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Israel und die »Neue Rechte«

Antisemitische Israel-Freunde

Analyse
Trumps engste Berater im Oval Office
Foto: U.S. Press Secretary

Europas »Neue Rechte« und die Alt-Right-Bewegung in der Trump-Regierung werben für eine Annäherung an Israel. Die geteilte Islamophobie kann die Widersprüche kaum überdecken: Wie geht Israel mit dem latenten Antisemitismus potenzieller Partner um?

Die Entrüstung war groß, als Donald Trumps Präsidentschaftskampagne im Internet ein Foto teilte, das Hillary Clintons Nähe zur Wall Street mit einem Davidstern vor einem Stapel Geldscheinen betonen sollte. Ein einmaliger Ausrutscher? Mitnichten: In einem Wahlspot beschwerte sich Trump über »die, die die Machtschalter in Washington kontrollieren« und über »weltweite Interessensgemeinschaften«, die »unserem Land den Reichtum abgenommen und in die Taschen einer Handvoll Konzerne gegeben haben«. Klassische Töne von einer »jüdischen Weltverschwörung«. Im Bild zu sehen sind berühmte amerikanische Juden: Milliardär George Soros, die Notenbank-Vorsitzende Janet Yellen und Goldman-Sachs-CEO Lloyd Blankfein.

 

Dass es sich hier um kein Versehen handelt, legt die Personalie Stephen Bannon nahe: Trumps Chefstratege und bis kürzlich Geschäftsführer der Internetplattform Breitbart hat es wie kein anderer geschafft, die Alt-Right-Bewegung aus rassistischen Nationalisten, Antisemiten und Migrationskritikern zugunsten Trumps zu kanalisieren. Breitbart bedient sich eines einfachen Tricks – antisemitische Aussagen werden von jüdischen Autoren gemacht. So kann der Antisemitismus der Leserschaft bedient werden, ohne dass sich die Betreiber der Plattform selbst angreifbar machen müssen.

 

Ein Beispiel: Autor Matthew Tyrmand nutzte gleich zwei antisemitische Stereotype, um die Journalistin Anne Applebaum zu kritisieren: Nicht einmal die Hölle könne mit der Rachsucht einer verschmähten polnisch-jüdisch-amerikanischen Elitenfrau mithalten. Seine Abwandlung des Zitats des britischen Poeten William Congreve deutete damit sowohl die »jüdische Weltverschwörung« an, wie auch das Vorurteil der jüdischen Rachsucht. Der Grund: Applebaum hatte kritisch über Russland berichtet. Weitere Anwendung der »jüdischen Weltverschwörung«: Milliardär George Soros wird auf Breitbart nur noch als »Puppenspieler« bezeichnet, seitdem er sich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU einsetzt.

Sollten sich Jerusalems Hoffnungen nicht erfüllen, könnte Bannons Antisemitismus ein größeres Thema in Israel werden

 

Gleichzeitig ist die Plattform ein vom Juden Andrew Breitbart gegründetes Medium, welches sich eine klare pro-israelische Haltung auf die Fahnen geschrieben hat. David Friedmann, Trumps Anwalt und designierter US-Botschafter in Israel, steht den nationalreligiösen Rechten und der Siedlerbewegung nahe. Die Stiftung von Trumps Schwiegersohn und Chefberater Jared Kushner hat Recherchen von Haaretz und Washington Post zufolge allein zwischen 2011 und 2013 knapp 50.000 US-Dollar an Siedler im Westjordanland gespendet.

 

Antisemitismus und proisraelische Politik? Diese Kombination ist kontraintuitiv, aber weniger abwegig, als sie zunächst erscheint: Im Interview mit dem jüdisch-amerikanischen Online-Magazin Forward erklärt der Religionssoziologe Steven M. Cohen vom Hebrew Union College in Jerusalem, dass es nur »wenig Korrelation« zwischen Antisemitismus und Anti-Zionismus gebe. Antisemitismus könne zwar bei anti-zionistischen Linken gefunden werden, aber auch bei zionistischen Rechten: »Viele Menschen, die Juden nicht mögen, mögen Israel. Und viele Menschen, die Israel kritisieren, mögen Juden sehr gerne.« Ähnlich erklärt es die Soziologin Todd Gitlin von der Columbia University gegenüber der Plattform: »Antisemitismus und rechte Solidarität mit Israel sind beides Arten von Ultranationalismus.« Die beiden Konzepte seien kompatibel, weil beide auf der Idee einer sich abschottenden, unberührten Stammesgesellschaft basieren, einen »Reinheitsfetisch« haben.

