In Ägypten wird Opposition immer gefährlicher. Das wirksamste Mittel gegen das neue Zensurgesetz bleibt internationaler Druck auf Unternehmen, die Überwachungstechnologie an das Sisi-Regime liefern.
Was ist geschehen?
Seit der Machtübernahme durch Abdel- Fatah Al-Sisi schränkt der ägyptische Staat die Freiheitsrechte seiner Bürger kontinuierlich ein. Die jüngste Initiative: ein Internetzensurgesetz im August 2018. Demnach wird sowohl das Betreiben wie auch das Besuchen von Webseiten unter Strafe gestellt, die »eine Bedrohung für die nationale Sicherheit« oder »die Volkswirtschaft« darstellen.
Damit erhält die staatliche Telekommunikationsbehörde formell die Kompetenz, kritische Inhalte und Webseiten für ägyptische Nutzer zu sperren. Tatsächlich verbietet sie bereits seit Mai 2017 unliebsame Webinhalte – auch ohne juristische Grundlage. Damals waren 21 Seiten betroffen, darunter Al Jazeera. Zugleich wurden Internetaktivisten, darunter Wael Abbas, unter Verweis auf ihre digitalen Tätigkeiten verhaftet.
Das neue Gesetz schafft eine legale Basis für eine etablierte Praxis. Für Journalisten, Aktivisten wie auch einfache Bürger könnte das Gesetz dennoch drastische Folgen zeitigen: Die zugleich verabschiedete Vorratsdatenspeicherung über 180 Tage erleichtert den Staatsanwälten die Beweisführung gegen Regierungskritiker.
Worum geht es eigentlich?
Regierungsmedien bauen den unscheinbaren Sisi zum neuen Vater der Nation auf und beschwören die zahlreichen Gefahren, die Ägypten von ausländischen Akteuren drohen. Das Militär festigt zugleich seine Kontrolle über weite Teile der Wirtschaft. Genau in diesem Zusammenhang entfaltet das neue Zensurgesetz seine Wirkung: Positive Meldungen haben es leicht, über Regierungsmedien verbreitet zu werden. Wer zu laut danach fragt, welcher Anteil am Wachstum in privaten Kassen des Militärs und befreundeter Unternehmer landet, riskiert, wegen Terrorismusunterstützung belangt zu werden.
Parallel zur Legalisierung diverser Zensurpraktiken legen die Sicherheitsbehörden immer weniger Zurückhaltung bei der Anwendung legaler und illegaler physischer Gewalt an den Tag. Immer häufiger teilen ägyptische Sicherheitsbehörden nur verzögert Haftgründe und Aufenthaltsort mit. Allein für März 2016 hat die NGO Human Rights Monitor 149 Fälle von nach Festnahme verschwundenen Bürgern dokumentiert, darunter auch Minderjährige. In Sammelprozessen hat der Staat seit 2013 teils mehrere Hundert Personen auf einmal zum Tode verurteilt.
Wie geht es nun weiter?
Der Vorwurf, die Muslimbrüder oder Terrorismus zu unterstützen, wird auch weiterhin ein Sammelbegriff für alle möglichen Arten der Regierungskritik bleiben. In der Vergangenheit waren es europäische und US-amerikanische Firmen, die dem ägyptischen Staat in den 2000er Jahren digitale Überwachungstechnologie verkaufen wollten.
Als Revolutionäre 2011 das Gebäude der Staatssicherheit stürmten, fanden sie Verträge mit dem britischen IT-Security-Spezialisten Gamma International. Auch jetzt ist Ägypten auf internationale Technologielieferanten angewiesen. Bereits 2016 zog Italien eine bereits erteilte Exportlizenz für Überwachungssoftware nach lokalen Medienberichten und einer Resolution des EU-Parlamentes zurück.
Da die Sisi-Regierung durchaus auf das Bild Ägyptens im Ausland bedacht und auf finanzielle wie militärische Hilfe angewiesen ist, kann internationaler Druck womöglich der einzige Schutz für ägyptische Aktivisten bedeuten. Einfache Bürger, deren Schicksale nicht bis in die Medien durchdringen, sind der Repression mehr denn je schutzlos ausgeliefert.
Nils Metzger ist Politikwissenschaftler und freiberuflicher Journalist.