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Dar Al-Arkan in Bahrain

Das verschwundene Einhorn

Feature

Die Veröffentlichung interner Dokumente des börsennotierten Immobilienentwicklers Dar Al-Arkan hat einen veritablen saudisch-bahrainischen Anleiheskandal ans Licht gebracht. Die Aufsichtsbehörden kehren die Vorgänge unter den Teppich.

Die Aufregung war groß in den Finanzkreisen der Golfregion. Tagelang gab es in den Banken in Dubai, Manama und Riyadh kaum ein anderes Gesprächsthema. Ein Unbekannter hatte im März zahlreiche angeblich interne Dokumente der bahrainischen Investmentbank Unicorn sowie des größten börsennotierten Immobilienunternehmens der Region, Dar Al-Arkan, im Internet veröffentlicht.

 

Beide Firmen gehören zum Teil ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem saudischen Milliardär Youssef Al-Shelash. Angesichts der Vielzahl der Dokumente und der Fülle der Details konnte der Urheber der Veröffentlichung nur ein Insider sein. Der Kern der Vorwürfe: Weil Dar Al-Arkan Anfang 2010 – kurz nach der Schuldenkrise Dubais – eine Anleihe nicht am Markt platzieren konnte, habe ein von Al-Shelash kontrolliertes Firmengeflecht den Großteil des Papiers, für das Unicorn als Konsortialführer mandatiert war, selbst gezeichnet.

 

Nur deshalb konnte Dar Al-Arkan eine im April 2010 fällige ältere Anleihe zurückzahlen. Weil der Markt glaubte, die neue Anleihe sei erfolgreich platziert worden, konnten die von Al-Shelash kontrollierten Firmen die Anteile nach und nach auf dem Sekundärmarkt an Investoren verkaufen. Zudem soll Al-Shelash das gleiche Firmengeflecht genutzt haben, um Geldtransfers von Unicorn an Dar Al-Arkan in Summen von meist sechs Millionen Dollar zu stückeln, so dass die jeweiligen Forderungen an das Immobilienunternehmen unter den Obergrenzen der bahrainischen Zentralbank blieben.

 

Zwei ehemalige Manager der Firmengruppe bestätigten zenith die die Echtheit der ihnen bekannten Dokumente und Transaktionen. »Der bahrainischen Zentralbank war unwohl wegen des Ausmaßes, in dem Unicorn von Dar Al-Arkan abhängig war. Letztlich wies sie Unicorn mündlich und schriftlich an, sich nicht noch weiteren Forderungen gegenüber Dar Al-Arkan auszusetzen«, sagt einer Manager, die nicht namentlich genannt werden wollen.

 

»Das führte dazu, dass sie immer kreativere und undurchsichtigere Methoden fanden, diese klaren Anweisungen zu umgehen.« Die beiden ehemaligen Insider gehen ebenso wie andere Banker am Golf davon aus, dass die Dokumente vom ehemaligen Unicorn-Vorstandsvorsitzenden Majid Bader Al-Refai veröffentlicht wurden. Der hatte die Bank im Sommer 2010 im Streit mit Al-Shelash verlassen. Während Al-Refai Unicorn zu einer internationalen Investmentbank aufbauen wollte, soll Al-Shelash die Bank vor allem als Finanzierungsvehikel für Dar Al-Arkan gesehen haben.

 

3,7 Milliarden Dollar muss Dar Al-Arkan aufbringen, um eine weitere Anleihe abzulösen

 

Anschließend lieferten sich beide eine Schlammschlacht samt Gerichtsverfahren in Bahrain. Unicorn wirft Al-Refai vor, während seiner Zeit bei der Bank nicht weniger als 58 Straftaten begangen zu haben. Mit der Veröffentlichung der Dokumente, so die Vermutung, wolle er auch Al-Shelash in einen Rechtsstreit hineinziehen. Dies liegt nahe, weil Al-Refai, der als Vorstandsvorsitzender von allen Transaktionen gewusst haben muss, auf der Webseite kaum erwähnt wird.

 

Der Ex-Bankchef war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen; sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Dar Al-Arkan streitet alle Vorwürfe ab. Angesichts der Schwere der Vorwürfe und der detaillierten Dokumentation rechnete die Finanzbranche mit einem Einschreiten der Behörden in Riad und Manama. »Wir haben wohl alle erwartet, dass die Aufsichtsbehörden sich zu Wort melden und etwas zu der Sache sagen, aber überraschenderweise gab es keine Klarstellung«, sagt Jithesh Gopi, Chefanalyst der bahrainischen Investmentbank Securities and Investment Company.

