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WDR-Doku über Fethullah Gülen

Internationale Anerkennung und ungerechtfertigte Kritik

Kommentar

Nach der WDR-Doku über Fethullah Gülen fühlen sich seine Anhänger verunglimpft. Ercan Karakoyun vom »Forum für Interkulturellen Dialog« schreibt, warum er die Kritik an Gülen und den Schulen des »Hizmet«-Netzwerkes für ungerechtfertigt hält.

In diesem Jahr hat das TIME Magazine Fethullah Gülen zu den 100 weltweit einflussreichsten Persönlichkeiten gewählt. Das mag für Kenner des islamischen Gelehrten und Vordenkers wenig überraschend sein. Doch in der Tat ist die Zahl an Menschen auf der ganzen Welt, die von den Ideen Gülens inspiriert sind, beeindruckend. Seine Botschaften von Toleranz und vor allem seine Bildungsideale haben eine große Zahl von Menschen mobilisiert, die diese Werte nicht nur gutheißen, sondern auch durch eigenes Engagement fortführen wollen.

 

Auch in Deutschland steht die oft »Gülen-Bewegung« genannte Initiative für Engagement und Erfolge im Bildungsbereich. »Hizmet«, Türkisch für »Dienst«, wie die engagierten Menschen ihr Netzwerk nennen, fand in Deutschland seine Aufgabe vor allem darin, die Bildungschancen von Migranten zu verbessern. Kaum einer wird heute bezweifeln, dass in diesem Bereich vieles im Argen lag und noch immer liegt, während zugleich die Aktivitäten von »Hizmet« inzwischen darüber hinaus reichen.

 

Ein anderer Schwerpunkt von »Hizmet« ist die Förderung des Dialogs zwischen Kulturen und Religionen. Der in seiner Weise vielleicht einzigartige Erfolg von »Hizmet« ruft wenige Kritiker auf den Plan. Dass hinter den Grundgedanken von »Hizmet« zudem Ideen eines islamischen Gelehrten wie Gülen stehen, mag für einige Menschen überraschend sein. Auch deshalb engagiere ich mich mit anderen in einer Arbeitsgemeinschaft zur Gründung einer »Hizmet«-Stiftung in Deutschland, die einen besseren Informationsaustausch zwischen allen schaffen soll, die sich für »Hizmet« engagieren oder sich für uns interessieren.

 

Schwerwiegende und absurde Vorwürfe

 

Nicht nachvollziehbar sind jedoch Vorwürfe, die Dinge falsch oder aus dem Zusammenhang wiedergeben. Ein immer wiederkehrender Vorwurf lautet, dass es in Deutschland so genannte »Lichthäuser« gebe. Dabei wird das Bild abgeschotteter religiöser Kaderschmieden gezeichnet, in denen junge Menschen angeblich gezwungen würden, nach vorgegebenen Regeln einer Bewegung zu leben. Tatsächlich handelt es sich um private studentische WGs von Menschen, die gewisse religiöse Überzeugungen, darunter Ideen Fethullah Gülens, Bildungsideale und auch bestimmte Werte teilen.

 

Dies sollte in einer demokratischen Gesellschaft, die das Recht auf Religionsfreiheit schützt, nicht andauernder Anlass teils scharfer Kritik sein, sondern respektiert werden – ebenso wie andere Lebensentwürfe und andere Studenten-WGs respektiert werden. Mit einem weiteren schwerwiegenden und absurden Vorwurf wurde vor kurzem ein Mitglied unseres Beirats von Journalisten konfrontiert. Demnach verlange Gülen angeblich die Todesstrafe all derer, die die islamische Glaubensgemeinschaft verlassen.

 

Das ist inhaltlich falsch und die Sinnhaftigkeit, eine Person ohne jede theologische Vorkenntnisse zu einer aus dem Kontext gerissenen Textpassage, noch dazu aus ungeprüfter Quelle, zu befragen, ist zumindest fragwürdig. Zudem lässt sich festhalten, dass dieser Vorwurf ein klarer Widerspruch zu den universellen Werten ist, die Fethullah Gülen selbst immer betont. Der Theologe und Gülen-Schüler Ahmet Kurucan schreibt dazu in einem Aufsatz: »Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die individuelle Freiheit, sich für eine Religion zu entscheiden, auch nach dieser Entscheidung Bestand hat […] Deswegen kann gesagt werden, dass die Abkehr vom Islam juristisch nicht als Straftat gesehen werden kann.«

 

Gülen erfüllt als einer der wichtigsten moderaten Fürsprecher in der islamischen Welt eine dringliche Aufgabe

 

Auch Fethullah Gülen hat sich in einem ausführlichen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu diesem Thema geäußert: »Die Glaubensfreiheit ist in der muslimischen Religion ein Prinzip. Ein Koranvers besagt, dass es in den Fragen der Religion keinen Zwang geben dürfe, dass die Religion ein göttliches Angebot sei, dass die Menschen dieses Angebot nur mit ihrem freien Willen akzeptieren oder ablehnen sollten. […] Das islamische Prinzip ist, die Freiheit der Glaubensausübung – der Muslime wie der Nichtmuslime – unter Schutz zu stellen. Die jedoch unterschiedlichen Umsetzungen in der Geschichte müssen in ihrem eigenen historischen Kontext gesehen werden«, so Gülen. Im TIME Magazine heißt es, dass Gülen als einer der wichtigsten moderaten Fürsprecher in der islamischen Welt eine dringliche Aufgabe erfülle – und die Vereinigung von Islam und universellen Werten ist tatsächlich eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Mit dem internationalen Engagement der Menschen für »Hizmet«, den jeweiligen Aktivitäten vor Ort und unserer geplanten Stiftung in Deutschland wollen wir einen Beitrag dazu leisten, um den Dialog und das gemeinsame Zusammenleben Menschen unterschiedlichster Herkunft weiter zu verbessern.


Ercan Karakoyun ist Mitbegründer der Deutsch-Türkischen Nachrichten und Geschäftsführender Vorsitzender des »Forum für Interkulturellen Dialog Berlin e.V.« (FID). Fethullah Gülen ist FID-Ehrenvorsitzender.
Von: 
Ercan Karakoyun

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