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Wer Iran regiert

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Analyse
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Foto: Wiki Commons Wiki Commons

Wer hat in der Islamischen Republik das Sagen? zenith-Autor Sören Faika hat das komplizierte Regierungsgebilde näher untersucht.

In Iran beruhen wie auch in anderen Ländern politische Entscheidungen auf Kompromissen. Das Besondere: In der Islamischen Republik existieren zwei starke politische Machtzentren. Einmal das Zentrum für das »Islamische«, in Person des »Revolutionsführers und Vertreters der Jurisprudenz« (vali-ye faqih), also des Sachwalters des zwölften Imams auf Erden. Seine Aufgabe ist es, das System auf einem »islamischen Kurs« zu halten. Das zweite Zentrum steht für das »Republikanische«, in Form des Präsidentenamts. Wie in anderen Ländern beziehen Persönlichkeiten ihre Machtposition zunächst aus der formalen Hierarchie ihrer Ämter. Besonders relevant sind hierfür Posten, die entweder über schwergewichtige Kompetenzen oder ein hohes Budget verfügen. Andererseits spielt die Anbindung an eines der zwei Machtzentren eine entscheidende Rolle dafür, wie einflussreich eine Person ist. Die Verfassung, die in der gegenwärtigen Form 1989 entstand, spricht dem Präsidenten zwar eine zentrale Rolle im Machtgefüge der Islamischen Republik Iran zu und der direkt gewählte Präsident spielt dementsprechend eine herausragende Rolle bei der Gestaltung der politischen Realität. Doch überwiegt in der Summe die politische Macht wichtiger Persönlichkeiten, die in der Regel vom indirekt gewählten Revolutionsführer ernannt werden.

 

Seyed Ebrahim Raisi (56)

Verwalter des »Imam-Reza-Schreins«

Der Revolutionsführer ernannte ihn 2016 zum Leiter der wohlhabendsten Stiftung des Landes, die den Imam-Reza-Schrein in Maschhad verwaltet. Ebenso ist er seit 2006 Mitglied im Expertenrat und in dessen Leitungskomitee für Finanzen zuständig. Darüber hinaus ist er seit 2013 Sonderstaatsanwalt beim Sondergericht für Geistliche, das sich ausschließlich mit Vergehen von schiitischen Geistlichen befasst. Zuvor war er lange Staatsanwalt in Teheran und später stellvertretender Leiter der Justiz.

 

Ahmad Janati (90)

Präsident des Wächterrats

Der Kleriker ist seit 1992 Präsident des Wächterrates sowie seit 1983 Mitglied des Expertenrates, den er seit 2016 ebenso leitet. Darüber hinaus tritt er seit 2002 als einer der vom Revolutionsführer ernannten Freitagsprediger von Teheran auf und ist Mitglied im Schlichtungsrat.

 

Mohammad Yazdi (86)

Sekretär des »Hohen Rates der theologischen Schulen«

Er ist sowohl Sekretär der »Gesellschaft der Lehrenden der theologischen Schule von Qom« als auch Sekretär des »Hohen Rates der theologischen Schulen« in Qom. Damit vertritt er wichtige theologische Stimmen, die sowohl im Alltag vieler Schiiten als auch auf der politischen Bühne einflussreich sind. Ebenso ist er seit der Gründung 1980 Mitglied des Wächterrates. Zuvor war er der erste Leiter des nach der Verfassungsänderung 1989 neu geschaffenen Justizorgans und stand für zwei Jahre dem Expertenrat vor. Darüber hinaus saß er 1979 im Verfassungsrat sowie im Rat zur Überarbeitung der Verfassung 1989.

 

Sadeq Amoli Laridschani (56)

Leiter der Justiz

Der Revolutionsführer ernannte den Bruder von Parlamentspräsident Ali Laridschani 2009 für fünf Jahre zum Leiter der Justiz und verlängerte seine Amtszeit 2014. Als Leiter der Justiz bestimmt er für fünf Jahre den Leiter des Obersten Gerichts sowie den Generalstaatsanwalt. Darüber hinaus schlägt er Kandidaten für die Wahl der sechs »weltlichen Juristen« des Wächterrats durch das Parlament vor und hat das Vorschlagsrecht für Kandidaten, die der Präsident für das Amt des Justizministers dem Parlament vorschlagen kann. Sadeq Laridschani ist ebenfalls Mitglied im Expertenrat. Aktuell gilt er als einer der potenziellen Nachfolger für den Posten des Revolutionsführers.

