Der Kaukasus ist eine wichtige Brückenregion zwischen Europa und dem Nahen Osten. Welche Konsequenzen hat der Krieg in der Ukraine dort?
Zumindest offiziell haben die Separatistenstaaten Abchasien und Südossetien die pro-russischen »Volksrepubliken« im Donbass aus Überzeugung anerkannt. Doch beide Regionen sind auf Finanzspritzen aus Moskau angewiesen, die russischen Pässe sind ebenfalls kaum mehr etwas wert – und werden angesichts der Sanktionen eher zur Belastung.
Tatsächlich wächst vor allem in Abchasien die Sorge, Moskau mehr denn je ausgeliefert zu sein. Weil Soldaten aus den Separatistenregionen in der Ukraine kämpfen und Russland Truppen abzieht, wähnt man sich zudem ungeschützt vor einem georgischen Rückeroberungsversuch. Doch der wird so schnell nicht kommen. Zu groß ist die Angst in Tiflis, das Schicksal der Ukraine zu teilen.
Dennoch sucht das Land eine Annäherung an den Westen, nachdem eine aufgeschobene Justizreform, eine umstrittene Wahl und der Umgang mit sexuellen Minderheiten das Verhältnis zwischen Brüssel und Tiflis hatten abkühlen lassen. Im März stellte Georgien – wie zuvor auch die Ukraine – überstürzt einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft. Allzu kritische Töne gegenüber Moskau riskiert die Regierung aber nicht.
Weniger mediale Beachtung fanden hingegen die hohen Opferzahlen bei russischen Soldaten aus der Nachbarrepublik Dagestan
Ramzan Kadyrov, der die russische Kaukasusrepublik Tschetschenien als Kriegsfürst regiert, hat sich Moskaus Invasion begeistert angeschlossen – ein weiterer Beleg seiner Loyalität. Auf Seiten Kiews kämpfen ebenfalls exilierte Tschetschenen, etwa das Scheich-Mansur-Regiment. Kadyrov könnten nun sein vorauseilender Gehorsam und sein übergroßes Ego zum Verhängnis werden.
Der genaue Aufenthaltsort eines Vorauskommandos seiner »Kadyrovtsy« wurde offenbar aus russischen Sicherheitskreisen geleakt, die Putins oft erratischem Vasallen seit jeher kritisch gegenüberstehen. Dutzende seiner vermeintlichen Elitekämpfer starben. Zudem ließ sich Kadyrov mehrfach dazu hinreißen, die Positionen tschetschenischer Einheiten selbst per Videoupload zu bestätigen – oft in Reaktion auf den Vorwurf, »seine« Tschetschenen würden nur für die Kameras posieren und nicht kämpfen.
Weniger mediale Beachtung fanden hingegen die hohen Opferzahlen bei russischen Soldaten aus der Nachbarrepublik Dagestan. Listen aus Krankenhäusern und Lazaretten deuten darauf hin, dass nicht nur überproportional viele Dagestaner für den Einsatz in der Ukraine verpflichtet wurden, sondern dass sie auch sehr oft an der Front ihr Leben lassen.