentralbank immerhin die Bahrain Islamic Bank und die Al-Salam Bank zum Zusammenschluss. Beide konnten die nötigen Abschreibungen fauler Kredite und Wertberichtigungen ihrer Immobilien-Investitionen nicht mehr alleine stemmen. Ende des Jahres kündigten drei weitere Investment-Häuser ihre Fusion an. »Diese Zusammenschlüsse sollen das Überleben und das Wachstum der Banken sichern«, sagt Jasim Husain, Wirtschaftsexperte der schiitischen Oppositionsgruppe Wefaq.

 

Doch Investitionen, zum Beispiel in den sozialen Wohnungsbau, tätige noch immer ausschließlich die Regierung. Im Boom haben die bahrainischen Investmenthäuser es versäumt, ihre Produkte zu diversifizieren. Die Kapitalmärkte am Golf sind noch im Anfangsstadium und bieten lokalen Investmentbanken kaum Einkommensmöglichkeiten. Das Kredit- und Anleihegeschäft wird von internationalen Banken betrieben, die mit ihren größeren Bilanzsummen einen uneinholbaren Vorsprung bei den Finanzierungskosten haben. Der lokale Markt für Börsengänge liegt seit Jahren brach.

 

Auch die politischen Spannungen in Bahrain dauern an. Fast täglich kommt es unbemerkt von der Weltöffentlichkeit zu Zusammenstößen zwischen mehrheitlich schiitischen Jugendlichen und den sunnitischen Sicherheitskräften der Regierung. »Die Fusionen sind nur vorübergehende Lösungen, die langfristig nicht weiterhelfen«, sagt vor diesem Hintergrund der erfahrene Banker. »Diese neuen Banken werden kein anderes Geschäftsmodell haben.«

Von: 
Frederik Richter

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