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Analyse: Philippinen

Duterte in der Defensive

Analyse
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Presidential Communications Operations Office, Philppinen

Im Süden der Philippinen brachte der lokale IS-Ableger die Stadt Marawi unter seine Kontrolle. Wie konnte es dazu kommen?

Über 500 Tote. Das ist die bisherige Bilanz im Kampf um die philippinische Stadt Marawi, seit der lokale ISAbleger am 23. Mai dieses Jahres die Stadt angriff, in der er bis heute Teile kontrolliert. 379 Terroristen, 89 Soldaten und Polizisten, 39 Zivilisten. Mehr als 400.000 Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben. Für die meisten Beobachter besteht keinerlei Zweifel daran, dass die Belagerung Marawis der erste Versuch ist, die IS-Ideologie in den Süden der Philippinen zu exportieren und schließlich auch auf den Rest des Landes zu verteilen. Sowohl die Banditen der Abu Sayaf als auch die durch wahhabitische Prediger aus Saudi-Arabien missionierten Maute-Brüder und ihre Anhänger haben sich in Videobotschaften dem »Islamischen Staat« (IS) angeschlossen.

Worum geht es eigentlich?

Die größtenteils muslimische Stadt Marawi ist das Epizentrum der Islamisten und Heimatstadt der MauteBrüder. Die Instabilität Mindanaos, die ungesicherten Seegrenzen, der sich dahinschleppende Friedensprozess mit der »Islamischen Befreiungsfront der Moros« (MILF) sind der ideale Nährboden für Terroristen. In Marawi sollen sich zudem etliche Ausländer dem Kampf angeschlossen haben; es wurden die Leichen von Tschetschenen, Indonesiern, Malaysiern und Marokkanern entdeckt – und offenbar fanden sich auch Europäer unter den Kämpfern. In den vergangenen Wochen ist ein Video aufgetaucht, das Isnilon Hapilon, den Anführer der Abu Sayaf und designierten IS-Emir, in Mindanao zeigt, wie er mit Gleichgesinnten die Belagerung Marawis plant. Ihr Ziel: die gesamte Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen. In den vom IS zurückeroberten Stadtteilen und Häusern fanden Soldaten nicht nur etliche Waffen, Munition, Lebensmitteldepots und Tunnelsysteme, sondern auch viele Millionen Pesos. Die Islamisten sind so gut ausgerüstet und vorbereitet, dass sie den Kampf um Marawi vermutlich noch lange fortführen können. Zudem sind sowohl Militär als auch Polizei heillos mit der Situation überfordert. Seit Wochen fliegt die philippinische Luftwaffe Angriff um Angriff. Viele Bewohner Marawis fragen sich inzwischen, warum ihre Stadt dem Erdboden gleichgemacht werden muss, um sie zu befreien, und sind verärgert, dass eine christliche Regierung die Zerstörung einer muslimischen Stadt angeordnet hat. Ein weiterer Propagandaerfolg der Terroristen.

Wie geht es nun weiter?

Die philippinische Regierung hat es bislang nicht geschafft, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Während die Duterte-Regierung damit beschäftigt war, Drogendealer und Abhängige zu jagen und zu töten, nutzten Terroristen in Mindanao das entstandene Vakuum. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch der letzte Terrorist in Marawi getötet wird. Aber dass ein paar hundert Kämpfer zwei Monate lang einer übermacht am Boden und aus der Luft widerstanden, ist ein sensationeller Propagandaerfolg der Islamisten. Dem Lockruf des »Heiligen Krieges« dürften Rekruten aus aller Welt folgen. Gerade jetzt, da der IS in Syrien und im Irak militärisch zumindest fast besiegt ist. Die gesetzlosen, marginalisierten und muslimischen Teile Südostasiens könnten bald die neuen Schlachtfelder des islamistischen Terrors werden: Südthailand, Teile Malaysias und Indonesiens – und natürlich Mindanao. Präsident Duterte hat inzwischen eingeräumt, dass der IS die größte Bedrohung für die Philippinen ist. Das Kriegsrecht in Mindanao wurde bis Ende des Jahres ausgeweitet. • 


Carsten Stormer ist Korrespondent der Reportage-Agentur Zeitenspiegel und lebt mit seiner Familie seit zehn Jahren in Manila. 

Von: 
Carsten Stormer
Fotografien von: 
e Presidential Communications Operations Office

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