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Von Saudi-Arabien angeführte Militäroffensive »Goldener Sieg« in Hudeidah, Jemen

»Wie Al-Qaeda, nur mit weniger Social Media«

Analyse
Presseschau

Am 13. Juni startete die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz die Offensive »Goldener Sieg« zur Eroberung der jemenitischen Hafenstadt Hudeidah. Die Stadt steht seit 2014 unter Kontrolle der Iran-nahen Huthi-Rebellen. Eine Presseschau.

Hudeidah gilt als Lebensader Jemens und ist neben Sana’a die letzte Hochburg der Huthi-Rebellen. 70 Prozent der internationalen Hilfsgüter werden über den Hafen der Küstenstadt geliefert, auf die rund zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung angewiesen sind. Am 16. Juni erreichte der UN-Sondergesandte Martin Griffiths die Huthi-kontrollierte Hauptstadt Sana’a. Es wird erwartet, dass Griffiths sich für eine UN-Verwaltung der Stadt aussprechen wird, um die Kämpfe um Hudeidah zu beenden. Vor Beginn der Offensive hatten das Internationale Rote Kreuz und die Vereinten Nationen ihre Helfer aus der Stadt am Roten Meer abgezogen. Berichten zufolge verließen rund 4 500 Familien ihre Häuser. Der Krieg im Jemen forderte seit 2015 bereits mehr als 10 000 Menschenleben, Millionen Jemeniten wurden zu Binnenvertriebenen.

 

Al-Tagheer
Für die 2004 gegründete jemenitische Nachrichtenseite liegt die Verantwortung für die Kampfhandlungen eindeutig bei den Huthis und Iran. Die Webseite zitiert den jemenitischen Politikanalysten Abdu Bahsh, der in den jetzigen Kampfhandlungen die finale Schlacht sieht; bereits letztes Jahr, so Bahsh, hätte die jemenitische Exilregierung mithilfe der saudischen Koalition einen Angriffsplan verfasst, ihn aber aufgrund von internationalen Verhandlungen über die Zukunft der Stadt nicht weiter verfolgt. Zu einer gewaltfreien Lösung sei es wegen der Ignoranz Irans und der Huthis nicht gekommen. Die »verbrecherische Bande« der Huthis würde die Sprache der Diplomatie nicht verstehen, und müsse so durch Gewalt zu Zugeständnissen gezwungen werden, so Bahsh. Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit stünde dann nichts mehr im Weg.
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Al-Arabiya
Abdulrahman Al-Rashed bestaunt für Al-Arabiya – einem regimetreuen Nachrichtensender im Besitz saudischer Investoren und mit Hauptsitz in den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) – die Erfolge der Militärallianz trotz ausbleibender Waffenlieferungen seitens der verbündeten USA. Washington hatte zuvor beschlossen, Minenscanner sowie Überwachungs- und Luftaufnahmetechnik nicht mehr zu liefern. Die USA werden sich nach der Befreiung Hudeidahs somit nicht mehr mit fremden Lorbeeren schmücken können, kommentiert Al-Rashed.

Der Analyst ist sich sicher, dass die Niederlage der Huthis nur eine Frage der Zeit sei. Allerdings befürchtet er, die Militärallianz – zu deren Verbündeten auch die VAE zählen – werde im Falle eines Sieges internationale Unterstützung verlieren; zu groß sei die Propaganda von Gruppen, die die Siege der Militärallianz verhindern wollen. Dabei ließe die Militärallianz doch keinen Raum für Kritik, glaubt Al-Rashed, da sie auf Anraten der UN ihren Angriff sogar um zwei Tage verschoben habe und so Huthi-Kämpfern Zeit für einen Abzug gewährte. Durch ihre Bereitschaft, zahlreiche Kämpfer und Zivilisten zu opfern, bilanziert Al-Rashed, würden sich die Huthi-Rebellen nicht von anderen Terrororganisationen unterscheiden, wie zum Beispiel Al-Qaeda – »außer, dass sie ihre Verbrechen nicht im Fernsehen und auf Social Media verbreiten.«
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Al-Jazeera
Hussain Al-Bukhaiti meldet sich in Al-Jazeeras »Inside Story« aus der Huthi-kontrollierten Hauptstadt Sana’a zu Wort. Für ihn bedeutet der Verlust Hudeidahs zwar einen Imageschaden für die Huthis, allerdings sieht er die Macht der Iran-nahen Rebellen im Land nicht ernsthaft gefährdet; lange genug haben diese den Angriffen der Militärallianz getrotzt. Die ausbleibenden Waffenlieferungen seitens der USA hält er für eine Farce. Die USA gäben vor, unschuldig und unparteiisch zu sein und versuchen nun, ihr wahres Engagement im Krieg zu verheimlichen.

