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Reiseziel Nahost

Das kommt so nicht wieder

Essay
Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

Syrien, Jemen, Libyen: Diese drei Länder sind zenith-Autor Lutz Jäkel in besonderer Erinnerung geblieben. In allen dreien herrscht heute Krieg.

Syrien

Wollte man den Orient bereisen, war Syrien nicht das Einstiegsland. Syrien war anders. Ich habe vor 20 Jahren noch während des Studiums als Studienreiseleiter für deutschsprachige Gruppen in Syrien gearbeitet. Die Reisenden der eher kleinen Gruppen waren zuvor schon in Marokko, in Tunesien, oft auch schon in Ägypten, vielleicht auch im Oman. Aber Syrien?

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

Dieses Land galt, so erzählten mir häufig die Reisenden, als etwas Besonderes, von dem die meisten nicht allzu viel wussten, außer dass es im Nahen Osten liegt und ein Erzfeind Israels ist. Doch schon nach wenigen Tagen der Rundreise sahen, hörten, fühlten und spürten sie, dass Syrien tatsächlich etwas Besonderes war. Ein Land jahrtausendealter Geschichte und Kultur, vielfältig, widersprüchlich, faszinierend, mit offenherzigen und freundlichen Menschen. Kulturgeschichtlich Europa viel näher, als viele wussten oder ahnten.

 

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

Ich werde die Sätze, die mir ein Gast nach einer Rundreise zum Abschied sagte, nie vergessen: »Ich hatte keine Vorstellung von diesem Land. Jetzt aber weiß ich: Wer Syrien nicht kennt, kennt den Ursprung unserer Kultur nicht.« Seit nunmehr acht Jahren herrscht in Syrien ein brutaler Krieg. Der menschliche und kulturelle Verlust ist eine Tragödie. Und es scheint leider, als wüssten die meisten Menschen noch immer nichts über dieses Land.

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

Libyen

Dieses Land ist wie dieser berühmte weiße Fleck auf der Karte. In vielerlei Hinsicht. Da ist zunächst vor allem eines: Wüste. Tatsächlich ist ein Großteil des nordafrikanischen Landes mit den Ausläufern der riesigen Sahara bedeckt, mit weitgezogenen, schier endlosen Wüstendünen wie aus dem Bilderbuch, getragen und verformt durch den Wind, ausgetrocknet durch die brutale Hitze der Sonne.

 

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

Unter diesem Sand lagern Gas- und Erdölvorräte, die zu den größten der Welt gehören. Im Norden schließlich liegen großartige Kulturschätze. Leptis Magna ist die größte und besterhaltene Stadt der römischen Antike. Und da auch touristisch Libyen stets ein weißer Fleck war, war man nur nicht in der Wüste über Wochen allein, sondern konnte auch fernab von jeglichem Gruppentourismus (Massentourismus gab es sowieso nicht) alleine die Ruinen erkunden. Florian Harms und ich waren viele Wochen durch das Land gereist. Auch in der Hauptstadt Tripolis schien es uns manchmal, als seien wir die einzigen Ausländer. Womöglich war es auch so.

 

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

Und dann waren da die Revolutionsfeiern auf dem zentralen Tahrir-Platz, Libyer aus dem ganzen Land versammelten sich, hielten Transparente hoch, jubelten, skandierten Parolen, nur für ihn: Revolutionsführer Muammar Al-Gaddafi. Der zeigte sich auch für uns völlig überraschend auf einer Tribüne, nur für wenige Minuten, dann verschwand er auch schon wieder. Wie eine flüchtige Erscheinung.

 

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

2011 wurde Gaddafi gelyncht, Libyen ist seit Jahren in einen brutalen Krieg verwickelt, verschiedene Milizen aus dem Osten und Westen des Landes kämpfen um die Vorherrschaft, islamistische Kämpfer destabilisieren das Land zusätzlich. Und in Sabratha, westlich der Hauptstadt Tripolis, liegt nicht nur eine weitere grandiose antike Stadt, sondern dort hat sich in den letzten Jahren der zentrale Umschlagsplatz entwickelt, wenn man es so nennen mag. Von dort machen sich die vielen Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Ländern auf die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa. Zu viele Menschen erreichen nicht das rettende und ersehnte Ufer.

 

Jemen

Im Westen des Landes, an der Küste des Roten Meeres, wähnte man sich schon in Afrika, die Landschaften und Menschen erinnerten daran. Der Süden, vor allem die alte Hafenstadt Aden, hatte etwas Merkantiles, ganz im Osten schnupperte man fast schon am Oman, durch die Berge gelangte man in das sagenhafte Schibam, dem »Manhattan der Wüste«, und durch eben jene Wüste, der südlichen Ausläufer des Rub al-khali, dem größten Sandmeer der Erde, erreichte man Marib, wo der Legende nach die Königin von Saba residiert haben soll. Der Jemen bot faszinierende Landschaften, Städte, Dörfer, Menschen, in einem kleinen Land am Ende der riesigen Arabischen Halbinsel.

 

Das kommt so nicht wieder
Foto: Lutz Jäkel

 

Vor über zwanzig Jahren gab es noch kein Internet, keine E-Mails oder Smartphones. Der Kontakt nach Deutschland war schwierig, ein dünnes Telefonkabel, das irgendwo aus einer Wand unseres Hauses in der Altstadt von Sanaa hing, verbanden wir – ich war mit einem guten Freund dort – mit einem alten Telefon. Darauf konnten wir angerufen werden, wir selbst damit aber nicht telefonieren. Wenn wir auf dem flachen Dach unseres Hauses saßen und in das nächtliche Sanaa schauten, hatten wir wirklich das Gefühl, sehr weit weg zu sein, fast ein Gefühl von Einsamkeit. Wir hatten es genossen. Heute liegt ein Teil dieses UNESCO-Weltkulturerbes von Sanaa in Schutt und Asche.

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Foto: Lutz Jäkel

Lutz Jäkel, Jahrgang 1970, ist Foto- und Videojournalist, Buchautor, Islamwissenschaftler und Historiker und hat in Hamburg, Damaskus (Syrien) und Sanaa (Jemen) studiert. Aufgewachsen in Istanbul, bereist und fotografiert er seit vielen Jahren die Welt und schreibt darüber – für zenith erstmals im Jahr 2000. Seine Reportagen erscheinen u.a. bei Stern, National Geographic, Spiegel, GEO Saison, Merian und der Süddeutschen Zeitung. Seit 2017 ist er mit der Live-Reportage »Syrien. Ein Land ohne Krieg« auf Tour im deutschsprachigen Raum.

Von: 
Lutz Jäkel

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