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Arabische Medien zur Auslandsreise von MBS

»Riad bleibt Antworten schuldig«

Analyse
Presseschau

In der Heimat sieht man MBS voll auf Kurs – andere arabische Medien sehen Anzeichen dafür, dass der Fall Khashoggi die politischen Ambitionen des Königreiches dauerhaft kompromittieren könnte. Und in Algerien sorgt man sich um den Ölpreis.

Der Druck auf Muhammad Bin Salman (MBS) steigt. Immer mehr Details im Fall des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi kommen ans Tageslicht. Der bedrängte Thronfolger suchte in der vergangenen Woche die Flucht nach vorn – mit gemischtem Erfolg. Ebenso unterschiedlich bewertet die arabische Presse die Stippvisiten in mehreren arabischen Staaten sowie dem G20-Gipfel in Buenos Aires.

 

Al-Quds Al-Arabi
Kommentator Tawfiq Rabahi fällt vor allem die Auswahl der Gastgeber ins Auge, bei denen MBS Anfang Dezember Station machte. »Wenn dieser Mann nicht so im Bedrängnis wäre – und zwar im Innern wie im Ausland – würden diese Länder sicher eher weiter hinten auf der Liste der Kandidaten stehen, mit denen er neue Deals einfädeln möchte.« Tunesien, Algerien, vor allem aber Mauretanien stechen aus Sicht des Kolumnisten der in London ansässigen panarabische Zeitung Al-Quds Al-Arabi nicht gerade als hochwertige Partner heraus, um dem Kronprinz öffentlich den Rücken zu stärken. »Wenn MBS der Welt zeigen wollte, dass seine hochambitionierten Megaprojekte nicht von der aktuellen Krise betroffen sind, ist es schwer nachzuvollziehen, warum er sich für eben jene und nicht für andere Reiseziele entschieden hat.«

 

Das heiße nicht, dass er in jenen Ländern keine politischen Ziele verfolge. Im selben Artikel geht Rabahi denn auch auf den besonders umstrittenen Besuch in Tunis ein, den Proteste aus der tunesischen Aktivistenszene begleitet hatten. »Saudi-Arabien will dafür sorgen, dass Tunesien die Entscheidung für einen friedlichen politischen Wandel teuer zu stehen kommt. Seit 2011 investieren Saudi-Arabien und die VAE Unmengen an Geld, um das postrevolutionäre tunesische Experiment zu untergraben«, so Rabahi.

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Al-Arabi Al-Jadeed
Das Zusammentreffen mit Abdulaziz Bouteflika war in der vergangenen Woche kurzfristig abgesagt worden – offiziell ließ sich der algerische Präsident wegen einer Grippe entschuldigen. Nun muss MBS in Algiers keine Lektionen in punkto Demokratie und Menschenrechte erwarten, auf uneingeschränkte Unterstützung könne er aber ebenso wenig zählen, warnt der algerische Publizist Hassan Zahar in seinem Kommentar für die in London ansässige Zeitung Al-Arabi Al-Jadid. Insbesondere die Umformung des Ölmarkts bereitet der algerischen Führung Kopfzerbrechen. Denn auch ohne die immer lauter werdenden Gerüchte um eine Auflösung der OPEC trifft Saudi-Arabien mit seiner Preispolitik auch vermeintliche Verbündete.

 

»Riad bleibt Antworten schuldig, denn die Steigerung der Ölproduktion und der fall des Ölpreises wirken sich direkt auf den algerischen Haushalt aus.« Zahar warnt davor, die Preisentwicklung als marktübliche Schwankung abzutun, schließlich handele es sich um ein »zentrales Element für die Stabilität Algeriens«. Ein möglicher Preissturz um 30 US-Dollar pro Fass käme einem »schweren Schlag« für alle politischen Entscheidungen in Algerien gleich. Bereits jetzt müsse die Regierung sich darauf einstellen, wie die öffentliche Meinung auf Versorgungsengpässe als Resultat der kommenden Haushaltskrise reagieren wird.

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Der Chefredakteur desselben Blattes richtet den Blick auf den zweiten Teil des Reiseprogramms jenseits des Atlantiks. Dass der saudische Thronfolger trotz der Enthüllungen in der Causa Khashoggi zum G20-Gipfel eingeladen wurde, könnte bei MBS und seinem Umfeld zur Fehleinschätzung führen, dass »die Sache ausgestanden und der Fall abgeschlossen« sei. Kanafani mutmaßt, dass der Westen eine Chance in dem vermeintlichen Dilemma erblickt, um Riad Konzessionen abzuringen. »Die westlichen Staaten, insbesondere die USA, werden Saudi-Arabien immer dann an den Fall Khashoggi erinnern, wenn sie das Gefühl haben, dass die saudische Politik ihren eigenen Interessen zuwiderläuft.«

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Okaz
Zuspruch erfährt MBS nach seiner Auslandstournee vor allem in der heimischen Presse. »Die Führer der G20-Staaten haben sich dafür entschieden, dass der Gipfel 2020 in Riad stattfinden wird und das Königreich zur Troika gehört, die die Agenda für den nächsten Gipfel in Japan setzen wird« – so wie Rami Alkhalifa Alali in der Okaz deuten insbesondere die staatsnahen Medien am Golf das Treffen in Argentinien als Erfolg. Die Entscheidung, an Saudi-Arabien als Gastgeber für den übernächsten Gipfel festzuhalten, sei Ausdruck des »Vertrauens, das die Führer der G20 gegenüber dem Königreich, seiner Rolle und seiner außerordentlichen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung an den Tag legen.«

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Al-Jazira (Saudi-Arabien)
Ähnlich argumentiert Khalid Al-Malik in seinem Kommentar für die saudische Zeitung Al-Jazira (nicht zu verwechseln mit dem TV-Sender aus Katar). Nach dem abschließenden Gruppenfoto Staatschefs hatte im Netz schnell eine Einzelaufnahme des Kronprinzen die Runde gemacht, die zeigt, wie zahlreiche Staatschefs MBS buchstäblich stehen lassen und wie dieser seinen Thaub richtet, um den Termin möglichst schnell hinter sich zu bringen. Al-Malik hingegen betont, dass zahlreiche bilaterale Begegnungen ein ganz anderes Bild zeichnen würden. »Die Treffen mit dem indonesischen Vizepräsidenten, dem chinesischen Präsidenten, der britischen Premierministerin und dem französischen Präsidenten zeugen von der Wertschätzung für das Königreich und den Kopf seiner Delegation, Kronprinz, Muhammad Bin Salman.«

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Von: 
zenith-Redaktion

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