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Scholl-Latours-Erben: Alfred Hackensberger

»Es gibt nur neue Geschichten«

Portrait
Scholl-Latours-Erben: Alfred Hackensberger

Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? Diese Woche antwortet Alfred Hackensberger, Nahost-Reporter für die Welt.

Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche antwortet Alfred Hackensberger, Nahost-Reporter für die Welt.


 

  • Geboren: 22.8.1959
  • Wohnort: Tanger
  • Ausbildung: MA Germanistik/Politik/Soziologie
  • Karriere: Journalist und Buchautor

 


 

Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?

Die Weichen wurden gestellt, als ich vor über 30 Jahren mehrere Monate nach Ägypten, Jordanien, Syrien und in die Türkei reiste. Seitdem blieb eine Affinität. Irgendwann wohnt man in der Region und das war es dann.

 

Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Kolonialsprache Englisch. Ansonsten komme ich mit Darija zurecht, das im Nahen Osten keiner versteht.

 

Der Orient riecht nach ...
In Tanger ist es der Geruch von uralten, durchgesessen Mercedesen, mit denen man vom Flughafen in die Stadt fährt und sich vergewissert: Man ist tatsächlich hier! Ab 2019 wird es diese alten charmanten Karren nicht mehr geben! Sie müssen durch neue Dacias, Nissans oder Ssangyongs ersetzt werden. Seit 2011 war es der Geruch von Munition und von Verwesung, der noch nicht vergessen ist. »Riechen sie nicht wie Rosen diese Märtyrer?«, sagte 2013 ein YPG-Soldat lachend in einem Dorf in Nordsyrien an der Front. Einige Nusra-Kämpfer waren von der Planierraupe nicht richtig verbuddelt worden. Als hätten die lebenden Dschihadisten diesen bösen Witz gehört, ballerte einer ihrer Scharfschützen auf uns.

 

Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Gute Frage. Meistens nur im Kopf. Irgendwann fand ich Jerusalem und Aleppo spannend. Dann kamen Beirut, Tanger und Damaskus.

 

Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Für mich die Türkei. Ansonsten unangemeldet in Al-Qaida- und IS-Gebiete zu reisen.

 

Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Wenn man am Telefon einen General mit einem Adjutanten verwechselt – Super peinlich!

 

Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
Mit der Zeit. Wenn man in verschiedenen Ländern der Region lebt und über Jahrzehnte die gesellschaftlichen Entwicklungen mitbekommt. Das hilft, einzuordnen und Zusammenhänge zu erkennen.

 

Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Ich halte es am liebsten mit Personen, die ihre Geschichten und ihren Roman erzählen. Aber beeindruckt hat mich »Das nackte Brot« von Mohammed Choukri.

 

Peter Scholl-Latour war für mich ...
… erfrischend – wenn ich an seine Fernsehauftritte der letzten Jahre denke, bei denen er keine Rücksicht auf Mainstream-Meinung nahm.

 

Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Die gibt es eigentlich nicht. Es gibt nur neue Geschichten.

Von: 
zenith-Redaktion

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