Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der Arabischen Welt? Diese Woche antwortet Yassin Musharbash von der ZEIT.
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche: Yassin Musharbash der ZEIT.
- Geboren: 18. Dezember 1975 in Dissen am Teutoburger Wald
- Wohnort: Berlin (derzeit Amman)
- Ausbildung: Arabistik und Politikwissenschaften (Universität Göttingen, Magister Artium); Arabic and Political Sciences (Bir Zeit University 2000/01)
- Karriere: Während des Studiums erste Arbeiten als freier Journalist, vor allem für die taz; Volontariat bei Spiegel Online; Redakteur bei Spiegel Online (2005 bis 2012); seit März 2012 im Investigativ-Ressort der ZEIT tätig (seit August 2016 mit Sitz in Amman). Ein paar Bücher gibt’s auch: »Die neue Al-Qaida« (2006), »Radikal« (2011).
Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?
Ich wollte so oft wie möglich in den Nahen Osten. Für Jobs in der freien Wirtschaft habe ich aber keine Begabung. Journalismus erschien mir da schon ehrenwerter, und schreiben tue ich auch noch gerne. Die Wahrheit? Ein gewisses Bedürfnis, »den Deutschen« »den Orient« zu erklären, lässt sich nicht verhehlen. Die ganze Wahrheit? Ich bin noch lange nicht fertig mit dem Nahen Osten, weil ich hier jeden Tag etwas dazulerne, das mich interessiert.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Kann man die arabische Sprache »beherrschen«? Ich komme gut zurecht, sagen wir so. Zwei Semester Türkisch an der Uni sind dagegen erschütternd spurlos an mir vorübergegangen.
Der Orient riecht nach ...
… frisch gebackenem Brot mit Thymian und Tee mit Minze. (Wenn man Glück hat.)
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Für mich liegt er in Wadi Rum, im Süden Jordaniens, eine halbe Tagesreise hinter dem letzten Ort, bis zu dem die Touristen gekarrt werden, und dann in jedem beliebigen Beduinenzelt.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Taxifahrer interviewen. Gäste in der Hotelbar interviewen. Wörter benutzen, die man selbst nicht versteht.
Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Nicht strikt journalistisch, aber ich bin auf einer Trauerfeier einmal mit den Redewendungen durcheinandergekommen. Und anstatt entweder »Möge Gott dein Leben verlängern« oder »Möge Gott deinen Kopf segnen« zu sagen, habe ich den Angehörigen gewünscht, Gott möge ihren Kopf verlängern.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
… während meines einjährigen Studiums in Bir Zeit: Parallel eine Magisterarbeit über Palästina im 19. Jahrhundert zu recherchieren und den Beginn der zweiten Intifada live mitzuerleben, war reichlich kompakt.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Kein Roman. Oder doch? Jedenfalls: »Die sieben Säulen der Weisheit« von T.E. Lawrence. Und natürlich: »Der Jakubijân-Bau« von Alaa Al-Aswany.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
…. bei unserer einzigen Begegnung: ein amüsanter und charmanter Tischnachbar, der zuweilen wirkte wie ein noch nicht aufgeflogener Zeitreisender.
Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Eine Reisereportage über eine komplette Fahrt mit der Hedschas-Bahn von Damaskus bis Medina.