Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani ist seit 2013 Emir von Katar. Die aggressive Scheckbuchpolitik unter seinem Vater Hamad Bin Khalifa hat er zurückgefahren – auch um die Fußball-WM 2022 nicht aufs Spiel zu setzen.
Ein Modell für andere Golfstaaten – so verkaufte der hauseigene Fernsehsender Al-Jazeera den »sanften«, sprich: gewaltlosen, Machtwechsel im Emirat Katar am 25. Juni 2013. »Die Zeit ist gekommen, ein neues Kapitel auf dem Weg unserer Nation aufzuschlagen«, sagte der damals 61-jährige Hamad Bin Khalifa in seiner letzten TV-Ansprache als Emir. »Eine neue Generation mit innovativen Ideen und voller Energie übernimmt die Verantwortung.« Ob die Machtübergabe an seinen Sohn, den damals 33-jährigen Kronprinzen Tamim, wirklich so friedlich und freiwillig vonstatten ging, ist alles andere als sicher.
In dem undurchsichtigen Geflecht von staatlichen Fondsverwaltern und staatsnahen Geschäftsleuten hatten einige Günstlinge des Emirs es offenbar zu weit getrieben. An prominenter Stelle Ghanim Al Saad: Der Geschäftsführer des nationalen Immobilienentwicklers Qatari Diar und Inhaber mehrerer Investmentfirmen spielte eine große Rolle bei Katars Auslandsgeschäften – wobei seine persönlichen Beteiligungen im Gleichschritt mit denen des Landes wuchsen (siehe zenith 6/2013). Der Unmut darüber nahm schließlich überhand, Kritiker warfen dem Emir vor, sein Patronagesystem sei außer Kontrolle.
An ihrer Spitze: Tamim Bin Hamad. Der hat das Land in einer schwierigen Zeit übernommen: Mit großspuriger Außenpolitik hatte sich Katar zuletzt bei seinen arabischen Nachbarn unbeliebt gemacht. Die Beteiligung am Sturz von Muammar al-Gaddafi in Libyen, die Alimentierung der Hamas in Gaza, der Muslimbrüder in Ägypten und dschihadistischer Kämpfer in Syrien – Tamim begriff bald, dass sich das kleine, aber reiche Emirat mit seiner Scheckbuchpolitik übernommen hatte.
Als erstes entließ er den Architekten dieser Großmachtpolitik, den bisherigen Premier- und Außenminister Hamad Bin Jassim – ein Schritt, zu dem sein Vater nicht bereit gewesen war. Auch seinen Onkel Abdullah Bin Khaled, langjähriger Innenminister mit dubiosen Al-Qaida-Kontakten, versetzte Tamim in den Ruhestand. Den »Fernsehscheich« Yussuf Al-Qaradawi, der neben der Herrscherfamilie wohl das bekannteste Gesicht Katars ist, stellte er zwischenzeitlich kalt. Qaradawi, der gegen Saudi-Arabien ebenso wettert wie gegen das ägyptische Militär, bleibt für Tamim Verhandlungsmasse.
Mit dem gleichen Ehrgeiz hat der Absolvent der Militärakademie Sandhurst sich das Ziel gesetzt, Katar wieder zu alter diplomatischer Stärke zu führen – wie zuletzt 2008, als das Emirat zwischen Syrien und Saudi-Arabien vermittelte und so die Krise im Libanon entschärfte. Die Parteinahme des Staatssenders Al-Jazeera für die Muslimbrüder hat allerdings insbesondere in Riad viel Vertrauen gekostet. Zwar hat Tamin die Unterstützung zurückgefahren und auch den Militärputsch in Ägypten – wenige Tage nach seinem Amtsantritt – hingenommen, doch völlig will er sich den Saudis nicht unterordnen.
Möglicherweise soll auch die Einführung der Wehrpflicht im April 2014 ein Signal an den großen Nachbarn senden – um jegliche Gedankenspiele in Riad über einen Einmarsch auf der Halbinsel zu zerstreuen. Zudem ließ Tamim den Sold der höheren Offiziere verdoppeln und rüstete das Emirat für 23 Milliarden US-Dollar mit Kampfhubschraubern, Lenkraketen und anderen Waffen auf. Sein oberstes Credo lautet Sicherheit – auch damit sein wichtigstes Projekt nicht gefährdet wird: die Fußball-WM 2022.
Der sportaffine Emir spielt selbst Fußball und Tennis und hat als Kronprinz bereits Sportereignisse wie die Handball-WM 2015 oder die Rad-WM 2016 nach Katar geholt. Bis 2030 soll Doha sich als »Welthauptstadt des Sports« etablieren. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen haben indes den Ruf Katars beschädigt (siehe zenith 1/2014). Dass sein Land die WM verliert, will der Emir aber auf alle Fälle verhindern.
Rückendeckung erhält Tamim dabei von einem Deutschen. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), lobte im April 2014 die »vielen guten Initiativen« in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Die Internationale Arbeitsorganisation verlangte dagegen, das Arbeitsrecht grundlegend zu reformieren: Einschränkungen bei der Gründung von Gewerkschaften und beim Streikrecht müssten gestrichen und die Arbeiter vor Diskriminierung geschützt werden.