Illegale Abholzung dezimiert den Waldbestand im Sudan dramatisch – und zeitigt womöglich die Wiederauflage des Darfur-Konflikts.
Issa Ali sitzt auf einer Anhöhe und überblickt sein Land. »Die Böden in dieser Region brachten einmal üppige Erträge hervor.« Nun sorgt sich der 50-jährige sudanesische Bauer, ob die diesjährige Ernte wieder so niedrig ausfällt wie in den letzten zehn Jahren.
Issa Ali baut Bohnen und Getreide in Umm Zaifa in Süd-Darfur an. Wie Millionen andere Menschen im Westsudan lebt auch er von Landwirtschaft und Viehzucht. Das muss reichen, um seine dreizehnköpfige Familie zu ernähren. »Aus einem Hektar Land bekam ich früher etwa 30 bis 40 Säcke Bohnen raus, aber in letzter Zeit ist der Ertrag auf etwa 12 bis 15 Säcke zurückgegangen«, berichtet er. »Auch die Hirseernte ist dieses Jahr von 10-20 auf 5-10 Säcke gesunken.«
Die Degradierung fruchtbarer Böden trifft Bauern wie Issa Ali im gesamten Land. Nach Angaben des Obersten Rates für Naturressourcen sind in den letzten zehn Jahren zwölf Prozent des Ackerlandes verödet. Der Grund: Wüstenbildung durch übermäßige Abholzung. »Darfur gehört definitiv zu den am stärksten betroffenen Regionen«, sagt Mona Abdelhafeez. Sie leitet innerhalb der Behörde die Abteilung für Wüstenbildung und warnt vor den Gefahren für alle Nutzflächen. »Die Bodendegradierung greift auf Äcker, Viehweiden und Wälder über.«
Die Auswirkungen des schwindenden Waldes auf die Landwirtschaft rufen immer öfter Widerstand hervor
Nach Angaben der Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ist der Anteil bewaldeter Fläche im Sudan allein in den letzten zwanzig Jahren um die Hälfte geschrumpft. »Im äußersten Süden Darfurs wurden ganze Wälder vollständig abgeholzt«, bestätigt Abdelhafeez den Befund. »Wir beobachten, dass die Abholzung dieser Wälder zur Degradierung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Darfur beigetragen und zu klimatischen Veränderungen geführt hat.« Abdelhafeez schließt mit dem Hinweis, dass die Regierungsbehörden mit einer Nahrungsmittelknappheit in Darfur rechnen, insbesondere im Norden der Region, wo die Ernten aufgrund ausbleibender Niederschläge zunehmend mickrig ausfallen.
Abholzung ist in Darfur ein weit verbreitetes Phänomen – nicht zuletzt als Folge von Jahrzehnten des Krieges. In Ermangelung von Alternativen dient Holz als Heiz- und Energiequelle und liefert darüber hinaus Einnahmen aus dem Verkauf. Zwar verfügt der Sudan über Gesetze, die der Abholzung enge Grenzen setzen, aber die werden von den Behörden vor Ort kaum umgesetzt. Im Ergebnis verliert Darfur jedes Jahr Millionen von Bäumen.
Die Auswirkungen des schwindenden Waldes auf die Landwirtschaft rufen immer öfter Widerstand hervor. Im März 2021 organisierten Einwohner von Umm Zaifa im Bezirk Edd Al-Fursan eine 45-tägige Sitzblockade. Sie forderten von den Behörden, der illegalen Abholzung Einhalt zu gebieten. Auf besonderen Unmut stößt bei den Aktivisten, dass sich unter den Holzfällern viele Angehörige des Militärs befinden. Die Bereicherung regimenaher Milizen und Soldaten gehört zu den Hauptkritikpunkten der sudanesischen Zivilgesellschaft.
»Sie müssen die Menschen auch dabei unterstützen, Alternativen zum Kahlschlag zu finden«
Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds leben etwa 47 Prozent der sudanesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. In Darfur liegt die Zahl sogar bei 61 Prozent. Darfur ist nach der Hauptstadt Khartum und Gezira der am drittdichtesten besiedelte Bundesstaat des Sudan. Wie auch in anderen Landesteilen brach sich der Unmut über die sich verschlechternden Lebensverhältnisse und die Sonderrechte des Militärs auch in Darfur Bahn. Seit November 2021 gehen die Menschen auf die Straße, um gegen die Aufkündigung des Machtteilungsabkommen durch den Armeechef Abdul-Fattah Burhan zu demonstrieren.
