Eine schöne Sklavin soll dem Propheten Muhammad geschenkt worden sein. Gleich für mehrere islamische Rechtsnormen diente sie als Präzedenzfall – ein Zufall?
In der letzten Ausgabe hatte ich von Muhammads Sohn Ibrahim berichtet, der ihm von einer koptischen Sklavin namens Mariya geboren worden sein soll. Aber diese Frau – die ihm der Überlieferung nach der Muqauqis (ein Herrscher im christlichen Ägypten) im Jahr 629 zusammen mit ihrer Schwester Sirin schenkte – war keine historische Figur. An mindestens drei Stellen in der Literatur taucht ein christliches Frauengespann Mariya–Schirin auf; aber nicht in Ägypten, sondern in Persien: 1. Um etwa 660 heißt es in der Khuzistan-Chronik: »Iso‘yahb wurde respektvoll behandelt von dem König (Khosrau) selbst und von seinen beiden christlichen Frauen Schirin der Aramäerin und Mariya der Römerin.« 2. In der Chronik von Siirt aus dem 10. Jahrhundert lesen wir über den persischen Herrscher Khosrau II., der von 590 bis 628 regierte: »(...) aus Dankbarkeit Mauricius gegenüber befahl Khosrau, Kirchen wiederaufzubauen und die Christen in Ehren zu halten. Er baute selbst zwei Kirchen für Mariya (Maryam) und eine große Kirche und eine Burg im Land von Beth Lashpar für seine Frau Schirin die Aramäerin«.
3. Und nach einem Bericht bei dem Chronisten al-Tabari soll der römische Kaiser Mauricius, der von 582 bis 602 regierte, Khosrau »eine geliebte Tochter von ihm, die Maryam (Mariya) hieß«, zur Frau gegeben haben. Dass dieser bereits eine christliche Frau namens Schirin hatte, ist aus der Literatur bekannt. Mit dieser Mariya scheint also eine christliche Römerin gemeint zu sein, die es nach Persien verschlug. Sie zusammen mit Schirin nach Ägypten und von dort wiederum nach Medina zu verschleppen, ist eine Freiheit, die sich der muslimische Chronist Ibn Sa’d rund 200 Jahre nach dem Tod des Propheten nahm. Auch bei ihm wird eine Mariya von einer hochherrschaftlichen Person an eine andere, nämlich Muhammad, »verschenkt«. Wenngleich nichtexistent, hat Mariya ihre Spuren in Scharia-Texten hinterlassen, und das gleich mehrfach: Der Prophet nahm sie an und zeigte so, dass man ein Geschenk von Christen akzeptieren darf. Er hatte erlaubten Sex mit ihr als Sklavin. Ihre Schwester Schirin reichte er dagegen weiter; man darf ja nicht mit zwei Schwestern zur selben Zeit verkehren. Und indem Mariya Muhammad einen Sohn gebar, wurde sie ein Beispiel für eine umm walad. Aber der Reihe nach.
Geschenke
Angeblich empfing Muhammad Geschenke von christlichen Herrschern: vom Negus von Abessinien, vom Muqauqis von Alexandrien, vom römischen Kaiser, aber auch von Dihya al-Kalbi, einem Muslim, der öfter in diplomatischer Mission im Römerreich unterwegs gewesen sein soll. Warum wird uns von ihren Geschenken erzählt? Die Berichte wollen zeigen, dass Muhammad derart auf Augenhöhe mit den Herrschern dieser Welt verkehrte, dass sie ihm Geschenke sandten.
Christliche Herkunft
Offenbar durfte man Geschenke von Christen annehmen. Aber durfte man sie auch verwenden? Geschenkt wurden dem Propheten angeblich unter anderen: Schuhe, ein Siegelring, Sklavinnen, Reittiere, Textilien und ein schicker Pelzmantel. Er benutzte das meiste davon – nur wenn ein Geschenk zu extravagant war oder anderweitig den islamischen Regeln nicht entsprach, kommentierte er es abwertend, reichte es weiter oder ließ es umfunktionieren. Der Pelzmantel mit Brokat beispielsweise wurde weiter an den Negus von Abessinien verschenkt. Gewänder aus Seidenbrokat waren verpönt; sie konnten aber zerrissen und als Kopftuch oder als Unterhemd wieder verwendet werden. Koptische Textilien mit Abbildungen von Lebewesen konnte man zu Sitzkissen verarbeiten – und mit dem Allerwertesten Verachtung für die Abbildungen ausdrücken. Aber ein Paar einfache schwarze Schuhe zog der Prophet an – und zeigte damit nebenbei, dass das rituelle Waschen der Füße auch über die Schuhe erfolgen konnte. Christliche Sklavinnen zu besitzen, war offenbar unproblematisch.
