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Okkultismus, Aberglaube und Volksislam in der Türkei

Die Hexen von Izmir

Feature
Okkultismus, Aberglaube und Volksislam in der Türkei
Medium Belkız Beşbudak im Fernsehen medyum.tv

Zwischen Wirtschaftsmisere und Glaubenssuche erleben Wahrsagerei und Esoterik eine Renaissance in der Türkei. Manche sehen darin eine Chance, das multikulturelle Erbe des volkstümlichen Islam wiederzuentdecken, andere versprechen sich gute Geschäfte.

Katinas Deste. Präzisere Karten kenne sie nicht, sagt Medium Belkız aus dem Stadtteil Ortaköy in Istanbul. Aber aufpassen: Mit den Energien des »Griechischen Tarots« sei nicht zu spaßen.

 

Oberflächlich betrachtet mögen die Personen-Motive dieses Liebesorakels an die Seifenopern vom Kanal 7 erinnern. Ihre Wirkung sollen sie in erster Linie freitags, nach dem Gebet und bei Einbruch der Dunkelheit, entfalten. Und das ist nicht der einzige Hinweis auf ihre islamischen Wurzeln, schließlich werden sie mit der folgenden (von der Autorin falsch überlieferten) Formel ausgestreut: »Ismalachi, arachami, arachim« – eine Verballhornung der arabischen Anrufung »Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen«. Die eher abgründigen Seiten des Katina-Orakels, etwa die »Schwarze Witwe« Valide und vier, den Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft nachempfundene »erleuchtete Geister«, enthüllen dagegen die Grauzonen jener Magie, auf die es zurückgeht.

 

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Karten für eine Deste-Lesung Foto: Stefan Pohlit

 

Das Wort Deste – »Bündel«, »Kartenstoß« – ist vom iranischen Wort dast – »Hand« abgeleitet. Die Anthropologin Mara Meïmaridi aus Athen hat das Deck entwickelt und mit wunderschönen alten Porträts gestaltet – ein Erbstück ihrer Großtante Katina, wie sie im Begleittext ihrer griechischen und türkischen Edition versichert. Aus Meïmaridis Erzählung »Oi Mágisses tis Smyrnis / Die Hexen von Smyrna« entstand 2005 eine Fernsehserie unter der Regie von Kostas Koutsomytis. Die Ballade um zwei griechische Bauersfrauen beginnt 1887 in Kappadokien und endet 1922 mit der »Katastrofí«, dem großen Brand von Izmir. Katina, die »Auserwählte der Magierinnen«, starb über vierzig Jahre später auf der Insel Aegina. Die Entdeckung ihrer ominösen Karten führt Mara Meïmaridi auf eine Vision zurück. An die 2.500 Jahre sollen sie im Umlauf gewesen sein, bevor sie Katina von einer türkischen Zauberin empfing.

 

Auch Balqis, die biblische Königin von Saba, war als Geistseherin bekannt. Anders als zu ihrem Vornamen ist Belkız zu ihrem ungewöhnlichen Handwerk erst auf Umwegen gelangt. In ihrer Freizeit habe sie aus den Kaffeetassen ihrer Freundinnen gelesen. Vor sechs Jahren, heimgekehrt aus Algerien, sei ein Gastwirt an der İstiklâl-Allee auf sie aufmerksam geworden. Spontan habe sie sich zum Berufswechsel entschieden – zunächst für einen Hungerlohn. Der Knochenjob als »Falcı«, als Wahrsagerin im Café, habe ihr zumindest den Einstieg verschafft, um bald darauf in ein eigenes Büro umzuziehen.

 

Heute beschäftigt sie eine Reihe von Hilfskräften und tritt regelmäßig im Fernsehen auf, etwa im Business Channel Türk in einer eigenen Sendung. Wohlhabende Industrielle lassen sie für hohe Summen zu sich einfliegen, nach Moskau, Abu Dhabi oder Dubai. Gelernt hat sie bei einem Imam. Als staatlich anerkanntes Gewerbe setzt das Metier nicht allein den »sechsten Sinn« voraus sondern zu allererst Zertifikat und Steuernachweis.