Ibrahim Zakaria gehörte zu den Initiatoren des Sitzstreiks in Umm Zaifa. Er berichtet, dass in seiner Gemeinde in den letzten Jahren etwa sechs Millionen Bäume gefällt wurden. Das habe ihn zum Handeln veranlasst. »Experten bestätigen uns, dass der Rückgang der Niederschläge in der Region, die Verschlechterung der Bodenqualität und der Anstieg der Temperaturen direkt mit der Abholzung zusammenhängen«, sagt er. Der Umweltaktivist sieht die Behörden nicht nur in der Pflicht, geltendes Recht durchzusetzen: »Sie müssen die Menschen auch dabei unterstützen, Alternativen zum Kahlschlag zu finden.«
»Die Niederschläge in Süd-Darfur fallen für gewöhnlich in den Zeitraum von Anfang Juli bis Ende September. Aber letztes Jahr begann die Regenzeit im August und endete Mitte September«, erklärt Ahmed Al-Sharif. Der Klimaexperte aus dem sudanesischen Landwirtschaftsministerium beobachtet nicht nur einen Rückgang der Niederschläge, sondern auch eine Verschiebung der Jahreszeiten. »Aufgrund des Klimawandels kam der Herbst in diesem Jahr spät und endete früh – das wird die diesjährige Ernte stark beeinträchtigen.«
Süd-Darfur umfasst etwa 24 Millionen Hektar, drei Viertel davon sind Ackerland. Allerdings werden nur etwa acht Millionen Hektar tatsächlich bestellt. Ein Beamter in Süd-Darfur, der anonym bleiben möchte, sagt auf Nachfrage, dass der Staat 2021 die Bewirtschaftung von mehr als zehn Millionen Hektar angestrebt, dieses Ziel aber wegen des ausbleibender Niederschläge und der Degradierung landwirtschaftlicher Nutzfläche verpasst habe.
Im Sudan hängen 93 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche vom Regen ab
Im Sudan hängen 93 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche vom Regen ab, so auch in Darfur. Außerdem belegen die Klimadaten der sieben meteorologischen Stationen im Land, dass, mit Ausnahme von Khartum und Kadugli, sowohl Tageshöchst- als auch Tagestiefsttemperaturen steigen.
»Die Probleme lassen sich im beträchtlichen Maße auf die klimatischen Veränderungen zurückführen – der Kern des Konflikts in Darfur lag ja im Streit um Ressourcen«, führt Ismail El Gizouli aus. Für den ehemaligen Leiter des Internationalen Fachausschusses für den Klimawandel der Vereinten Nationen ist die Umweltkrise nicht zu trennen von wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Problemen. »Der Konflikt in Darfur eskalierte, als die Ressourcen zur Neige gingen.«
Die Region war Schauplatz eines Krieges, der mehr als 20 Jahre dauerte, 300.000 Todesopfer forderte und mehr als zwei Millionen Menschen in die Flucht zwang. Zwar hat die Übergangsregierung ihre Bereitschaft erklärt, Ex-Präsident Omar Al-Baschir dem Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, wo er sich gegen den Vorwurfs des Völkermords in Darfur verantworten muss. Doch einige der Ursachen, die den Konflikt Anfang der 2000er Jahre auslösten, gewinnen nun erneut an Brisanz.
Seit Herbst 2021 häufen sich die Berichte über Konflikte zwischen Bauern und Hirten um Ackerland. Einer Quelle aus Sicherheitskreisen zufolge verlieren in Darfur jährlich mehr als 250 Menschen aufgrund direkter Auseinandersetzungen um Böden ihr Leben. Angesichts des Rückgangs des Anteils an Ackerland, so die Quelle, rechnen die Behörden mit einem deutlichen Anstieg der Gewalt in der Region.
Ezaldeen Arbab arbeitet als freiberuflicher Journalist in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.