Der palästinensische Tycoon Munib Masri über den tot geglaubten Friedensprozess und die Autopsie der Leiche seines Freundes Arafat.
zenith: Herr Masri, im Januar 2013 gehen die Israelis wieder einmal an die Wahlurnen. Benjamin Netanjahu hat gute Chancen, abermals zu gewinnen. War es das dann endgültig mit einem Friedensprozess und der »Zweistaatenlösung«?
Munib Masri: Ich halte Herrn Netanjahu für klug genug, den Friedensprozess wieder aufzunehmen. Er hätte die Kraft. Und wenn er es schafft, den Israelis Frieden zu bringen, wäre er in seinem Land der Größte.
Warum sollten die Israelis den Siedlungsbau stoppen und neue Verhandlungen aufnehmen?
Weil sie inmitten einer arabischen Welt im Umbruch leben. Und nicht auf dem Mars!
Dafür müsste Netanjahu auch mit denjenigen sprechen, die bisher als Hauptproblem gesehen werden: mit der Siedlerbewegung. Würden Sie sich mit deren Vorsitzendem, Dani Dayan, an einen Tisch setzen und verhandeln? Nach dem Prinzip: Ihr dürft diese und jene Siedlung behalten, müsst dafür aber den Rest räumen?
Hätten diese Leute einen Sinn für Frieden, wären sie nicht hier. Sie müssen entweder das Westjordanland verlassen oder Bürger Palästinas werden.
In einem Klima aus Frustration und Nervosität im Nahen Osten soll am 26. November die Leiche von Yassir Arafat exhumiert und auf Spuren einer unnatürlichen Todesursache untersucht werden. Sie waren sein Freund und Vertrauter. Was halten Sie davon?
Ich hoffe, dass die Ärzte das nicht nur als PR-Aktion betrachten. Außerdem glaube ich, dass Arafat von israelischen Agenten ermordet wurde. Ich war ihm damals sehr nahe, sah, wie er innerhalb weniger Tage regelrecht zerfiel. Ich gab ihm damals manchmal seine Medikamente.
Selbst wenn er vergiftet wurde, heißt das nicht, dass Israel dahintersteckt.
Wer sonst sollte es getan haben? Ich hoffe, dass wir durch die Untersuchung sehen, mit wem wir es zu tun haben.
Dennoch wollen Sie jetzt vor der israelischen Wahl wieder eine Friedensinitiative starten. Wie soll die aussehen?
Wir müssen friedlich Widerstand leisten. Wenn wir nicht lästig sind, machen die es sich bequem. Wir sammeln Aktivisten, auch Unternehmer, aus allen Bereichen des Lebens. 20 bis 25 Prozent der Israelis gehören noch dem Friedenslager an, mit denen wollen wir uns zusammentun und die Zweistaatenlösung reanimieren. Sie werden schon bald von uns hören.
Glauben Sie wirklich, dass Sie so viele Partner auf israelischer Seite haben?
Mindestens die Hälfte der Israelis glaubt an die Zweistaatenlösung. Der Gegenwert eines Friedens, den Israel dafür bekäme, ist hoch: 57 islamische Staaten würden ihre Beziehungen zu Israel normalisieren. Der Friedensplan des saudi-arabischen Königs Abdallah ist noch immer auf dem Tisch. Die Alternative ist eine Einstaatenlösung im Sinne einer Apartheid. Das wird den Israelis um die Ohren fliegen. Und ich sage Ihnen: Wenn das passiert, werden die um einen Mandela betteln.
Spricht man heute mit Palästinensern in Ostjerusalem, die ja einen Sonderstatus haben, so haben wir nicht das Gefühl, dass sie sehr erpicht auf eine Zweistaatenlösung sind. Eher den Eindruck, dass sie am liebsten den Status quo erhalten möchten – sofern die Stadtverwaltung sie nicht enteignet oder in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt.
Das stimmt nicht. Ich danke den Palästinensern in Jerusalem für ihre Standhaftigkeit und bin sicher, dass sie unserem Staat angehören wollen – bis auf eine kleine Minderheit, die ihre Seele vielleicht verkauft hat. Jerusalem kann die Hauptstadt zweier Staaten sein.
»Sie werden noch um einen Mandela betteln«
Ein zentraler »Dealbreaker« ist die palästinensische Flüchtlingsfrage. Israel führt an, dass ja auch Juden aus der arabischen Welt vertrieben worden seien.
Ich persönlich denke, die meisten sind aus freien Stücken nach Israel gegangen. Aber wir sollten uns hinsetzen und darüber sprechen.
Im Mai 2011 wurde Ihr Enkel, Munib Masri Junior, von israelischen Soldaten angeschossen. Er nahm an einer Protestaktion zum Gedenken an die Nakba 1948 im Libanon teil und wollte die libanesisch-israelische Grenze stürmen. Wie geht es ihm?
Er ist querschnittsgelähmt und befindet sich zu einer Behandlung in den USA. Wir versuchen, die Täter vor Gericht zu bringen. Aber Israels Armee sieht sich über jedes Recht und Gesetz erhaben. Munib ist 22, aber er sagt mir, er bereue es nicht und würde auch im Rollstuhl gegen die Besatzung protestieren.
Munib Masri,78, ist Mitglied des Palästinensischen Nationalrats und vermittelte im vergangenen Jahr unter anderem die Aussöhnung zwischen der Fatah und der Hamas. Der 1934 geborene Unternehmer gilt als enger Weggefährte Yassir Arafats; das Vermögen des studierten Geologen wird auf rund 1,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.