 

Nicht von ungefähr wird Präsident Erdoğan nachgesagt, dass er geweihtes Wasser trinke. Die türkische Kunst des Fal, des Wahrsagens, ist so alt wie Anatolien selbst. Nach dem Podium der TV-Shows greift sie erst, seit sich die Öffentlichkeit deutlicher zu ihren religiösen Wurzeln bekennt. Im Kemalisten-Staat war das lange Zeit verpönt. Turgut Özal, Präsident von 1989 bis 1993, machte den Trend durch seine Förderung des Naqschbandiya-Ordens wieder salonfähig.

 

Scharlatane wie der im Juli 2018 verhaftete Televangelist Adnan Oktar (bekannt als Harun Yahya) haben den geistlichen Revisionismus zwar in Verruf gebracht. Dennoch befindet sich die Spiritualität im Aufwind, begünstigt einerseits durch die apokalyptische Gemütslage inmitten der Wirtschaftskrise, andererseits durch die wachsende Obsession mit dem Kulturerbe, an der sich alle ethnischen Gruppen beteiligen.

 

Fanatiker, die auf dem Taksim-Platz Nikoläuse erstechen oder ihnen mit Knüppeln den Zugang durch die Schornsteine verwehren, sind in Wahrheit dünn gesät. Die Mehrheit beschäftigt vor allem Sehnsüchte, die sie im Notfall dazu anspornen, auch bei den Heiligen der »Ungläubigen« zu schnuppern

 

Einwanderer aus den Provinzen haben die Volksfrömmigkeit in den Städten verbreitet. Selbst kleinere islamische Feste wie die Kandil-Feiern werden bewusster wahrgenommen als früher. Im Vorbeigehen betet manch einer die Fatiha-Sure vor dem Heiligengrab an der Straßenecke. Freigebig gratuliert man dafür den Aleviten zur Aşure, den Kurden zum Nevruz, den Christen zum Weihnachtsabend, der auf Türkisch »Neujahr« heißt.

 

Fanatiker, die auf dem Taksim-Platz Nikoläuse erstechen oder ihnen mit Knüppeln den Zugang durch die Schornsteine verwehren, sind in Wahrheit dünn gesät. Die Mehrheit beschäftigt vor allem Sehnsüchte, die sie im Notfall dazu anspornen, auch bei den Heiligen der »Ungläubigen« zu schnuppern. Mutige marschieren zur Frühlingsweihe Hıdırellez am 6. Mai im Umzug der Roma mit, lassen sich vor der »Kirche vom Ersten des Monats« in Unkapanı von einem Priester segnen oder decken sich auf den Prinzeninseln mit Glücksbringern ein. So versöhnt ein interreligiöser Tourismus die Gesellschaft dort, wo sie der Glaube spaltet.

 

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»Wunschbaum« vor dem Kloster Agios Georgios auf Büyükada Foto: Stefan Pohlit

 

Eine ähnliche Faszination umgibt nicht nur den Fal. Mit der Konjunktur des Übersinnlichen sind auch unlautere Bräuche wie »Büyü«, die Hexerei, in den Alltag zurückgekehrt. Traditionell werden Seidenfäden verknotet, mit Bannsprüchen behaucht und in der Nähe des »Adressaten« versteckt. Die letzten beiden Suren des Korans – Al-Falaq (»das Morgenlicht«) und An-Nās (»Die Menschen«) – sollen vor dieser Praxis schützen; vor, wörtlich: »hereinbrechender Finsternis«, »Weibern, die Knoten bespucken«, »einem, der neidisch ist«, und »dem, der den Menschen einflüstert«. »Nazar«, der »böse Blick«, wird mit dem »Auge der Fatima« in Form der »Mavi boncuk – der blauen Perle«, abgewehrt. Wer sich darauf nicht verlassen will, sucht Hilfe bei einem Medium, das je nach Bedarf heilende oder seelsorgerische Aufgaben erfüllt.