 

Bahrain ist als Finanzplatz schwer angeschlagen und kehrt seit der weltweiten Finanzkrise, die Ungereimtheiten und schwere Verluste in den Investmenthäusern zu Tage brachte, alle schlechten Nachrichten unter den Teppich.

 

Auch Saudi-Arabien wartet bei Skandalen üblicherweise, bis sich die Wellen legen – so geschehen 2009 und 2010, als der Mischkonzern der wohlhabenden Al-Gosaibi-Familie in der Folge der Finanzkrise im Streit mit dem Milliardär Maan Al-Sanea zusammenbrach. Internationale Banken suchten vergeblich nach den Milliarden, die sie als Kredite an die Gruppe vergeben hatten.

 

Ausländische Politiker, die in Riad für französische und britische Banken vorsprachen, blitzten ab. Damals sagten Banker und Beobachter das Ende saudischer Geschäftsfamilien voraus, sofern sie nicht endlich für Transparenz in ihren unübersichtlichen Firmengeflechten sorgten.

 

Diese wurden meist in den 1960er oder 1970er Jahren gegründet, oft als kleine Bau- oder Importfirmen, die in den Folgejahren mit dem Wachstum der saudischen Ölwirtschaft expandierten. Nach und nach dehnten sie sich in weitere Branchen wie Immobilien, Telekommunikation und Finanzen aus, viele erhielten auch eine Banklizenz im benachbarten Bahrain.

 

Doch der Fall Dar Al-Arkan zeigt erneut die Belastbarkeit des engen Patronage-Geflechts zwischen Geschäftswelt und Politik in Saudi-Arabien. Seit der Affäre um die Al-Gosaibis und Al-Sanea sind die saudischen Familienfirmen vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten.

 

Doch die hohen Ölpreise, das starke Wirtschaftswachstum und die einheimische Liquidität machen sie unabhängig von internationalen Finanzierungsquellen, wie Analyst Gopi glaubt: »Zuletzt hat es sehr viele Anleihen für den einheimischen Markt gegeben, sie können also ihre einheimischen Investoren sehr viel besser überzeugen als internationale Investoren.«

 

Kratzer am Ruf können dank des starken Wirtschaftswachstums übertüncht werden

 

Auch die saudischen Banken, die teils ohnehin von den großen Geschäftsfamilien kontrolliert werden, können die wichtigsten Firmen der Privatwirtschaft nicht ignorieren: Die meisten davon sind in den Händen weniger Familien konzentriert. Youssef Al-Shelash, der seine Firmengruppe wie andere Milliardäre aus unscheinbaren Anfängen aufbaute, wird den Skandal um Dar Al-Arkan wohl überstehen.

 

Im Juli muss das Unternehmen eine weitere Anleihe in Höhe von 3,7 Milliarden saudischen Rial (knapp einer Milliarde Dollar) ablösen. Die meisten Analysten gehen davon aus, dass sie das Geld aus eigenen Barbeständen und Erlösen aus Landverkäufen zusammenkratzen wird. Saudi-Arabien boomt, Kratzer am Ruf und Löcher in der Corporate Governance können dank des starken Wirtschaftswachstums immer wieder überkleistert werden.

 

Denn bei aller Vorsicht vor undurchsichtigen Händlerfamilien: Investoren wollen unbedingt am Boom teilhaben, der von massiven staatlichen Ausgabeprogrammen befeuert wird. Und Saudi-Arabien ist das einzige Land der Golfregion, in dem eine stark wachsende einheimische Bevölkerung stetig reale Produkte wie Wohnungen, Autos und Fernseher nachfragt.

 

In Bahrain dagegen hat der Fall Unicorn der Finanzbranche, die ein Viertel der Wirtschaft ausmacht, weiteren irreparablen Schaden zugefügt. Das Institut hat sich in Bank Alkhair umbenannt, doch nachdem es viele Mitarbeiter verloren hat, macht es wie die meisten Investmentbanken des Landes kaum noch Geschäfte. Arcapita, das Flaggschiff der Branche, musste im März in den USA Insolvenz beantragen, weil sie einen Kredit in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar nicht begleichen konnte. Auch sie ist vom ehemaligen Unicorn-Chef Al-Refai gegründet worden.

Von: 
Frederik Richter

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