Die Sklavin
Manche modernen Muslime schämen sich rückwirkend der Sklaverei und reden von Mariya, als hätte Muhammad sie geheiratet. Aber fast alle alten Quellen sagen, sie sei eine Sklavin gewesen. Wie hätte man sie und ihre Schwester auch sonst verschenken können? Mariya kommt in den Listen der Prophetengattinen nicht vor – dafür aber in einer Liste von Muhammads Konkubinen. Sie soll nicht bei den anderen Frauen gewohnt haben und sie erhielt nicht später den Titel »Mutter der Gläubigen« wie die richtigen Gattinnen.
Sex mit Sklavinnen
Nach islamischem Recht darf ein Muslim vier Ehefrauen haben, wenn er sie unterhalten kann. Darüber hinaus darf er mit einer unbeschränkten Menge von Sklavinnen (»Nebenfrauen«) sexuellen Umgang haben – wenn er sie bezahlen kann. Auch beim Verkehr mit Sklavinnen sollte Muhammad ein Vorbild abgeben, und hier war Mariya als Beispiel einsetzbar. Die bloße Annahme einer wertvollen Sklavin als Geschenk setzt eigentlich schon Geschlechtsverkehr voraus. Zum Melken, Sammeln von Holz und Putzen waren bestimmt genügend andere vorhanden. Man spürte aber das Bedürfnis, den Geschlechtsverkehr des Propheten mit einer Sklavin zu thematisieren.
Das geschah unter anderem in einer Erzählung zum Koranvers 66:1, die al-Tabari überliefert: » (...) der Prophet hatte Sex mit (Mariya,) der Mutter von Ibrahim in der Wohnung einer seiner Frauen. Dann sagte diese: Was, Prophet! In meiner Wohnung und auf meinem Bett? Darauf erklärte er (Mariya) für sich verboten (haram). Sie sagte: Wie kannst Du für dich verboten erklären, was erlaubt ist? Aber er schwor bei Gott, dass er keinen Sex mehr mit ihr haben würde. Darauf offenbarte Gott: Prophet! Warum erklärst du denn im Bestreben, deine Gattinnen zufriedenzustellen, für verboten, was Gott dir erlaubt hat?«
Wenn die Sklavin ein Kind bekommt
Nach islamischem Recht wird eine umm walad – eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind gebärt – nach dessen Tod frei. Das bezeugt eine Hadith-Überlieferung, in der konkret von Mariya die Rede ist: »(...) von Ibn ‘Abbas: In Gegenwart des Propheten wurde von der Mutter Ibrahims geredet. Dann sagte er: ›Ihr Sohn hat sie in Freiheit gesetzt‹.« In der islamischen Rechtspraxis wird die Sklavin erst beim Ableben ihres Herrn frei; im Hadith hört es sich dagegen so an, als würde die Freilassung noch zu Lebzeiten ihres Herrn wirksam. Das wurde ein Diskussionsthema, das hier aber nicht besprochen werden muss.
Kein Sex mit zwei Schwestern
Mariya und Schirin dienten als Präzedenzfall für die Regel, dass man nicht mit zwei Schwestern in derselben Zeitspanne Sex haben darf. Der Prophet soll die schöne Mariya zur Konkubine genommen haben, während er Schirin an Hassan Ibn Thabit weiter verschenkte: eine normale Vorgehensweise mit unpassenden Geschenken. Wer eine ähnliche Sichtweise hat wie ich, wird es schon bemerkt haben: Die Interessen der Juristen dominieren die Texte, nicht das Historische. Mariya verdankt ihre literarische Existenz und ihren Sklavenstatus der Tatsache, dass sie als Präzedenzfall für verschiedene Scharia-Fragen so brauchbar war. Natürlich kennen andere Menschen genau den Wohnort der Mariya und ihr Todesdatum. Sogar das Original von dem Brief des Propheten an den Muqauqis ist bewahrt geblieben. Alles für diejenigen, die an solche Dingen glauben