 

Doch Israel duldet nicht einfach Antisemitismus für politische Allianzen, erklärt Michael Borchard, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel: Angesichts einer stark polarisierten Gesellschaft und Regierungskoalition gebe es sowohl große Fans von Trump und Bannon als auch scharfe Kritiker. Aus der eigenen Sicherheitsperspektive heraus würde die Regierung vor allem verlässliche Partner suchen. Zwar seien die Hoffnungen auf eine sehr pro-israelische Trump-Administration groß. Sollten diese jedoch enttäuscht werden, könnte Bannons Antisemitismus schnell ein größeres Thema im Land werden.

Politiker wie Strache fahren nur nach Israel, um sich dort gegen Muslime zu solidarisieren. Man trifft rechte Politiker im Parlament und unterstützt sich gegenseitig in seiner Islamophobie.

Die Kombination aus pro-israelischer und antisemitischer Rhetorik haben Trump und Bannon zwar perfektioniert, aber nicht erfunden: Schon 2010 reiste eine Gruppe rechtspopulistischer Bewegungen unter Leitung des Vorsitzenden der österreichischen FPÖ Heinz-Christian Strache nach Israel, wo sie in einer gemeinsamen »Jerusalemer Erklärung« bekundeten: Israel »als einzige wirkliche Demokratie im Nahen Osten ist uns wichtiger Ansprechpartner in dieser bewegten Weltregion. […] Ebenso ist das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber allen Aggressionen, insbesondere gegenüber islamischem Terror, zu akzeptieren.« Zwei Jahre später geriet Strache in die Schlagzeilen, weil er auf seiner Webseite eine Karikatur veröffentlichte, in der ein dicker Mann mit scharfer Hakennase und Davidsternen an den Manschettenknöpfen »Die Banken« symbolisierte.

 

Angesichts der antisemitischen Tradition in der FPÖ hält Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung die rechtspopulistische Solidarität mit Israel für reine Lippenbekenntnisse: »Politiker wie Strache fahren nur nach Israel, um sich dort gegen Muslime zu solidarisieren. Man trifft rechte Politiker im Parlament und unterstützt sich gegenseitig in seiner Islamophobie.« Auch der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin thematisiert die Scheinheiligkeit in einem offiziellen Brief an die Jüdische Gemeinde Wien: Es habe Versuche gegeben, Allianzen zu schmieden mit Parteien und anderen Gruppierungen, die Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus unterstützen und gleichzeitig angeblich den Staat Israel. Sein Standpunkt sei sehr klar: »Ich werde niemals eine Unterstützung dieser Gruppen oder Parteien dulden.« Ähnlich sieht das auf der tagespolitischen Ebene aus, erklärt Michael Borchard von der Konrad-Adenauer-Stiftung: »Die vereinzelten Treffen rechter israelischer Politiker mit europäischen Rechtspopulisten spiegeln nicht die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung oder der Regierung wider, sie treffen sogar nicht selten auf Kritik. Der wachsende Populismus im Ausland wird eher mit Unbehagen verfolgt und weniger als Potential für neue Allianzen gesehen.«

 

