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Ein Besuch beim Essens- und Kulturlabor »Dr&Dr« in Berlin

»Make Food, Not War«

Reportage
Die Küche des Nahen und Mittleren Ostens
Einige der zahlreichen Speisen bei »Dr&Dr« Foto: Forough Sodoudi

Die Aspekte der nahöstlichen Kultur sichtbar machen, die oft im Hintergrund sind: Ein Besuch beim Lebensmittellabor »Dr&Dr« der iranischen Zwillingsschwestern Sahar und Forough Sodoudi.

»Dr&Dr« in blauer Neonschrift, große Fenster Richtung Reichenbergstraße in Berlin-Kreuzberg, eine weiße Fassade: Schon von außen wirkt das »Dr&Dr Middle Eastern Culture and Food Lab« sehr schick. Das Innere bietet eine fröhliche Mischung, mit Mosaiken, die vom Golestan-Palast in Teheran inspiriert sind, und Geschirr, das man auf Basaren findet.

 

Alles strahlt Geselligkeit und Gemütlichkeit aus: die zentrale Küche, die zum Raum und zu den Gästen hin offen ist, der helle Raum, die Dutzenden von Kerzen, die im Raum verteilt sind, und das einladende Lächeln der Zwillingsschwestern Sahar und Forough, die bei der Ankunft einen von ihnen kreierten Cocktail anbieten: einen nach Rosenknospen duftenden Gin.

 

Die Zwillinge wurden in Berlin geboren und waren fünf Jahre alt, als ihre Eltern beschlossen, nach Teheran zurückzukehren, wo die beiden zur Schule und anschließend zur Universität gingen. Für ihre Promotion kehrten Sarah und Forough nach Berlin zurück. Diese schlossen beide erfolgreich mit einem Doktortitel ab, Sahar in Klimawissenschaften und Nachhaltigkeit, Forough in Geophysik und Seismologie. Nach einer Karriere in der Forschung und im Forschungsmanagement in Deutschland beschlossen sie, gemeinsam ein »Essens- und Kulturlabor« zu eröffnen. In Anlehnung an ihre ursprüngliche Karriere tauften sie es »Dr&Dr«.

 

»Wir wussten, wir sind auf dem richtigen Weg«

 

Doch das hier ist kein Restaurant. »Es ist ein Ort, an dem wir Caterings, private Abendessen mit Reservierung, Verkostungen, aber auch Kochkurse, Lesungen und Konzerte organisieren. Wir empfangen sogar Designer aus dem Nahen Osten, die viermal im Jahr ihre Kollektionen vorstellen«, erläutert Sahar. Sie starteten das Projekt 2019, im darauffolgenden Jahr gewannen die beiden den Deutschen Gastro-Gründerpreis für die besten und innovativsten Gründungskonzepte in Deutschland, Österreich und der Schweiz - Sahar erklärt: »Das hat uns ermutigt, wir wussten, wir sind auf dem richtigen Weg!«, sagt Sahar.

 

Sie schildern ihre Erfahrungen als Dozenten in Deutschland und dass sie bemerkten, dass ihre Studenten aus dem Nahen Osten »mehr als die anderen kämpfen mussten, um erfolgreich zu sein.« Während einer beruflichen Reise durch den Nahen Osten entdeckten die beiden Schwestern »eine Kultur der Liebe und des Teilens« wieder, insbesondere durch das Essen: der Ausgangspunkt für ihr Projekt . Daraus entstand der Wunsch, dieses gastronomische Erbe weiterzugeben, das ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität ist, ein gemeinsames Gut, das gefeiert, geschätzt und geschützt werden müsse.

 

»Über Essen kann man die Menschen leichter erreichen«, erklärt Sarah und fügt hinzu: »Aber es ist auch ein politisches Projekt«. In der Tat ist »Make food, not war« das Motto des Unternehmens, das darauf abzielt, einen Nahen Osten zu repräsentieren, den jenseits der Konflikte, mit denen er allzu oft in Verbindung gebracht wird, einiges eint.

 

Schafskäse mit Rosenaroma, Basilikum-Hummus, Joghurt und Baba Ghanoush

 

Ein Projekt, das direkt auf dem Teller Gestalt annimmt: »Auf einem Teller mit Mezze begegnen sich viele verschiedene Länder«, erklärt Sahar. Zur Eröffnung verteilen die Gastgeberinnen Schafskäse mit Rosenaroma, Basilikum-Hummus, Joghurt und Baba Ghanoush auf den noch warmen Mini-Pitas. Als Nächstes wird Labneh gereicht, mit Za'atar gewürzt, zart in Kadayef-Teig eingewickelt und mit einer knusprigen Note versehen, in der sich die Säure des Käses und die Süße des Honigs himmlisch ergänzen. Das dritte Gericht, von Forough angekündigt, ist eine gegrillte Aubergine mit jemenitischem Kohl, überzogen mit Joghurt und bestreut mit Granatapfel und Pinienkernen.

 

Danach versammeln sich alle Gäste um die zentrale Küche. Zwei von ihnen helfen auch beim Ausformen des Tahdig (gebratener Reis) - das wird mit Applaus gewürdigt. Hähnchenbrustfilets in einer Safran-Joghurt-Sauce, gerösteter Blumenkohl und gerösteter Sesam begleiten den mit Safran duftenden und mit Pistazien gespickten Reis.

 

Und gerade als man denkt, man könne nicht mehr essen, sorgt eine Mango-Mascarpone-Verrine für einen leichten und frischen Abschluss dieses Festmahls.

Von: 
Lucie Malevialle

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