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Ausstellung »Mythos Goldenes Dreieck«

Opium und Volk

Feature

Das Grenzgebiet von Laos, Thailand und Myanmar galt einst als Synonym für den Opiumanbau. Die Ausstellung »Mythos Goldenes Dreieck« in Berlin wirft nun einen Blick auf die Lebenswirklichkeit der Bergvölker Südostasiens.

Zwei Wächterfiguren der Akha stehen am Eingang des Ausstellungsareals und führen uns hinein in die wenig bekannte Welt der Bergvölker Südostasiens. Im Fokus der Ausstellung stehen die sechs wichtigsten Minderheiten Nordthailands: die Karen, Lisu, Lahu, Akha, Hmong und Mien, die auch jenseits der Grenzen in Myanmar und Laos siedeln. Ursprünglich stammen sie alle aus dem Süden Chinas, von wo aus sie neue Siedlungsgebiete suchten und dafür die Rückzugsräume südostasiatischer Regionen wählten.

 

Ausdrucksstarke Fotos und Videosequenzen zur Reiseernte, religiösen Ritualen und zum Alltagsgeschehen bieten ein aktuelles Bild der Lebensbedingungen jener Minderheiten, die trotz eines erheblichen Druckes von Seiten der Mehrheitsbevölkerungen und ihrer Regierungen ihren eigenen Weg gehen. Glaubte man vor drei Jahrzehnten noch, dass all diese Kulturen bald verschwunden seien, so sieht man heute, dass sie sich wie alle Kulturen zwar permanent verändern, aber immer noch präsent sind.

 

Ihre aktiven Strategien zum kulturellen Überleben werden kontinuierlich weiterentwickelt. Und so bleibt die Ausstellung auch nicht bei einer historischen Perspektive stehen, sondern dokumentiert in gelungener Weise ihren Wandlungsprozess über einen Zeitraum von 1980 bis 2011.

 

»Opium war nie eine Volksdroge, wie es der Alkohol ist«

 

Die soziale Organisation dieser Bergvölker zeichnet sich durch eine egalitäre Struktur aus, in welcher der Haushalt und die Familie bestimmende soziale Größen sind. Es handelt sich hierbei traditionell um Gesellschaften ohne zentrale staatliche Instanzen. Sie stehen damit in auffallendem Gegensatz zu den hierarchisierten Tieflandbevölkerungen. Und die nach dem Kolonialismus neu entstandenen Nationalstaaten sind misstrauisch gegenüber den Minderheiten, die sich nie um Grenzen gekümmert haben.

 

Die Ökonomie der Bergvölker war charakterisiert durch Brandrodungsfeldbau, der heute teilweise durch Nassreis ersetzt wurde. Der Opiumanbau wurde in den letzten Jahrzehnten reduziert, zugunsten anderer »Cash Crops«. Dennoch wird es für die Minderheiten immer schwieriger von der Landwirtschaft zu leben. Viele Menschen müssen in die Städte zur Lohnarbeit migrieren. Der Kampf um eine gewisse kulturelle Autonomie wird manchmal auch zum Kampf ums Überleben und steht damit stellvertretend für viele andere Minderheiten weltweit.

 

Der Titel der Ausstellung »Mythos Goldenes Dreieck« birgt eine gewisse Ironie. Denn in unseren westlichen Vorstellungen dieser Region kursieren zahlreiche Bilder von Mohnanbau, exzessivem Opiumhandel, Warlords und mysteriösen kriminellen Banden.

 

Doch wie Roland Platz, der Kurator der Ausstellung  berichtet, sieht die Realität dieser Region und ihrer Ethnien anders aus. »Zwar war in manchen Regionen des heutigen Myanmar Mohn die einzige Erwerbsquelle. Die Aufständischen im Shan-Staat und Kokang im Osten des Landes haben ihre Armeen mit Drogenhandel bezahlt, auch heute noch wird Opium produziert, aber die synthetischen Drogen wie Methamphetamine sind auf dem Vormarsch. In Nordthailand wiederum spielt der Mohn kaum mehr eine Rolle, außerdem haben einige Ethnien nie Mohn kultiviert und Opium war nie eine Volksdroge, wie es der Alkohol ist.«

 

Die Minderheiten Südostasiens sind keine passiven, marginalisierten Opfer

 

Politische Konflikte dieser Region zeigt Platz am Beispiel der Karen in Myanmar und Hmong in Laos auf. Die Karen kämpfen seit 60 Jahren um mehr Autonomie gegen die Zentralregierung in Myanmar. Neuerliche Waffenstillstandsverhandlungen sorgten für eine Beruhigung der Region, es ist aber noch zu früh, um eine Nachhaltigkeit zu bestätigen. Die Hmong gerieten im Vietnamkrieg in den 1960er Jahren zwischen die Fronten: Die CIA baute mit den Hmong eine eigene Söldnerarmee gegen die kommunistischen Pathet Lao auf. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Laos 1975 wurden wiederum die Hmong verfolgt und mussten fliehen – sogar bis nach Schwaben. Dort leben noch heute etwa hundert Hmong.

 

Die Besucher erfahren auch etwas über die traditionellen Religionsformen der Bergvölker, in der Priester, Schamanen, Dorfschutzgeister und Ahnenverehrung eine große Rolle spielen. Der Buddhismus und in geringerem Maße das Christentum hielten Einzug und mischten sich mit traditionellen Vorstellungen. Rollbilder der Mien zeigen auch Bezüge zum Daoismus auf.

 

Ein weiterer Teil der Ausstellung schließlich ist der Kleidung und dem Schmuck gewidmet. Jede einzelne Ethnie hat traditionell eine eigene Tracht, oft mit Silber und Stickereien versehen. Heute jedoch werden immer mehr synthetische Stoffe auf dem Markt gekauft, die Bekleidung ist bunter geworden, die Applikationen sind einfacher gehalten, aber noch immer ist die Kleidung sichtbarer Ausdruck ihrer eigenen Identität.

 

Und so lässt die Ausstellung deutlich werden, dass die Minderheiten Südostasiens keine passiven, marginalisierten Opfer sind. Sie haben ihre eigenen Strategien entwickelt, um sich ihr kulturelles Überleben zu sichern. Zählt man Teile Südwestchinas und Nordostindiens hinzu, dann handelt es sich bei den Bergvölkern derzeit um rund 50 bis 100 Millionen Menschen.

Von: 
Heike Gäßler

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