Im Islam erfuhren Haustiere ganz unterschiedliche Wertschätzung: Während viele Geschichten von Muhammads angeblicher Katzenliebe berichten, soll er mit einem Hund einmal sogar einen Engel verschreckt haben.
Hatte Muhammad eine Katze? Bestimmt. Er wird wohl eine oder mehrere Katzen besessen haben, denn zu seiner Zeit hatte jeder welche. Katzen waren damals unentbehrlich als Jäger von Ungeziefer und Beschützer der Vorräte. Sie hielten auch Schlangen fern, indem sie ihnen die Beutetiere wegfraßen. Hunde waren in der alten arabischen Welt ebenfalls allgegenwärtig, aber den Menschen nicht immer so nahe. Sie dienten als Jagdhund, als Schäferhund und als Wachhund für Haus, Garten und Acker.
Es gibt einige Texte, Hadith-Überlieferungen und Anekdoten, über Muhammads Haltungen Katzen und Hunden gegenüber, aber mit real existierenden Tieren in seiner Umgebung haben sie nichts zu tun. Als die islamischen Rechtsgelehrten anfingen, sich mit nahezu allen Aspekten des täglichen Lebens zu befassen, sparten sie Hunde und Katzen nicht aus. Weil der Prophet als die höchste Autorität galt, musste er sich auch zu diesen Tieren geäußert haben.
Die Rechtsfragen, die in Bezug auf Tiere aufkommen, sind immer die gleichen: Darf man sie essen? Sind sie kultisch rein? Sind sie verkäuflich? Wie geht man mit ihnen um? Zur ersten Frage: Weder Katzen- noch Hundefleisch darf ein Muslim essen. So wird mit Bezug auf Abu Tha’laba al-Khushani überliefert: »Der Prophet verbot uns den Verzehr von allen Raubtieren mit Reißzähnen.« Geld nehmen für diese Tiere darf man ebenfalls nicht. In puncto Reinheit werden Katze und Hunde unterschiedlich beurteilt – ebenso wie der Umgang mit ihnen. So ist der Speichel von Katzen nicht unrein.
Wenn ein Gläubiger damit in Berührung gekommen ist, muss er sich deswegen nicht rituell waschen, wie etwa aus diesem Hadith ersichtlich ist: »Dawud Ibn Salih erzählte, dass die Herrin seiner Mutter sie mit einer Pastete zu Aischa schickte, als diese gerade beim Beten war. Sie gab ein Zeichen, dass sie es hinstellen sollte. Da kam eine Katze und aß etwas davon, aber als Aischa fertig war, aß sie von derselben Stelle, von der die Katze gegessen hatte. Sie sagte: ›Der Prophet hat gesagt: (Katzen) sind nicht unrein; sie gehen bei euch ein und aus.‹ Und sie fügte hinzu: Ich habe auch gesehen, wie der Prophet die rituelle Waschung verrichtete mit Wasser, das eine Katze übrig gelassen hatte.«
Dagegen ist der Speichel des Hundes unrein; deshalb hat man sich von Hunden fern zu halten. Als Beleg gilt eine Überlieferung des Prophetengefährten Abu Huraira (sein Name lautet übrigens »der mit dem Kätzchen«, angeblich weil er als Kind immer mit einer Katze gespielt haben soll): »Der Prophet sagte: ›Wenn ein Hund aus dem Gefäß von einem unter euch trinkt, sollt ihr es sieben Mal waschen.‹« Das hört sich fast talmudisch an. Ob rein oder unrein, auf jeden Fall soll man die Tiere in ihrer Art respektieren und anständig behandeln.
Das wird ersichtlich aus einem Hadith, laut dem der Prophet erzählt haben soll: »Mir wurde die Hölle gezeigt und dort sah ich eine Frau von den Israeliten, die gefoltert wurde wegen einer Katze, die sie festgebunden und nicht gefüttert hatte und auch nicht ihre eigene Nahrung unter den Feldtieren hatte suchen lassen.« Und wiederum Abu Huraira soll folgende Geschichte Muhammads überliefert haben (die Übersetzung stammt von Adel Theodor Khoury): »Ein Mann war unterwegs und es überfiel ihn ein großer Durst. Er fand einen Brunnen, stieg hinab und trank.
Als er herausstieg, fand er einen Hund mit ausgestreckter Zunge, der aus Durst die feuchte Erde leckte. Der Mann dachte: Dieser Hund erleidet aus Durst das gleiche, was ich selbst erlitten habe. Er stieg in den Brunnen wieder hinab, füllte seinen Schuh mit Wasser und hielt ihn mit dem Mund fest, bis er emporstieg. Dann tränkte er den Hund. Gott dankte es ihm und schenkte ihm Vergebung. – Sie sagten: Prophet, haben wir auch in Bezug auf die Behandlung der Tiere einen Lohn zu erwarten? Er antwortete: Für die Tränkung eines jedes Lebewesens gibt es einen Lohn.« Aber über dieses ethische Minimum hinaus wurden Katzen auch richtig geliebt.
