zenith-Fotografen präsentieren Motive, die sie bis heute beschäftigen
Tripolis, Libyen
Die Fotoredaktion des Spiegel hatte mich Anfang September 2011 nach Tripolis entsandt. Aufständische hatten zwei Wochen zuvor den Militärkomplex Bab Al-Aziziya gestürmt, Diktator Muammar Al-Gaddafi war geflohen und untergetaucht. In den folgenden Tagen pilgerten die Menschen in die verlassenen Prunkpaläste, um den Luxus in Augenschein zu nehmen – und auch etwas mitgehen zu lassen. Für uns Journalisten bestand die Hauptaufgabe darin, herauszufinden, ob wir in diesem kurzen Zeitfenster des Übergangs Dokumente ausfindig machen können – etwa zum Lockerbie- Anschlag 1988.
Der Zugang zu den Ministerien gestaltete sich schwierig, denn schnell war man darauf bedacht, dass keine Akten verschwinden. Unser Fixer schaffte es dennoch, uns eines Morgens in das verlassene Büro von Geheimdienstchef Abdullah Al-Senussi zu schleusen, wo dieses Foto entstand. Außerdem stießen wir auf ein privates Fotoalbum, Teile davon erschienen unter anderem 2011 in zenith.
Yola, Nigeria
Clara wurde 2014 von Boko Haram aus ihrem Dorf im Nordosten von Nigeria entführt. Nach mehreren Monaten in Gefangenschaft gelang ihr die Flucht aus dem Sambesi-Wald, einem der letzten Rückzugsgebiete von Boko Haram. Als ich sie traf, lebte sie gerade in einem Flüchtlingslager in der Bundeshauptstadt Yola, zusammen mit hunderten Anderen, die auch aus ihren Dörfern fliehen mussten.
Clara kann heute wieder zur Schule gehen. Doch noch immer sind mehr als ein Dutzend von den 276 in Chibok entführten Mädchen in der Gewalt von Boko Haram.
Deir Ezzor, Syrien
Im März 2013 war es endlich so weit: Nach Verhandlungen und mehreren Tagen Anreise konnten ein Kollege und ich den belagerten Teil von Deir Ezzor im Osten Syriens betreten. Der Stadtkern war damals schon seit einem Jahr von der syrischen Armee belagert worden, die Angehörigen der »Freien Syrischen Armee« wurden nach und nach durch die Islamisten der Nusra-Front verdrängt. Die mehreren Tausend Zivilisten, die noch im belagerten Teil der Stadt lebten, waren abhängig von islamischen Wohlfahrtsorganisationen. Das Foto entstand in der, einst für seine Architektur gerühmten, zerstörten Innenstadt. Zu diesem Zeitpunkt hatte kaum ein (westlicher) Journalist die Stadt am Euphrat besucht. Armut, Islamismus, Tribalismus, tägliche Bombardierungen der syrischen Luftwaffe gegen zivile Einrichtungen: Deir Ezzor war ein Mikrokosmos des Bürgerkrieges. Für mich war es die einschneidendste Reise innerhalb Syriens.
Kairo, Ägypten
Nach zwei Jahren Revolution mit wenigen Ruhephasen rollte im Januar 2013 eine neue Protestwelle auf Ägyptens Regierung – diesmal gegen die junge Präsidentschaft des Muslimbrüder nahen Präsidenten Muhammad Mursi. Die anhaltenden Straßenkämpfe mit Militär und Polizei unter dem massiven Einsatz von Tränengas gehörte schnell zum Alltag der Menschen in Ägyptens Hauptstadt. Das Bild drückt für mich diesen Alltag inmitten des revolutionären Chaos aus. Straßenkämpfe fanden in der Innenstadt oft an zentralen Zugangsstraßen statt. Die Seitenstraßen waren vom Militär mit Mauern versperrt worden. So gerieten auch einfache Passanten zwischen die Fronten.
Mossul, Irak
Die Jesidin Handa, 9 Jahre, konnte sich am 29. Juni 2017, nach knapp dreijähriger IS-Gefangenschaft, befreien. Nun, fünf Tage später, liegt sie in Baadre im Nordirak in den Armen ihrer Mutter, die sie bereits für tot gehalten hatte. Während einer Offensive der irakischen Armee gelang Handa die Flucht aus dem Jamhuri-Krankenhaus in Mossul, in dem sie gefangen gehalten wurde. Sie berichtete, dass ihr die Flucht gelang, als durch ein Angriff ein Loch in den Raum gerissen wurde, in dem sie eingesperrt war. Über Trümmer kletterte sie ins Freie und rannte, bis sie Soldaten der irakischen Armee erreichte.
Jamkaran, Iran
Als ich im Herbst 2014 das erste Mal Iran besucht habe, wusste ich noch nicht, dass Aschura bevorstand. Eher zufällig geriet ich in das höchste schiitische Fest hinein, ein iranischer Kollege nahm mich nach Isfahan und Yazd mit. Ich war begeistert von der inneren Ruhe und Spiritualität, mit der die Iraner den Feiertag begingen. Mit einer Hingabe und Liebe, die ich bis dahin noch nie gesehen hatte, widmeten sich Gläubige an diesem Tag Gott und Imam Hussain und zeigten dies vor allem durch Nächstenliebe. Gegenüber ihrer Familie, den Nachbarn oder sogar Ausländern wie mir.
Aschura ist der Grund, warum ich heute Themen und Reportagen immer wieder in Iran und anderen schiitischen Gebieten suche und dort gezielt mein Wissen vertiefe. Das Foto zeigt einen Besuch in Jamkaran, nahe der Stadt Qom, wo Iraner den Geburtstag von Imam Mahdi feiern, dem 12. und letzten Imam der Schiiten. Ich habe damals mit anderen Gläubigen in der Moschee übernachtet, als wäre es das Normalste der Welt.