Die russisch-türkische Verhandlungsrunde in Moskau ist vorerst gescheitert. Nun blicken Libyen-Beobachter gespannt nach Berlin. In den sozialen Medien überwiegt Pessimismus – und im Mittelpunkt steht wieder einmal ein 76-jähriger Soldat.
Der Libyen-Gipfel in Berlin steht seit geraumer Zeit auf der Agenda der deutschen und europäischen Außenpolitik. Doch insbesondere nachdem die Türkei und Russland in dieser Woche mit einem eigenen diplomatischen Vorstoß für Schlagzeilen sorgten, gewinnt das Treffen in der Bundeshauptstadt neue Brisanz.
Gehen die Verhandlungen von Moskau und Berlin Hand in Hand oder stehen sie in Konkurrenz zueinander? Können Sie dem monatelangem Abnutzungskampf um Tripolis ein Ende setzen und vor allem: Schaffen sie die Grundlage für eine tragfähige politische Ordnung in Libyen – und welche Rolle nimmt dabei General Khalifa Haftar ein, der mit seiner abrupten Abreise selbst seine russischen Unterstützer brüskiert hatte?
Ganz oben auf der Einladungsliste stehen Fayez Al-Serraj, Premier der international anerkannten Regierung in Tripolis, sowie sein Widersacher Haftar. Daneben werden Vertreter aus den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, den VAE, der Türkei, Italien, Ägypten und Algerien in Berlin erwartet.
Alessandro Scipione ist Nordafrika-Spezialist bei der italienischen Nachrichtenagentur Agenzia Nova, die Aguila Issa, den Präsidenten des Parlaments von Tobruk – dem politischen Arm Haftars in (Ost)-Libyen – nach dessen Rückkehr aus Moskau interviewte. Issa macht darin keinen Hehl aus der Haltung des Haftar-Lagers gegenüber den Verhandlungsrunden im neuen Jahr.
#Libya HoR Speaker #Saleh exclusively told @agenzia_nova upon his arrival in #Egypt coming from #Russia:
— Alessandro Scipione (@AlexScipione) January 15, 2020
We went to Moscow for the Russian initiative not the Turkish one
Italian version https://t.co/CJz0IR4WZB
Arab version https://t.co/4I9WXkFvpJ
More pic.twitter.com/ZUwD85ehhP
2.) Mary Fitzgerald
Die irische Analystin und Journalistin Mary Fitzgerald, Autorin des Buches »The Libyan Revolution and its Aftermath«, stellt zur Diskussion, ob allein die »legendäre Sturheit« des 76-jährigen Khalifa Haftar die diplomatische Sackgasse zu erklären vermag. Sie erinnert daran, dass die Stärke des selbsternannten »Feldmarschalls« – und damit seine Verhandlungsposition – ganz wesentlich von jenen Staaten abhängt, die ihn finanziell und militärisch unterstützen.
Most people who have met or engaged with Haftar can testify to what Bloomberg calls the “legendary stubbornness of the 76-year-old” but one shouldn’t forget at this present moment he is - in many ways - only as stubborn as the support from his external backers allows him to be.
— Mary Fitzgerald (@MaryFitzger) January 15, 2020
3.) Rana Jawad
Rana Jawad ist BBC-Korrespondentin für Nordafrika und Autorin des Buches »Tripolis Witness«. Neben den scheinbar unversöhnlichen Positionen der libyschen Akteure und ihrer Unterstützer macht sie auch die Organisatoren für die bescheidenen Erfolgsaussichten mitverantwortlich. »Wir improvisieren zu viel«, zitiert sie einen Diplomaten. Die Ziele der Verhandlungen würden sich ständig ändern – so fehle auch der Konferenz ein verbindlicher Rahmen zu Erwartungen und Ergebnissen an den Gipfel von Berlin.
To be fair, Berlin conference was doubtful from the day the concept was born. A diplomat recently told me they’ve all been “improvising too much” and the objective keeps changing (and could not say what objective was)- speaks volumes. #Libya https://t.co/Ts5mu8f3Qp
— Rana Jawad (@Rana_J01) January 14, 2020
4.) Mohamed Eljarh
Mohamed Eljarh ist Gründer und Leiter des Thinktanks »Libya Outlook Research and Consultancy«. Dass Haftar in Berlin wohl kaum zu Abstrichen bereit sein wird, kommt für Eljarh wenig überraschend. Interessanter ist aus seiner Sicht der Grund für die Teilnahme des Generals: Dank der Geländegewinne im Süden und Westen sowie der anhaltenden Unterstützung ausländischer Förderer sehe sich Haftar nun in einer viel stärkeren Position als bei den letzten großen Verhandlungsrunden in Italien und Marokko, um seine Ziele durchzusetzen.
Since the last international conference on #Libya. Developments on the ground have significantly been in #Haftar's favor. Haftar will go to #Berlin the strongest he has ever been. #Haftar & his supporters go to Berlin with that mindset. Do not expect much compromise from them.
— Mohamed Eljarh (@Eljarh) January 16, 2020
5.) Jonathan M. Winer
Wie diese Ziele aussehen und welche Folgen ein Nachgeben gegenüber Haftar für die politische Zukunft Libyens zeitigen würde, davor warnt Jonathan M. Winer. Man solle Haftar beim Wort nehmen, wenn dieser ankündigt, mit Gewalt und per Erlass zu regieren, schreibt der ehemalige US-Sondergesandte für Libyen.
The point is that #Hafar really means it when he says he wants to conquer #Libya by force and rule by decree. Foreigners as well as Libyans should understand this by now. https://t.co/5GxaE2y8be
— Jonathan M Winer (@JonathanMaWiner) January 15, 2020