 

Zumeist wird über Mundpropaganda oder in Internet-Foren recherchiert, etwa bei kadinlarkulubu.com (»Frauen-Club«) oder auf Facebook. Viele Anbieter(innen) mogeln schon bei der Werbung, indem sie sich mit gefälschten Profilen selbst rezensieren. Unerfahrene gehen leicht Betrügern auf den Leim, verschulden sich im schlimmsten Fall, um ein teures Amulett oder die Auflösung eines mutmaßlichen Fluchs zu finanzieren, ohne dass sich an ihrer Situation etwas ändert. Berichtet wird gar von islamischen Geistlichen, Hodschas, die ihre Klienten nach der Behandlung von neuem verwünschen, um sie wieder und wieder zur Kasse zu bitten. Ein abtrünniger Sufi soll Ringe mit dem Hexagramm-Siegel des Salomo verteilt haben, um auf die Beschenkten Macht auszuüben.

 

Eine Kartenlegung kostet mehr als Kaffeesatz, obschon die meisten Falcıs die Einblicke aus dem Tarot als eher vage einschätzen. Ein genaueres Bild sollen einfache Spielkarten vermitteln, doch prinzipiell dienen diese Hilfsmittel bloß zum Anstoß, um dem Medium die Zunge zu lösen; um – so hält es die Theorie – die Inspiration durch kooperative Geister zu fördern. So reicht manchen ein Bogen Papier, den sie während ihrer Meldungen mit schriftartigen Kringeln füllen, um im Fluss zu bleiben. Selbst wenn die Andeutungen über Vergangenheit und Gegenwart stimmen, ist nicht garantiert, dass die Voraussagen künftiger Ereignisse exakt eintreffen. Gerade dann besteht Suchtgefahr, weil sich viele Enttäuschte an die frohen Botschaften gewöhnen und den Vergnügungswert des Fal als Therapie missverstehen. Das Sprichwort »Fala inanma, falsız kalma« – zu Deutsch in etwa: »Glaube nicht an Orakel, aber bleibe nicht ohne sie« – läuft demnach auf eine Warnung hinaus.

 

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KaffeesatzlesungFoto: Stefan Pohlit

 

Im Zeitalter der Esoterik wird das Angebot gern um Methoden wie Reiki, Astrologie und Numerologie bereichert. Häufig wird dem Kunden eine Diagnose gestellt, die weitere Eingriffe notwendig macht. Ob denn sein Problem, beispielsweise Depression, mit einmal Bleigießen zur Reinigung der Aura überstanden sei? Ein Mann mit einer auffälligen Pechsträhne mag versehentlich auf eine Peri getreten sein, eine attraktive Frau nur deswegen auf dem Heiratsmarkt leer ausgehen, weil sie ein Ex-Freund verhext hat. Mitunter werden solche Manipulationen einmütig in Auftrag gegeben, beispielsweise in Form eines Liebeszaubers als Fundament für die Ehe. Härtefälle wie der so genannte »Papaz Büyüsü – Priesterfluch« sollen dagegen zu unerträglichen Leiden, Krebs und Tod führen. Der türkische Horror-Film hat derlei Tabuthemen gewinnbringend ausgeschlachtet: »Büyü« (2004) handelt von einem Fluch, »D@bbe« (2007) von einem Dämon der islamischen Eschatologie, »Musallat« (2007) von einem eifersüchtigen Dschinn.

 

Der Glaube an die »üç harflılar«, »die mit den drei Buchstaben« c – i – n, sprich: »Dschinne«, gilt im Islam als verpflichtend. Das älteste erhaltene Zauberbuch, die Gebetssammlung »Šams al-Maʽārif – Die Sonne der Gnosis«, des Ägypters Imam Aḥmād Al-Būnīyy aus dem 13. Jahrhundert – taucht in türkischer Übersetzung noch sporadisch in Antiquariaten auf. Fest steht, dass die Behandlung exakten Vorgaben gehorcht, an deren Zeremonien sich das Opfer beteiligen muss, damit alles gut geht. Vergleichbar einer Entgiftung erfordert sie Geduld, weil sich die Symptome vorübergehend intensivieren. Neben Amuletten werden dem Opfer in Gebete getränktes Wasser, nicht selten auch Mischungen aus Honig und Öl verabreicht. Die Vorbereitung ist zeitaufwendig, schließlich müssen die Koran-Verse, Suren und Schutzformeln Hunderte, wenn nicht Tausende Male wiederholt und mit einer speziellen Tinte aus Safran- und Rosenwasser aufgeschrieben werden.

