Exklusiv für dieses Dossier hat Aya Tarek eine Serie von Illustrationen entworfen. Hier zeigt die ägyptische Street-Art-Künstlerin, wie sich ihr Blick auf den Arabischen Frühling verändert hat.
zenith: Eine Ihrer Spezialitäten sind riesige Bilder an Hauswänden. Was bewegt Sie dazu, Kunst auf die Straße zu bringen?
Aya Tarek: Während meines Studiums verfolgte ich fasziniert, wie eine immer größere Szene in Europa und den USA mit Straßenkunst experimentierte – Banksy zum Beispiel wurde damals richtig groß. Auch ich wollte mich an Kunstformen probieren, die nicht im Lehrplan standen. Ich spielte mit allem Möglichen, aber was die Menschen wirklich erreichte und bewegte, war Street-Art. Die positiven Rückmeldungen waren überwältigend.
Die Menschen waren hungrig nach Kunst im öffentlichen Raum. Wie erklären Sie sich das?
Die meisten Menschen kennen nur ein Unterhaltungsmedium: das Fernsehen. Kaum jemand geht ins Theater oder besucht Museen. Obwohl vieles kostenlos ist, haben die Menschen das Gefühl, keinen Zugang zu solchen formellen Orten zu haben. Die Kunst in den Straßen durchbrach die alltägliche Routine vieler Menschen und gab ihnen die Möglichkeit, die Gedanken schweifen zu lassen.
Im Jahr 2011 wurde Straßenkunst zum großen Medium der Revolution. Wie haben Sie dieses Jahr erlebt?
Am 25. Januar wollten wir eigentlich erstmals einen Film über die ägyptische Straßenkunst und Untergrundszene zeigen – doch die Vorstellung fiel aus, stattdessen kam die Szene in den nächsten Monaten selbst aus dem Untergrund. Die Revolution erweckte die Menschen zum Leben, alle wussten: »Wenn du etwas zu sagen hast, dann jetzt!« Alle begannen, sich mitzuteilen und sich auf ihre eigene Art auszudrücken. Künstlerinnen und Künstler holten ihre Werke aus den Galerien und brachten sie auf die Straßen. Auch ich nutze die neuen Freiheiten.
Welche Gedanken haben Sie bei den Illustrationen für dieses Heft geleitet?
Ich habe versucht, die letzten zehn Jahre so darzustellen, wie ich sie mit meinen Augen gesehen habe – mit meinem eigenen expressiven Blick. 2011 war ich Anfang 20 und noch voller Idealismus, deshalb prägten mich diese Demonstrationen und all die damit verbundenen Versprechen. Ich erlebte diese Zeit wie ein Computerspiel, irgendwie surreal. Ich fühlte mich, als wenn ich durchs Internet surfen würde – durch das »alte Internet«, bevor alles in den Sozialen Medien stattfand. Vor allem meine bewusst gewählten Farbkonzepte möchte ich betonen, aber sonst lass ich meine Illustrationen am liebsten selbst sprechen.
Aya Tarek, geboren 1989 in Alexandria, gehört zu den bekanntesten Straßenkünstlerinnen Ägyptens. Sie hat an der Universität von Alexandria Kunst und Malerei studiert. Bereits mit 18 Jahren begann sie, als Grafikdesignerin, Straßenkünstlerin und Malerin zu arbeiten. Inzwischen experimentiert sie auch mit Virtueller Realität, Soundinstallationen und Videokunst.