Muhammad Labib Al-Ikhwan hat es in Syrien zu Einfluss und Erfolg gebracht. Das wiederum könnte ihm gefährlich werden.
Zehn Jahre nach Beginn des Krieges in Syrien stützt sich das Assad-Regime immer öfter auf so loyale wie zwielichtige Lokalunternehmer. Viele dieser Emporkömmlinge nutzen die Versorgungsengpässe im Land, um sich zu bereichern – auf Kosten der Bevölkerung.
Einer von ihnen ist Muhammad Labib Al-Ikhwan. Der Spross einer Unternehmerfamilie aus Homs, die in den 1970er Jahren zu bescheidenem Wohlstand gekommen war, erwarb 1987 einen Abschluss in Betriebswirtschaft an der Arabischen Universität Beirut und knüpfte lange vor Beginn des Syrien-Konflikts Kontakte in die Politik. Seine Eintrittskarte hieß Muhammad Ghazal, seines Zeichens Gouverneur von Homs – und enger Vertrauter Baschar Al-Assads.
Labib gründete zusammen mit dem Gouverneur und zwei weiteren regimenahen Geschäftsleuten, Mohammad Murtada Al-Dandashi und Issam Anbouba, das Immobilienunternehmen Gardienia. Seine Nähe zu Ghazal brachte ihm schließlich den Vorsitz der Industriekammer von Homs ein.
In dieser Funktion erwies sich Al-Ikhwan dem Regime in einem der kritischsten Momente als nützlich: Denn seine Heimatstadt Homs gehörte zu den frühen Zentren des Aufstands gegen Assad. Al-Ikhwan setzte 2012 die Industrie in Homs unter Druck, sich nicht an dem Aufstand zu beteiligen – und stattdessen ihre Produktion aus der Stadt auszulagern, die damals von Regimetruppen belagert und unter Beschuss genommen wurde. Den Unternehmern blieb kaum eine Wahl – die meisten siedelten in die Industriestadt Hisya über, etwa 40 Kilometer südlich von Homs.
Wer nach seinen Partnern sucht, stößt auf Bekannte. Al-Ikhwan verwaltet Geld von Leuten, die im Hintergrund bleiben wollen
Al-Ikhwan bestand seine Bewährungsprobe also und erweiterte in der Folge sein Portfolio weit über Homs hinaus. Heute ist der 57-Jährige Vorsitzender mehrerer Unternehmen. Doch wie die meisten Geschäftsleute, die in Syrien geblieben sind, zahlt Al-Ikhwan dafür einen Preis: Mit dem Krieg sind auch das Militär und regimetreue Milizen mehr denn je Teil des Geflechts aus Wirtschaft und Politik.
Al-Ikhwan muss die Kosten für die Verteidigungsausgaben für die Areale tragen, in denen seine Firmen operieren. Zudem erhalten die Hinterbliebenen von Kämpfern der dafür zuständigen Milizen finanzielle Zuwendungen – die Al-Ikhwan über die Armeeführung vor Ort abwickeln lässt.
Neben seinen eigenen Firmen hält Al-Ikhwan zahlreiche Beteiligungen, unter anderem an der Cham Holding, der Unternehmensgruppe von Ramy Makhlouf, dem Cousin des Präsidenten, der sich unlängst recht öffentlich mit dem Assad-Regime verstritt. Womöglich steht Al- Ikhwan schon bereit, sollte Makhlouf vollends in Ungnade fallen und sein Vermögen aufgeteilt werden.
Dass Geschäftsleute wie Al-Ikhwan aufrücken und Lücken füllen, liegt auch daran, dass die Liste der dem syrischen Regime nahestehenden Geschäftsleute länger wird. Das verhilft vormals eher lokal bedeutenden Geschäftsleuten wie Al-Ikhwan zu neuen Privilegien und politischem Einfluss. So war der Unternehmer 2019 Mitglied einer Delegation, die in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) reiste, um dort die gegen das syrische Regime verhängten Sanktionen zu umgehen.
Unterdessen sollen die regimetreuen Unternehmer Syriens Industrieproduktion wieder hochfahren – und dürfen dabei auf Kosten der Bevölkerung Gewinne abschöpfen. Denn gerade die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gerät in den vom Regime kontrollierten Gebieten seit Anfang des Jahres ins Stocken.
Bereits 2018 hatten die Arbeiten für Ikhwans Zuckerraffinerie bei Homs begonnen. Dass sie nun nach Verknappung und Preissteigerung ab April 2021 den Betrieb aufnehmen soll, garantiert Al-Ikhwan satte Gewinne, argwöhnen viele Syrerinnen und Syrer, die mittlerweile täglich stundenlang für Verbrauchsgüter Schlange stehen.
Eine größere Gefahr als der Unmut der Bevölkerung ist für Al-Ikhwan aber seine wachsende Bekanntheit. Schließlich steigt so auch das Risiko, selbst auf den Sanktionslisten zu landen. Zwar ist das Regime auf durchsetzungsstarke Handlanger angewiesen, zugleich erfüllen die Sanktionen aber mitunter durchaus den Zweck, überambitionierte Oligarchen in die Schranken zu weisen.
Für Aufbau und Betrieb der Zuckerraffinerie hat sich Al-Ikhwan mit einem Geschäftspartner zusammengetan, der einen ähnlichen Balanceakt wagt: Immobilien-Tycoon Samer Foz (den zenith in der Ausgabe 2/18 porträtierte) steht seit zwei Jahren auf den Sanktionslisten der EU und der USA.