Lesezeit: 6 Minuten
Iranisches Neujahr

Was man über Nowruz wissen muss

Feature
Iranisches Neujahr
Ein Neujahrsumzug in Akre in Irakisch-Kurdistan Levi Clancy / Wikimedia Commons

Am 20. März begann für über 300 Millionen Menschen das Jahr 1401. Was das iranische Neujahr mit seinen Lagerfeuern und Gabentischen so besonders macht.

1. Zoroastrische Wurzeln, islamischer Kalender

Nowruz ist eines der ältesten durchgängig begangenen Feste weltweit. Die Wurzeln der mehrtägigen Feierlichkeiten liegen im Zoroastrismus. Die zoroastrische Religion entstand im iranischen Hochland und existiert bis heute. Besonders der zoroastrische Feuerkult wirkt beim Lagerfeuer nach, die zu Nowruz entfacht werden. Das Ritual verbreitete sich im Achämeniden-Reich vom Hindukusch bis zum Balkan. In Iran beginnt nun das Jahr 1401 – Shah Reza Pahlevi verknüpfte 1925 das iranische Neujahr, den Sonnenkalender und die islamische Zeitrechnung mit der Hidschra (der Auszug des Propheten Muhammad aus Mekka) als Startpunkt.

 

2. »Dein roter Glanz ist meiner«

Vor dem eigentlichen Fest trifft man sich zum »Tschahar Schanbe Suri«, dem »Mittwoch des Festmahls«. Bei Sonnenuntergang werden große Lagerfeuer entzündet. Während man über die Flammen springt, rezitiert man Formeln, etwa: »Meine gelbe Blässe ist deine, dein roter Glanz ist meiner«. Adressat ist das Feuer selbst, mit dem man quasi den Frühling gegen den Winter eintauscht. So sollen Glück und Gesundheit im neuen Jahr gesichert sowie die Seele gereinigt werden. Ein anderes Ritual ist das »Löffelschlagen«. Ähnlich dem amerikanischen »trick-and-treat« zu Halloween ziehen verkleidete Kinder durch die Nachbarschaft. Sie klopfen mit Löffeln auf Teller und bekommen dafür Süßigkeiten und Nüsse geschenkt.

 

3. Eins, zwei oder drei

Nowruz fällt auf den Frühlings-Äquinoktium, wenn Tag und Nacht gleich lang sind. Die Sonne ist dabei auf der Höhe des Äquators und geht fast exakt im Osten auf und im Westen unter. Ein neues Jahr beginnt, wenn der Mittelpunkt der Sonne den Himmelsäquator durchquert. Die Tagundnachtgleiche tritt jedes Jahr zwei Mal auf, im Frühling und im Herbst. Nowruz fällt deshalb immer in den Zeitraum vom 19. bis 21. März, doch das genaue Datum ändert sich jedes Jahr, abhängig unter anderem vom Abstand zum letzten Schaltjahr und der Zeitzone.

 

4. Sieben auf einen Streich

Ein besonders wichtiges Ritual sind die »Haft Sin« – im Zentrum stehen sieben auf einem Tischtuch drapierte Zutaten, die alle mit dem Buchstaben S (»sin«) beginnen. Jeder Gegenstand hat eine Bedeutung: So symbolisiert ein Apfel (»Sib«) Schönheit und Gesundheit, Sumach repräsentiert den Geschmack des Lebens. Hinzu können noch ein Spiegel, Kerzen, Münzen und das jeweilige heilige Buch kommen: also wahlweise der Koran, die Bibel oder das zoroastrische Avesta.

 

5. Schreibt man so

Heute feiern nicht nur Menschen in Iran das Neujahrfest, sondern insgesamt etwa 300 Millionen Menschen – von Albanien bis Tadschikistan. Nowruz ist eine Kombination der persischen Wörter »now« (neu) und »ruz« (Tag). Das Fest vom »neuen Tag« schreibt man je nach Land, oder sogar nach Region, unterschiedlich. In Tadschikistan nennt man es Navruz, während die Bektaschi, albanische Aleviten, Nevruzi feiern. In der Türkei ist der kurdische Name Newroz sogar verboten. Obwohl die Türkei das Fest im Jahr 2000 legalisierte, wird der türkische Name Nevruz vorgeschrieben.

 

6. Kaveh und die Kurden

In von Kurden bewohnten Gebieten finden sich deutliche Bezüge zum gemeinsamen kulturellen Erbe der iranischen Mythologie – zum Neujahrsfest taucht hier etwa die aus dem Schahnameh bekannte Geschichte des Schmieds Kaveh auf, dessen Sieg über den Tyrannen Zahak gefeiert wird. In neuerer Zeit haben die Freudenfeuer einen stark politischen Charakter angenommen. Nowruz wurde von den kurdischen Unabhängigkeitsbewegungen, später von der sozialistischen PKK in der Türkei und der konservativen KDP im Irak aus der relativen Obskurität der assimilierten Kurden befreit und zum Nationalsymbol erhoben.

 

7. Dagegen kam Khomeini nicht an

Das Regime von Ruhollah Khomeini liebäugelte nach der Islamischen Revolution 1979 damit, das »unislamische« Fest zu verbieten. Khomeini waren besonders die historischen Verbindungen von Nowruz zum Zoroastrismus ein Dorn im Auge. Die Machthaber sprachen abfällig von »Feueranbetung« und »Aberglaube«, konnten sich aber nicht durchsetzen.

Von: 
Raphael Bossniak

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.