Victoria Tiemeier

Außer Ex-Premier Schafik ist niemand wirklich zufrieden mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen – selbst die Muslimbrüder nicht. Der Überraschungsdritte hofft dagegen noch auf mögliche Veränderungen nach Wahlfälschungsvorwürfen.

Vor dem ersten Wahlgang rechnen sich fünf Kandidaten beste Chancen für die ägyptische Präsidentschaft aus. Denn dass die Kontrahenten aus Ägyptens ersten TV-Duell auch in die Stichwahl kommen, ist alles andere als ausgemacht.

Die Lehren des vergangenen halben Jahres waren für Ägyptens Salafisten wie ein Crashkurs in Sachen Politik. Zwischen Desillusionierung und Emanzipation versuchen islamistische Politiker und ihre Anhänger ihren Platz zu finden.

Diesmal waren es über 20 Tote. In regelmäßigen Abständen eskaliert in Ägypten die Gewalt auf der Straße – und das Militär ist immer mittendrin. Doch eines ist diesmal anders.

Ägyptens Kommission hat entschieden – und eine Revision gegen den Ausschluss von 10 Kandidaten abgewiesen. Nun haben zwei Bewerber die besten Chancen auf die Präsidentschaft – wenn die Wahlen denn wirklich stattfinden.

Im Ringen um Ägyptens neue Verfassung können Linke und Liberale einen Etappensieg verbuchen. Doch die Auflösung der verfassungsgebenden Versammlung birgt auch viele Risiken – gerade im Hinblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen.

Überraschend nominieren die Muslimbrüder mit Khairat El-Shater einen eigenen Präsidentschaftskandidaten – ein Zeichen gegen oder Kompromiss mit dem regierenden Militärrat?

Der Militärrat und die islamistische Parlamentsmehrheit rüsten sich zur Kraftprobe um Regierungslegitimität und Verfassungsgebung. Revolutionäre Jugend, Linke und Liberale sind dabei zusehend marginalisiert.