Die Syrerin Sima Abbedrabboh scheint gleichzeitig für und gegen die Aufstände gearbeitet zu haben. Wie kann das gehen?
Die Syrerin Sima Abedrabboh schafft es, auf zwei Stühlen gleichzeitig zu sitzen und sich von einem Interessenskonflikt nicht zerreißen zu lassen. Im Jahr 2010 arbeitet sie als Regierungsberaterin in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), als sie ihr Engagement als Aktivistin des Arabischen Frühlings beginnt. Dabei scheint es fast so, als würde sie gleichzeitig für und gegen die Aufstände in der Region arbeiten. Denn die VAE entwickeln sich in dieser Zeit zu einer Kraft, die autoritäre Systeme wie etwa in Ägypten stärkt und versucht, den Umbrüchen Einhalt zu gebieten.
Abedrabboh wurde in Damaskus geboren, dort erhielt sie ihren Universitätsabschluss in Archäologie. Es folgen weitere – in Frankreich wird sie zur Fachübersetzerin ausgebildet, in London studiert sie Global Diplomacy. Ihr Sprachtalent öffnet ihr viele Türen. Von Dubai aus vernetzt sie Aktivisten, die sich in Ländern wie Tunesien und Syrien für mehr Demokratie und Freiheit einsetzen. Sie stellt Kontakte her zwischen internationalen Medien und Geldgebern, auch für Kräfte der syrischen Opposition. Dabei hilft sie, die Verbrechen von Diktatoren gegen Zivilisten und Demonstranten aufzudecken.
Ihr offizieller Arbeitsplatz ist allerdings im Büro von Muhammad Bin Rashid Al Maktum, des Premierministers der VAE. Um ihre Arbeit in Dubai nicht zu beeinträchtigen, bleibt die heute 44-Jährige stets im Hintergrund. Eine bedeutende Strippenzieherin des Arabischen Frühlings ist sie trotzdem.
Um ihre Arbeit in Dubai nicht zu beeinträchtigen, bleibt die heute 44-Jährige stets im Hintergrund.
Immer wieder, sagt Abedrabboh gegenüber zenith, habe sie mit dieser ambivalenten Position gehadert. 2013 entscheidet sie dann, sich voll und ganz ihrem Aktivismus zu wid- men. Im »Netzwerk der Demokraten der Arabischen Welt« versucht sie, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen. Sie will der jungen Generation eine Zukunft ermöglichen, in der Stimmen bei Wahlen Wirkung erzielen, und mehr Frauen ermutigen, für ihre Rechte einzustehen.
Aber mit Aktivismus allein kommt sie nicht über die Runden. 2015 kehrt Abedrabboh auf ihren Posten in den Emiraten zurück. Der Standort Dubai und die feste Arbeitsstelle bringen für sie als Aktivistin schließlich auch Vorteile: Einerseits ist sie Anlaufstelle für Demonstranten aus den Ländern der Region, die ihr Informationen zuspielen, anderseits ist sie durch ihre Arbeit finanziell unabhängig von Geldgebern und deren Einfluss.
Doch um diese gegensätzlichen Rollen auszufüllen, muss die Syrerin einen hohen Preis bezahlen. Ihre Ehe endet nach 18 Jahren mit einer Scheidung, und sie steht vor dem anhaltenden Problem, keine offiziell bekannte Stimme des Aufstands zu sein. Wenn sie sich auf dem Parkett der europäischen Politik für Aktivisten einsetzt, dann bezeichnet sie sich als Stimme der Stimmlosen. Da ihre eigene Rolle jedoch nie öffentlich preisgegeben wurde, bleibt sie selbst ohne Stimme und muss sich die Kontakte zu Gesprächspartnern jedes Mal neu erarbeiten. Das ist mühsam.
Dennoch, sagt sie, habe das letzte Jahrzehnt gezeigt, wie autoritäre Führungen in der Arabischen Welt gestürzt werden können. Das erlebt zu haben, sei ein Glück, so Abbedrabboh gegenüber zenith. Und ganz unbeteiligt daran war sie ja auch nicht.