Großväterlich, staatsmännisch, zeitlich begrenzt: Der 88-jährige Wahlsieger Essebsi ist der kleinste gemeinsame Nenner des Anti-Ennahda-Bündnisses. Kritik erntet Tunesiens Präsident wegen des Umgangs mit Pressefreiheit und Aufarbeitung.
Johanne Kübler
Trotz der demokratischen Fortschritte will sich vor den Parlamentswahlen keine Begeisterung in Tunesien einstellen. Knapp vier Jahre nach der Revolution hinken die Erwartungen an den sozialen Wandel den ökonomischen Realitäten hinterher.
Die politische Landschaft Tunesiens richtet sich mittlerweile beinahe ausschließlich am islamisch-säkularen Gegensatz aus. Die wirklichen Probleme des Landes gehen dabei unter.
Nach vielen Rückschlägen wird Tunesien für Geduld und Kompromissbereitschaft belohnt. Denn die neue Verfassung ist auch das Produkt einer neuen, postdiktatorischen politischen Kultur, die sich erst einmal finden musste.

Tunesiens Parteien raufen sich für ein ehrgeiziges Ziel zusammen: Zum 3. Jahrestag der Revolution soll endlich die neue Verfassung stehen. Doch reichen zwei Wochen, um tief sitzendes Misstrauen zu überwinden und einen Konsens zu erreichen?

Wirtschaftlicher Stillstand, unaufgeklärte Morde und Repressalien gegen Journalisten: Tunesiens Regierungspartei wird von immer mehr Bürgern für die schlechte Lage verantwortlich gemacht – und muss sich nun auf die Opposition zubewegen.

Nach dem Mord am Oppositionellen Mohamed Brahmi droht die gesellschaftliche Spaltung den Übergang in Tunesien gefährden. Drei Gruppen stehen sich im Machtkampf gegenüber – und die Situation ist nur bedingt mit Ägypten vergleichbar.

Kurz nach dem Weltsozialforum in Tunis steht der Verkehr rund um die Avenue Bourguiba wieder still. Tunesien gedachte am 9. April seinen Märtyrern aus Kolonialzeit und Revolution, kann sich aber nicht auf ein gemeinsames Gedenken einigen.