 

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Aus dem Šams al-Maʽārif: Ein Diagramm, das die Anerkennung durch einflussreiche Personen fördern soll. Foto: Stefan Pohlit

 

Die Suche nach Katinas Erben führt in den Kızlarağası, einen osmanischen Han in der Altstadt von Izmir. Hier, im Demi-Monde der »Kaffeemacher-Gasse« mit ihren schrägen Gestalten und Transvestiten finden sich die einschlägigsten Adressen. Güney stammt von Arabern ab. Sein Talent sei im Grundschulalter ans Licht gekommen, als er aus heiterem Himmel den Tod eines Onkels prophezeite. Vor ein paar Jahren habe er in Ankara bei seinem Arbeitgeber Turkcell gekündigt und sich mit der Betreiberin des Polat-Cafés geeinigt.

 

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Das Café »Polat« in der Kahveciler Sokağı, Konak/Izmir Foto: Stefan Pohlit

 

Ab neun Uhr abends, nach dem Dienst, bildet er sich esoterisch weiter. »Katina? Nie gehört.« Als Quelle nennt er »Kenz-ül Havas«, das Buch der Geheimwissenschaft nach Sayyid Sulaymān Al-Ḥusaynīyy. Um das »Yıldıznâme« zu befragen, benötigt er das Geburtsdatum und den Namen der Mutter der betreffenden Person. Mit Hilfe der gematrischen Zahlwerte der arabischen Schrift (arabisch: »Abǧad«) kann der Koran auf mehreren Sinnebenen durchforstet und »Kader«, das Schicksal, bis hin zum Todeszeitpunkt bestimmt werden. Anfragen, in die individuelle Freiheit einzugreifen, lehnt er ab. Bevorzugt stelle er sein Wissen Kranken zur Verfügung, die die Medizin bereits aufgegeben hat. So könne er gegen Schizophrenie und Epilepsie durchaus Erfolge verzeichnen.

 

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Medium Güney in der Kahveciler Sokağı, Konak/Izmir Foto: Stefan Pohlit

 

Begehrter als die gestressten Café-Angestellten sind alte »Tanten«, die einen fern vom städtischen Rummel in der eigenen Stube empfangen. »Pasaklı« Birsen wohnt in einem Vorort von Karşıyaka am Nordufer der Bucht von Izmir. Ihr Beiname – »die Schmuddelige« – rührt vielleicht daher, dass sie infolge des regen Betriebs keine Zeit mehr zum Putzen findet. Nachbarn mit einem Instinkt fürs Geschäft haben entlang der kilometerlangen Warteschlange Imbissbuden und Teesalons eröffnet. Wer bis durch die Tür in ein kaltes, unverputztes Zimmer durchhält, wird von einer zwergenhaften Greisin auf ein Sofa gebeten. Ihr Gemurmel ist kaum verständlich, zu irren scheint sie sich trotzdem nicht, und sollte der Gast knapp bei Kasse sein, praktiziert sie umsonst.

 

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Die Assistentin der Seherin von Belevi Foto: Stefan Pohlit

 

Von weiter außerhalb, aus der Siedlung Belevi in der Nähe von Selçuk, hat sich ein »Geheimtipp« herumgesprochen. Nach einer einstündigen Autobahnfahrt schlängelt man sich durch ein Gässchen zwischen Misthaufen und Pfirsichplantagen den Hang hinauf. Auf dem Gipfel thront die Festung Keçi Kalesi, eine Ruine aus römischer Zeit. Im Vorzimmer der Baracke neben dem mehrstöckigen Neubau wird man von einer Pförtnerin in eine Liste aufgenommen. Der Andrang – hauptsächlich Neugierige aus der Großstadt – verspricht am Ende mehr als der Aufwand wert war: Die Séance dauert kaum eine Viertelstunde, und auf Empfindlichkeiten scheint es der Dame nicht anzukommen.

