Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? Diese Woche antwortet Karim El-Gawhary, ORF-Korrespondent in Kairo.
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche: Karim El-Gawhary, ORF-Korrespondent in Kairo..
- Geboren: 26. November 1963, in München (als Sohn einer deutschen Mutter und eines ägyptischen Vaters)
- Wohnort: Kairo, seit 26 Jahren (also genau die Hälfte meines Lebens), zuvor Berlin und München
- Ausbildung: Magister Artium Islamwissenschaften und Politik mit Schwerpunkt Nahost, Freie Universität Berlin vor vielen Monden
- Karriere: seit 1991 freier Korrespondent in Kairo, zunächst für Zeitungen und Magazine, taz, Hannoversche Allgemeine, Bonner Generalanzeiger, Badische Zeitung, Rheinpfalz, Rheinpost, Stuttgarter Zeitung, Al-Ahram Weekly, Middle East Report. Später kam Radio dazu: ARD und ORF. Seit 2004 Leiter des ORF-Studios Radio und Fernsehen in Kairo und weiter Zeitungskorrespondent. Sehr aktiv in den Sozialen Medien, die neben Print, Radio und Fernsehen zum vierten Standbein der Arbeit geworden sind. Mitglied von weltreporter.net, Bücher: »Alltag auf Arabisch« (2008), »Tagebuch der Arabischen Revolution« (2011), »Frauenpower auf Arabisch« (2013), »Auf der Flucht« (2015)
Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?
Ich war 1991 für mit einem Stipendium in Kairo, als der Golfkrieg, auch bekannt als »Operation Desert Storm«, von George Bush Senior begann. Ich rief bei der taz an, ob sie einen Korrespondenten brauchen und bin dann für 49 Pfennig die Zeile in den Krieg gezogen.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Arabisch.
Der Orient riecht nach ...
Könnte jetzt einen vom exotischen Gewürzmarkt erzählen, aber er riecht eben leider auch nach vielen politischen faulen Eiern – von Diktaturen, Autokraten, Dschihadisten bis hin zu westlichen Interventionen.
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Auf der einen Seite der Brücke, die ich mit meiner Arbeit versuche zu bauen. Ich habe aber auch viele Jahre damit verbracht, mich zu bemühen, den in den Medien vorherrschenden Orientalismus zu dekonstruieren.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Den Menschen nicht auf Augenhöhe zu begegnen. Maßlose westliche Arroganz, keine der dortigen Sprachen zu sprechen.
Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Vor der Kamera zu stehen, wie ein Rohrspatz über die beschissene Verbindung zu fluchen, während ich live in der Hauptnachrichtensendung zugeschaltet war.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
Das ist ein permanenter Prozess, in dem man jede Stunde, die man dort lebt und arbeitet, dazulernt, während man immer mehr Fragen als Antworten hat. Und immer, wenn man glaubt, alles verstanden zu haben, passiert etwas, das alles über den Haufen wirft.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Naguib Mahfus: »Die Kinder unseres Viertels«, Alaa Aswany »Der Jakubijan-Bau«, Abdel Rahman Munif: »Salzstädte-Pentalogie«.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
Als ich als junger Journalist in Kairo ankam, trafen sich die deutschen Korrespondenten einmal die Woche bei einem gepflegten Glas Whiskey, um die Lage zu besprechen, allesamt nur Männer und kaum jemand, der Arabisch konnte, vollkommen außer Konkurrenz von arabischen englischsprachigen Fernsehsendern wie Al-Jazeera International, des Internets und der Sozialen Medien, die ihnen das Erklärmonopol streitig gemacht haben. Das war die Generation Scholl-Latours.
Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Verrate ich nicht, weil ich vielleicht ja noch dazu komme.