Auch die UN seien befangen, glaubt Al-Bukhaiti. Indem sie vom jemenitischen »Bürgerkrieg« sprechen, verkennen sie die unilaterale Aggression Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten. Stattdessen müssten die Kriegsparteien klar benannt und an den Verhandlungstisch gebracht werden. Den Vorschlag, Hudeidah unter internationale Kontrolle zu stellen, lehnt Bukhaiti strikt ab; Srebrenica in Bosnien-Herzegowina und Shatila in Libanon hätten gezeigt, dass man den UN nicht vertrauen dürfe. Außerdem sei der Vorwurf haltlos, Iran beliefere die Huthis im Jemen mit Waffen. Es wäre »bereits schwer, Medizin in das Land zu bringen. Wie soll es Iran gelingen, großkalibrige Geschosse zu schmuggeln?« Bukhaiti könne die Kritik an Iran nicht nachvollziehen, während doch andere Staaten offenkundig die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz mit Waffen beliefern.

Katar, von wo aus Al-Jazeera sendet, war bis Mitte 2017 selbst Partner der saudisch-geführten Militärallianz.
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TehranTimes
Wenig überraschend spricht Eric Zuesse in der konservativen iranischen Tageszeitung TehranTimes vom »US-amerikanischen Genozid im Yemen«, der mit einem »großflächigen Abschlachten« einhergehe. Die saudisch-geführte Militärallianz werde den Hafen Hudeidahs zerstören und somit rund sieben Millionen Jemeniten von der Nahrungsversorgung abschneiden. Außerdem sei sie bestrebt, eine von Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten kontrollierte Regierung im Jemen zu errichten. Am verwerflichsten seien jedoch die USA: Diese plane, die Verantwortung für die bevorstehende humanitäre Katastrophe in Hudeidah auf ihre arabischen Partner abzuwälzen, während sie durch Waffenlieferungen an die saudische Militärallianz profitiert. Barack Obama erhielt den Friedensnobelpreis und durfte ihn auch nach der Bombardierung Libyens behalten; Trump habe also guten Grund, optimistisch zu sein.
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Yemen Shabab
Fernab der gegenseitigen Schuldzuweisungen prangert Salah M. Ismail auf dem Nachrichtenportal Yemen Shabab die Symptombekämpfung der internationalen Gemeinschaft im Jemenkrieg an. Zwar sei es dem Druck internationaler Organisationen zu verdanken, dass bisherige Blockaden der saudischen Militärallianz nicht lange aufrechterhalten wurden. Allerdings entwickelte sich die humanitäre Krise im Jemen zu einem lukrativen Markt für internationale Hilfsorganisationen. Diese seien stärker an der Fortsetzung ihrer Arbeit – und damit auch des Krieges – interessiert, als das Leid von Millionen Jemeniten tatsächlich zu bekämpfen. Ismail ruft die internationale Gemeinschaft auf, sich nicht nur für eine Aufrechterhaltung der Hilfsleistungen einzusetzen, sondern die Rückkehr an den Verhandlungstisch und die Herstellung eines unabhängigen, stabilen jemenitischen Staates zu forcieren.
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Von: 
zenith-Redaktion

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