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Analyse: Saudi-Arabien

Der Enkel-Trick

Analyse
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Wikimedia Commons

Mit einem sanften Staatsstreich hat sich Mohammad bin Salman in Stellung gebracht. Hält das politische System das aus?

Es war ein Bild mit Symbolcharakter: Der 31-jährige Königssohn Muhammad bin Salman zeigte seinem Onkel Muhammad bin Nayif am 21. Juni 2017 seine Ehrerbietung, indem er vor dem Älteren auf die Knie ging. Es sollte ein Zeichen des Respekts sein. Dabei war es nicht weniger als eine Zeitenwende. Immerhin hatte der greise König Salman kurz zuvor seinen Sohn Muhammad bin Salman vom stellvertretenden Kronprinzen zum direkten Nachfolger befördert. Damit war der 58-jährige Muhammad bin Nayif gleichzeitig seines Amtes enthoben. Und hatte darüber hinaus noch seine Position als Innenminister verloren. Stattdessen erhält der junge »Alleskönner« Muhammad bin Salman als neuer Kronprinz noch mehr Macht – war er doch von seinem Protegé Salman zuvor bereits zum Verteidigungsminister und zum Architekten des Reformprogramms »Vision 2030« ernannt worden.

Worum geht es eigentlich?

Bereits bei Muhammad bin Nayifs Ernennung zum Kronprinzen im April 2015 war klar, dass sich die Nachfolgeregelung im Königshaus fundamental ändern wird: War bislang der Thron von Bruder zu Bruder oder von Halbbruder zu Halbbruder übergegangen, findet nun ein Generationenwechsel statt. So werden nicht mehr die Söhne des einstigen Staatsgründers Ibn Saud das Land führen, sondern dessen Enkel. Dies war aus demografischen Gründen zwingend notwendig geworden, gehören doch die greisen Sprösslinge Ibn Sauds, darunter auch der amtierende König Salman, längst zu einer aussterbenden Spezies. So überraschte es also niemanden, dass mit Muhammad bin Nayif ein Enkel des Staatsgründers in der Rangfolge aufrückte. Doch der Aufstieg des halb so alten Newcomers Muhammad bin Salman sorgte für eine neue Dynamik: Mit der »Vision 2030« will er die verkrustete Bürokratie des Wohlfahrtsstaates aufbrechen und die Wirtschaft vom Öl unabhängig machen. Er ist zum Heilsbringer der jungen Generation aufgestiegen, die in Zeiten der niedrigen ölpreise und der steigenden Arbeitslosigkeit um ihre Zukunft kämpft.

Wie geht es nun weiter?

Mit seinem wenig frommen Auftreten riskiert Muhammad bin Salman, die konservativen Geistlichen zu verprellen. Für sie ist er zu schrill und zu laut. Hinzu kommt die Außenpolitik mit dem Vorschlaghammer: Sein Anti Iran-Kurs heizt die Stimmung in der Region weiter an. Damit will er sich als starker zukünftiger König in Stellung bringen. Das Feindbild Iran ist sein Programm, um Sympathien zu gewinnen, und zeigt populistische Züge. Im Jemen hat die Intervention, die er als Verteidigungsminister mitverantwortet, die humanitäre Katastrophe dramatisiert. Sein harsches Vorgehen gegen Katar sorgt für weitere Unruhe. In all diesen Krisen muss er einen gesichtswahrenden Ausweg finden. Derzeit scheint es, als nutze der Salman-Clan die Gunst der Stunde, um seine Macht zu festigen und andere Fraktionen der Königsfamilie kaltzustellen – ein riskantes Manöver. Einige Beobachter spekulieren sogar, dass der abgesägte Muhammad bin Nayif nur darauf warte, auf die politische Bühne zurückzukehren und Muhammad bin Salman nach dem Tod seines Vaters rasch wieder vom Thron zu stürzen. Sollte Muhammad bin Salman aber triumphieren, könnte er das Land über Jahrzehnte hinweg regieren und eine Ära prägen. •


Sebastian Sons ist Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er ist Autor des Sachbuches »Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien – Ein problematischer Verbündeter«. 

 

Von: 
Sebastian Sons
Fotografien von: 
Mazen AlDarrab

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