 

Ayatollah Ali Khamenei (78)

Revolutionsführer

Nach dem Tod des Staatsgründers Ayatollah Ruhollah Khomeini wählte der Expertenrat ihn 1989 auf unbestimmte Zeit ins Amt. Seitdem baut Ayatollah Ali Khamenei sein Büro kontinuierlich aus. Als Vertreter der Jurisprudenz verfügt er über Vertreter in allen Provinzen des Landes, den Freitagsmoscheen und in allen Ministerien. Darüber hinaus ernennt er mehrere Leiter religiöser Stiftungen, den Leiter des staatlichen Radiound Fernsehsenders IRIB, den obersten Justizbeamten, den Generalstabschef aller Streitkräfte sowie die Befehlshaber der Armee, der Revolutionsgarden und der Sicherheitskräfte.

 

Mahmud Alavi (63)

Geheimdienstminister

Nachdem Hassan Ruhani 2013 die Präsidentschaft gewann, ernannte er Alavi zum Geheimdienstminister. Ebenso begann unter ihm der »Rat zur Abstimmung der Geheimdienste« zu tagen, in dem alle Geheimdienste des Landes vertreten sind und dem er vorsitzt. Seit 2009 ist er ebenfalls im Expertenrat. Zuvor war er lange Mitglied im Parlament und Leiter der Abteilung für politisch-ideologische Führung der Armee.

 

Ayatollah Mahmud Haschemi-Schahrudi (69)

Präsident des Schlichtungsrats

Der Revolutionsführer ernannte ihn 2017 zum Präsidenten des Schlichtungsrates, nachdem es mehrere Monate gedauert hatte, nach dem Tod von Akbar Haschemi-Rafsandschani einen Nachfolger zu finden. Ebenso ist er Mitglied im Expertenrat und war bis 2009 Leiter der Justiz. Zuvor war er Mitglied im Wächterrat und arbeitete im Büro des Revolutionsführers.

 

Amir Hatami (50)

Verteidigungsminister

Hatami ist seit der zweiten Amtszeit von Präsident Hassan Ruhani Verteidigungsminister. Als solcher bestimmt er maßgeblich über das Budget des Militärs und seiner strategischen Ausrichtung. Er ist Generalmajor des iranischen Heeres und arbeitete zuvor in der Anti-Spionage-Abteilung sowie als leitender Berater des Generalstabschefs aller Streitkräfte Irans.

 

Hassan Ruhani (68)

Präsident

Auf den neokonservativen Populisten Mahmud Ahmadineschad folgte 2013 Hassan Ruhani, der mit einer Agenda der Versöhnung zwischen Volk und Staat sowie Iran und Ausland warb. 2017 konnte er sich seine Wiederwahl sichern, doch darf er 2021 gemäß der Verfassung nicht erneut antreten. Als Präsident leitet er die Regierung, bestimmt den Haushaltsplan und führt Gesetze aus. Darüber hinaus leitet er den »Hohen Rat für Nationale Sicherheit« und ernennt fünf weitere von insgesamt zwölf festen Mitgliedern des wichtigsten Gremiums für Sicherheitsund Außenpolitik. Sollte Ruhani seine Beliebtheit und gleichzeitig seine Beziehungen zum konservativen Establishment aufrechterhalten können, wird er wahrscheinlich maßgeblich die Nachfolgerfrage des Revolutionsführeramtes mitbestimmen.

 

Bijan Namdar Zangane (64)

Ölminister

Zangane ist seit 2013 Ölminister im Kabinett von Präsident Hassan Ruhani. In dieser Position überwacht und beeinflusst er die Ölpolitik Irans und damit die noch wichtigste einzelne Einnahmequelle des Landes. Zuvor hatte er unter Präsident Mohammad Khatami von 1997 bis 2005 das Amt inne und leitete weitere Ressorts: das Energieministerium von 1988 bis 1997 und das Aufbau-Ministerium von 1983 bis 1988. Kein anderer Politiker in Iran ist schon so lange in Ministerverantwortung. Darüber hinaus war er von 1997 bis 2011 Mitglied im Schlichtungsrat.

Von: 
Sören Faika

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