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Scholl-Latours-Erben: Michael Lüders

»Kara Ben Nemsi war mir näher als Old Shatterhand«

Portrait
Scholl-Latours Erben: Michel Lüders

Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diesmal: Michael Lüders.

Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diesmal: Michael Lüders.


 

  • Geboren: 8. Mai 1959
  • Wohnort: Berlin
  • Ausbildung:Studium der Islamwissenschaft, Politologie und Publizistik an der FU Berlin, der arabischen Literatur an der Universität Damaskus. Promotion über das ägyptische Kino.
  • Karriere: Dokumentarfilme und Rundfunkarbeit vor allem für den SWR. Nahost-Berichterstatter für die Zeit von 1993 bis 2001, anschließend zwei Jahre Referent der Friedrich-Ebert-Stiftung. Seither Publizist und Autor.

 


 

Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?

Als Romantiker habe ich mich früh für andere Welten interessiert. Vor allem Karl May hat mir als Teenager den Weg Richtung Orient gewiesen – Kara Ben Nemsi war mir innerlich näher als Old Shatterhand. Zum Schreiben über die Region bin ich während meines Zivildienstes mit der Aktion Sühnezeichen in Israel gekommen. Das Kibbuz Shefayim bei Tel Aviv, wo wir Freiwillige zu Beginn Orangen ernteten und Hebräisch lernten, war auf dem Grund und Boden eines zerstörten palästinensischen Dorfes entstanden. Doch dieses Thema war ein Tabu, und ich lernte Fragen zu stellen. Der Widerspruch zwischen Schein und Sein wurde zum Anstoß meines ersten Buches.

 

Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Arabisch.

 

Der Orient riecht nach ...
Gewürzen, Jasmin, Weihrauch, Kaffee – leider auch nach Abgasen und Fäulnis.

 

Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Gute Frage. Für mich südlich und östlich des Mittelmeeres, mit Ausläufern bis nach Indien. Der Orient war und ist ein vager geografischer Begriff, konnte für kolonial gesinnte Briten auch noch China und Japan beinhalten. Gleichzeitig war er aber immer auch ein Sehnsuchtsort für Abenteurer und Romantiker. Heute allerdings zeigt sich dieser Sehnsuchtsort vorwiegend als rechtsfreier Raum für Milizen und Kriegstreiber.

 

Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Nicht nur im Nahen Osten: 1.) Verdachtsberichterstattung statt Recherche. 2.) Die Welt in »gut« und »böse« zu unterteilen. 3.) Meinungs-Söldnertum – sich zum Sprachrohr einer Ideologie oder Kriegspartei zu machen.

 

Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Zu »Anne Will« in die Talkshow zu gehen.

 

Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
Im Gespräch mit Menschen, die offen sind und neugierig.

 

Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
»Tausendundeine Nacht«, auch wenn das streng genommen kein Roman ist. Und gesehen haben sollte man die Filme von Youssef Shahin, allen voran »Alexandria ... warum?« (1979)

 

Peter Scholl-Latour war für mich ...
... als Altmeister ein scharfsinniger Kritiker von (westlicher) Machtpolitik, dessen Spuren leider nur wenige folgen.

 

Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Eine Reportage vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der Anklage erhoben hat gegen George W. Bush, Donald Rumsfeld, Muhammad Bin Salman, Baschar Al-Assad und wie sie alle heißen.

Von: 
zenith-Redaktion

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