Ob auch Muhammad ein Katzenfreund war, können wir wiederum nicht wissen. Bekannt ist eine obskure, aber rührende Geschichte, die gerne erzählt wird, um Muhammads Liebe für seine Katze Mu‘izza und für Katzen im Allgemeinen zu illustrieren: »Eines Tages wollte der Prophet aufstehen zum Gebet, aber die Katze lag schlafend auf dem Ärmel seines Gewandes. Um das Tier nicht zu wecken, schnitt er den Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand beim Gebet. Als er zurückkam aus der Moschee, dankte Mu’izza ihm, indem sie sich verneigte.«
Diese Anekdote gibt es jedoch auch in ganz anderer Besetzung. Nach dem chinesischen Historiker Ban Gu (32–92 n. Chr.) versuchte der Han-Kaiser Ai Di (regierte 7–1 v. Chr.) einmal aufzustehen, als sein Geliebter auf dem Ärmel seine Gewandes eingeschlafen war. Um ihn nicht zu wecken, schnitt der Kaiser seinen Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand in der Öffentlichkeit. Seine Hofdiener übernahmen darauf diese Tracht, um die Liebesbeziehung zu feiern.
Von der Flöte oder dem Rad kann man sich noch vorstellen, dass sie mehrmals an verschiedenen Orten auf der Welt erfunden wurden. Aber eine solch spezifische Erzählung wird nur einmal erfunden und macht danach eine Reise durch die Kulturen. Wie ist sie in der islamischen Welt gelandet: über Indien, Persien vielleicht? Ich weiß es nicht; wenn Sie, liebe Leser, es wissen, höre ich es gerne von Ihnen.
Haben die alten Muslime denn wegen solcher Texte ihre Hunde nicht geliebt? Ich denke doch
Es gibt noch weitere Hadithe, die die rituelle Reinheit der Katze betonen, aber die Erzählungen zu Muhammads Katzenliebe, die Annemarie Schimmel in ihrem Buch »Die orientalische Katze« zitiert, sind alle sehr spät entstanden. Sie zeigen allerdings, dass Katzenliebe in islamischen Ländern sehr verbreitet war – über alle Jahrhunderte. Auch in Reiseberichten wird sie immer wieder bezeugt. Dagegen sind die Meinungen über Hunde in den Hadithen eher negativ. Wegen ihrer Unreinheit soll man sie nicht zu nahe bei sich haben: »Der Prophet sagte: ›Wer sich einen Hund anschafft außer für die Jagd oder das Vieh, verliert jeden Tag zwei qirat seines (jenseitigen) Lohns.‹« In einer Textvariante wird auch der Wachhund für die Ernte als Ausnahme erlaubt.
Muhammad soll laut einer weiteren Überlieferung auch Hunde haben töten lassen; wahrscheinlich ist gemeint: wenn die vielen herumstreunenden Tiere zu einer Plage wurden. In der Wohnung hat ein Hund nichts verloren, denn Engel betreten kein Haus, in dem sich ein Hund befindet.
Nach einer Tradition soll Muhammad deswegen einmal vergeblich auf den Erzengel Gabriel gewartet haben: »Der Prophet hatte sich an einem bestimmten Augenblick mit Gabriel verabredet, aber der kam nicht. Er ... sagte: Noch nie hat Gott oder einer seiner Botschafter ein Versprechen gebrochen! Dann schaute er um sich und bemerkte einen jungen Hund unter seinem Bett. Er sagte: Aischa, wann ist dieser Hund hier hereingekommen? Sie antwortete: Bei Gott, ich weiß es nicht. Er ließ das Tier entfernen. Darauf erschien Gabriel und der Prophet sagte zu ihm: Wir hatten einen Termin und ich habe gewartet, aber du kamst nicht! Gabriel antwortete: Der Hund in deinem Haus hat mich davon abgehalten, denn wir (Engel) betreten kein Haus, in dem ein Hund oder eine Abbildung ist.«
Auch in der Moschee ist ein Hund unerwünscht, denn er lenkt ab vom Gebet, wie Frauen und Esel. So heißt es jedenfalls in einem Hadith, laut dem Muhammad auch gesagt haben soll: »Ein schwarzer Hund ist ein Satan.« Haben die alten Muslime denn wegen solcher Texte ihre Hunde nicht geliebt? Ich denke doch. Ein Buch des 921 gestorbenen Bagdader Gelehrten Ibn al-Marzuban, »Die Überlegenheit der Hunde über viele, die Kleider tragen«, zeigt viele Beispiele der festen Freundschaft zwischen Herr und Hund. Hier konnte aber der Prophet unmöglich in einer Anekdote als Vorbild herhalten, weil Hunde eben unrein sind. Den Hundebesitzern wird es egal gewesen sein.