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Sanktionen gegen Assad

Brüsseler Bankrotterklärung

Analyse

Ein neuer Tiefpunkt der gemeinsamen Außenpolitik ist erreicht: Die EU-Außenminister können sich nach zähen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung der bestehenden Sanktionen gegen das Assad-Regime einigen. Die Folgen sind fatal.

Was für eine Blamage. Natürlich, die »Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik« der Europäischen Union hat seit jeher nur als theoretisches Konstrukt in politikwissenschaftlichen Proseminaren existiert. Doch was die 27 EU-Außenminister am gestrigen Abend unter der Leitung der vollkommen überforderten »Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik«, Catherine Ashton, abgeliefert haben, spottet jeder Beschreibung.

 

Kurz vor der vollmundig angekündigten Syrien-Konferenz in Genf und dem Auslaufen der EU-Sanktionen gegen das Assad-Regime am 1. Juni 2013, die unter anderem Konto- und Einreisesperren sowie ein Öllieferungen und Waffenlieferungen beinhalten, ist keine kohärente EU-Außenpolitik erkennbar. Zwar wurden die ersten drei Bestandteile des Sanktionspaketes verlängert, doch die Frage der Waffenlieferungen offenbarte die Bruchlinien der europäischen Interessenpolitik.

 

Frankreich und England haben – zaghaft unterstützt von Spanien, Zypern und Italien – durchgesetzt, dass jedes Land fortan die syrischen Rebellen mit Waffen beliefern kann, um ein »Signal« an Damaskus zu senden. Der Rest Europas wollte genau das verhindern, vor allem Österreich, Rumänien, Schweden und Tschechien. Die übrigen Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – plädierten für einen Kompromiss. Dieser hätte vorgesehen, dass Waffenlieferungen an die Rebellen unter strengen Einschränkungen und auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen erlaubt werden würden.

 

Diese Erlaubnis sollte aber zunächst bis zum 1. August 2013 ausgesetzt werden. Dieser Vorschlag wäre nur einstimmig möglich gewesen. Nun steht Brüssel blamiert vor der Weltöffentlichkeit dar. Wieder einmal. Bereits in Libyen und in Mali konnte man erkennen, dass nationalstaatliche Interessen mehr zählen, als eine gemeinsame Außenpolitik. Auch die »Union für das Mittelmeer«, einst als Prestige-Partnerschaft der EU mit den Mittelmeer-Anrainern Nordafrikas und des Nahen Ostens angekündigt, kann man getrost auf die lange Liste der diffusen EU-Außenpolitik setzen.

 

Mit dem Ende des Waffenembargos steht die UN-Mission auf dem Golan vor dem Aus

 

Im Falle Syriens zeigt sich nunmehr – unabhängig von der Frage, ob Waffenlieferungen an »die« Rebellen sinnhaft oder unsinnig sind – dass kein Land gewillt ist, seine Kompetenzen nach Brüssel abzugeben. Die Folgen sind nicht für das Ansehen Europas fatal, das sich nun endgültig zum Gespött auf dem diplomatischen Parkett gemacht hat. Auch in der Region selbst droht Ungemach ungeahnten Ausmaßes. Vor allem auf den Golan-Höhen. Seit 1974 überwachen UN-Soldaten dort die Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen Syrien und Israel.

 

Die sogenannte UNDOF-Mission steht mit dem Auslaufen des Waffenembargos vor dem Aus. Kanada, Japan und Kroatien haben ihre Soldaten bereits abgezogen, die Philippinen erwägen denselben Schritt, zumal einige philippinische Soldaten bereits für kürzere Zeiträume entführt worden waren. Und auch in Österreich, das mit 377 Mann das größte Kontingent stellt, ist seit Wochen eine Debatte über den Einsatz im Gange. Mit der Brüsseler Bankrotterklärung der vergangenen Nacht, dürfte diese weiter an Fahrt aufnehmen. Sollte Wien seine Soldaten zurückbeordern, wäre die syrisch-israelische Grenze endgültig Teil des syrischen Bürgerkrieges. Und genau danach sieht es aus. Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger hat daher Recht, wenn er sagt: »Wenn zwei etwas wollen, können nicht 25 hinterherspringen.«

Von: 
Dominik Peters

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