Und wie ist es mit Regierungschefs? Unter wachsendem Antisemitismus im eigenen Land muss beim ungarischen Premier Viktor Orban wieder Milliardär Soros als Mitglied einer globalen Elite herhalten, weil er zivilgesellschaftliche Organisationen finanziert. Orban, der einst selbst ein von Soros finanziertes Stipendium erhielt, nennt Soros heute eine »Hintergrundmacht«, die eine »manipulatorische Experimentalanordnung« aufgebaut habe. Und trotzdem: Obwohl die ungarischen Juden sich im eigenen Land zunehmend unsicherer fühlen, hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu für die zweite Jahreshälfte 2017 seinen Besuch angekündigt. Der Staatsbesuch ist ein symbolträchtiger diplomatischer Sieg für Orban. Politisch gesehen gibt es dabei durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Regierungschefs: Orban vertritt – wie auch Trump – ähnliche Ansichten bezüglich Einwanderungs- und Sicherheitspolitik wie die israelische Regierung. Und wie die beiden hat auch Israel weniger Berührungsängste in Bezug auf Russland – obwohl auch dort Antisemitismus weit verbreitet ist.

Nach Netanyahus Besuch bleibt Trump für Israel ausgerechnet eines: unberechenbar

 

Eine Ausnahme ist der Front National in Frankreich. Während ihr Vater Jean-Marie Le Pen mehrfach wegen antisemitischer Aussagen verurteilt wurde, geht der FN unter der Vorsitzenden Marine Le Pen demonstrativ konsequent gegen antisemitische Aussagen unter Parteimitgliedern vor und schließt sie medienwirksam aus dem Amt oder der Partei aus. Kritiker wie der American Jewish Council halten das Vorgehen für vorgeschoben und unglaubwürdig. Nichtsdestotrotz kämpft Le Pen auch offensiv um jüdische Wählerstimmen: »Es besteht eine Gefahr für Juden in Frankreich. Sie sollten auf der Seite jener kämpfen, die sich über die Gefahr des islamistischen Fundamentalismus im Klaren sind«

 

Und die AfD? Ihr stellvertretender Sprecher Alexander Gauland will sich im Gespräch mit zenith »aufgrund der besonderen Rolle Deutschlands« nicht zu Israel äußern. Es gebe im Bundesvorstand keine Kooperation mit israelischen Parteien, ein vielbeachteter Besuch von Parteichefin Frauke Petry in Tel Aviv sei rein privat gewesen. Jan Riebe, AfD-Experte von der Amadeu-Antonio-Stiftung, findet die Betonung des privaten Charakters der Reise bemerkenswert: »So etwas ist untypisch für Parteien. Es zeigt, dass es in der AfD wohl nicht möglich ist, offiziell nach Israel zu reisen.« Petry wolle sich zwar auch mit Israel als Bollwerk gegen »den Islam« solidarisieren und die AfD pro-israelisch ausrichten, hätte aber keine Chance: Dafür sei der Diskurs in der AfD zu sehr dominiert von der Annahme, dass Juden die deutsche Erinnerungskultur bestimmen. Offenen Antisemitismus hat Riebe in zahlreichen Facebook-Postings verschiedener AfD-Politiker gefunden. Doch davon will Gauland nichts wissen: »Ich weiß nicht, was Mitglieder posten. Ich bin wenig im Internet unterwegs.« Für ihn ist der baden-württembergische Abgeordnete Wolfgang Gedeon ein Einzelfall, der durch den Ausschluss aus der Fraktion ausreichend für seine antisemitischen Aussagen sanktioniert wurde.

 

Auch wenn eine pro-israelisch-antisemitische Partei mit Regierungsbeteiligung zumindest in Deutschland zunächst in weiter Ferne bleibt – die israelische Regierung wird sich womöglich an die neuen Allianzen gewöhnen müssen. Einfach wird es zumindest mit Trump wohl nicht sein: Dass Juden im offiziellen Statement des Weißen Hauses zum Holocaust-Gedenktag nicht erwähnt wurden – kein Versehen, bestätigt ein Sprecher. Beim Staatsbesuch Netanyahus in Washington kündigte Trump an, auch eine Ein-Staat-Lösung zu unterstützen und forderte gleichzeitig Zurückhaltung beim Siedlungsbau. Wird seine Regierung also doch nicht klar pro-israelisch? Nach dem Besuch bleibt Trump für das nach verlässlichen Partnern strebende Israel ausgerechnet eines: unberechenbar.

Von: 
Martha Dudzinski

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