 

Ist ihr der Ruhm zu Kopf gestiegen? Immerhin liefert der rein zufällige Hinweis einer Passantin die willkommene Entschädigung: »Schaut lieber bei unserem Heiligen vorbei!« – In einem Garten wartet dann eine Türbe, ein schlichtes, betoniertes Grab mit einem Rosenbeet in der Mitte. Auch ein Gebetsteppich hängt bereit. »Ali Molla« – dem Namen nach ein »Mullah« – sei vor hundertfünfzig Jahren gestorben. Wer etwas auf dem Herzen hat, dürfe ihm seine Wünsche anvertrauen, erklärt der Besitzer des Grundstücks beim anschließenden Tee.

 

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Ali Mollas Grab in Belevi Foto: Stefan Pohlit

 

Meltem, die ihre Kundschaft nach Vereinbahrung zu Hause besucht, hält von Reklame nichts: Zuviel Öffentlichkeit, sagt sie, könne ihre Gabe verschmutzen. Sieben Jahre lang sei sie in Fethiye bei einem Mystiker in die Lehre gegangen. Es gebe auf der Welt »97 Scharzmagier und drei Meister, die deren Zaubereien wieder aufheben«. Einer von diesen dreien sei er – so habe er verlautet, bevor er sie als Erbin einsetzte, um zu sterben. Infolge ihrer Ausbildung hat sie sich auf das Wasser-Orakel spezialisiert.

 

Hierzu wird eine Schale mit Wasser gefüllt, auf deren Oberfläche sich – gleichsam spiegelbildlich – visuelle Eindrücke abzeichnen. Nicht nur eine Einweihung, auch der Respekt vor gewissen Naturwesen sei unumgänglich. Vorab wird eine »energetische Reinigung« vollzogen. Nach getaner Arbeit darf man das Gefäß nicht über versiegeltem Boden, nur auf »lebender Erde« ausleeren. Bei ihren Heilverfahren baut Meltem auf die Kraft der Koranverse, rhythmisches Atmen und – dem »Gesetz der Anziehung« entsprechend –Dankbarkeit und positives Denken.

 

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Medium Meltem Çatalkaya mit dem Wasser-Orakel Foto: Stefan Pohlit

 

Heute lebt Meltem in ihrer Heimat Çeşmealtı am Golf von Izmir. Ihr Vater, ein Fischer, bewachte während der 1960er Jahre die Insel Yassıcaada. Der Unternehmer Manfred Kobras baute dort auf eigene Kosten ein Ferienparadies, bis er an der Bürokratie scheiterte. Lange nach seinem Wegzug wurden die verlassenen Gebäude von der Großstadtverwaltung Izmir restauriert und für einen Badestrand umfunktioniert, den im Sommer eine Schiffslinie mit Konak und Karşıyaka verbindet.

 

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Verkehrsinsel mit dem Grab des Güvendik Dede, Urla-Iskele/Izmir Foto: Stefan Pohlit

 

Meltems Vorfahren – nomadische Yörük aus Kleinasien – siedelten schon Jahrhunderte vor dem Bevölkerungsaustausch in der Region. Ob sie Katina und den »Hexen von Smyrna« begegnet sind? Der Legende nach wurden die Dörfer entlang der Küste von sieben Stämmen gegründet. Der Heiligenkult um deren Ahnen – Makarna Dede, Pamukçu Dede, den »Langen« Ali und wie sie heißen – ist aktueller denn je. Selbst die Schnellstraße nach Urla musste bei der Planung verlegt werden, weil der Bagger beim Ausgraben auf ein Hindernis stieß, das Einheimische als das Grab des Güvendik Dede identifizieren. Auf der übrig gebliebenen Verkehrsinsel wachsen zwei Eukalyptusbäume – ein Mahnmal für die Renaissance des Glaubens und die Kräfte, die er entfesselt.

Von: 
Stefan Pohlit

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