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Kurzanalyse: Südsudan

Zombiefrieden

Analyse
Kurzanalyse: Südsudan
Der Krieg im Südsudan hat bis heute fast 400.000 Menschen das Leben gekostet Foto: US Department of State

Im September 2018 haben Diktator Salva Kiir und rivalisierende Warlords die Neuauflage eines verheerend gescheiterten Friedensvertrages unterzeichnet – nach fast 400.000 Toten

Was ist geschehen?

  

Fünf Jahre nach dem Ausbruch eines blutigen Machtkampfes zwischen Kiir und seinem früheren Vize Riek Machar ist die humanitäre Lage im Südsudan so katastrophal wie in Syrien oder im Jemen: Knapp zwei Millionen Menschen sind Vertriebene innerhalb des Landes, rund zweieinhalb Millionen in Nachbarstaaten geflohen.

 

Über sechs Millionen – etwa 60 Prozent der Bevölkerung – leiden laut Vereinten Nationen unter »extremem« Hunger. Nur wenige Tage nach Unterzeichnung des neuen Friedensvertrages veröffentlichte die »London School of Hygiene and Tropical Medicine« eine Studie, der zufolge mindestens 383.000 Menschen durch den Krieg ihr Leben verloren haben.

 

Selbst bei konservativer Schätzung sei mit einer Viertelmillion Toten zu rechnen, eher aber sogar noch mit deutlich mehr als 400.000. So problematisch solch hochgerechnete Opferzahlen generell sind, so besteht doch kein Zweifel an der Brutalität des Konfliktes, wie ein ebenfalls just veröffentlichter Bericht von Amnesty International einmal mehr dokumentiert.

 

 

Worum geht es eigentlich?

 

Die Zivilbevölkerung dürstet mehr denn je nach Frieden, weshalb es auch irreführend ist, von einem Bürgerkrieg zu sprechen. Vielmehr wütet ein Krieg der militärisch-wirtschaftlichen Eliten, für den die Zivilisten den Blutzoll zahlen. Das Land hat im Weltvergleich nach Russland die zweithöchste Zahl an Generälen – selbst Kiirs Ehefrau ist von ihrem Mann als Generalmajorin ernannt worden – und eine schier unüberschaubare Schar an Milizen, die sich in ständig wechselnden Allianzen gegenseitig bekämpfen.

 

Im Oktober enthüllte eine kenianische TV-Produktion das Luxusleben von Regimeangehörigen in den Nachbarländern, etwa der Familie von Kiir in der High Society von Nairobi. Erstmals enthüllte die Reportage zudem, wie Machars Kommandeure sich am Schmuggel von Edelhölzern über Uganda bereichern. Mit steigendem Ölpreis ist indes der Anreiz für die konkurrierenden Kriegsherren gewachsen, sich über eine verhandelte Machtbeteiligung Zugang zu Petrodollars zu sichern.

 

Die Kriegsmüdigkeit lässt weite Teile der unterdrückten Zivilgesellschaft akzeptieren, dass es in der neuen Abmachung kaum um Demokratisierung geht, sondern um neue Pfründe: So wird es fünf statt bisher zwei Vizepräsidenten geben; auch Kabinett wie Parlament sollen weiter aufgeblasen werden.

 

 

Wie geht es nun weiter?

  

Das »Revitalized Agreement on the Resolution of the Conflict in the Republic of South Sudan« (R-ARCSS) ist der zwölfte Friedensvertrag seit 2013 und die Wiederbelebung eines tödlich gescheiterten Abkommens von 2015, das Kiir nur unter starkem Druck westlicher Staaten unterschrieben hatte. Diese geben sich denn nun auch skeptisch, zumal wenige Stunden nach Inkrafttreten erneute Gefechte entflammten.

 

Ironie der Geschichte: Die Aussichten könnten diesmal trotzdem besser sein, weil stattdessen die lange miteinander verfeindeten Staaten Sudan und Uganda als Garantiemächte auftreten. Das Hauptinteresse des klammen Regimes von Omar Al-Baschir liegt darin, dass Juba die Öl-Förderung ausweiten und dann gegen entsprechende Gebühren über die sudanesischen Pipelines exportieren kann.

 

Ausgerechnet Baschirs Truppen sollen dafür die Ölfelder schützen. Solch eine Befriedung ist aber kaum nachhaltig, solange die internationale Gemeinschaft nicht konsequent die blutigen Finanzströme der südsudanesischen Kleptokraten stoppt.

 


Roman Deckert arbeitet seit 1997 im und zum (Nord-)Sudan und Südsudan, derzeit in Projekten zur Unterstützung von Wikipedia-Gruppen in beiden Ländern. Als Kleinwaffenexperte hat er insbesondere die Rolle deutscher Rüstungsexporte während des Kalten Krieges in der Region erforscht.

Von: 
Roman Deckert

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