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Turkmenische Routine, Kinder im Inselverlies und Bayreuth in Jerusalem

Turkmenische Routine, Kinder im Inselverlies und Bayreuth in Jerusalem

Feature

Was war diese Woche los? Was wurde nicht geschrieben, sollte aber berichtet werden? Jeden Freitag stellt die zenith-Redaktion diese Fragen – fünf Meldungen der Woche, heute: von Bangladesch bis in den Orbit.

Aufarbeitung oder Abrechnung? Bangladesch blutige Unabhängigkeitsfeiern

 

Am Montag, 16. Dezember wird in Bangladesch traditionell der »Victory Day« gefeiert. So auch in diesem Jahr zum 42. Mal. Mit ihr jubilierten um die 27.117 Freiwillige aus Bildungseinrichtungen, aus Armee und zivilen Körperschaften, die auf dem Parade-Platz in Dhaka grüne und rote Karten in die Luft hoben, um eine »menschliche Flagge« zu formen. 1971 erlangte Bangladesch, das zuvor als bengalischer Teil zum 1947 gegründeten Pakistan gehört hatte, nach einem neunmonatigen Krieg seine Unabhängigkeit.

 

Bis zu drei Millionen Menschen sollen in den Kämpfen ihr Leben gelassen haben, tausende Frauen wurden während des Krieges Opfer von Vergewaltigungen. Einem der Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten ging es am nationalen Freudentag nun an den Kragen: Der Oppositionsführer der Partei Jamaat-e-Islami, Abdul Quader Mollah – manchen besser bekannt als »Metzger von Mirpur« –, wurde wenige Tage vor den Feierlichkeiten gehängt.

 

Zuvor war er vor einem Sondergericht für Massaker und Vergewaltigungen im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitskrieg für schuldig befunden worden. Nach dem Vollzug der Todesstrafe erschütterten teils gewaltsame Demonstrationen von Gegnern und Anhängern der Islamisten das ganze Land. Medienberichten zufolge wurden bei den Zusammenstößen mit der Polizei mindestens 20 Anhänger der Opposition getötet.

 

Wahl-Witz in Turkmenistan: Berdimuhamedow oder Berdimuhamedow?

 

Zeiten ändern sich, Wahlen in Turkmenistan offensichtlich nicht. Zwar gehört ein imposanter Personenkult um das Präsidentenamt, wie es der turkmenische Despot Saparmurat Nijasow pflegte, der Vergangenheit an – doch eine echte demokratische Politikkultur und dementsprechende Wahlen haben sich seit dessen Tod im Jahr 2006 noch nicht eingestellt. Immer der Sonne zugewandt und sich um die eigene Achse drehend, wacht Nijasow in Form einer in 95 Metern Höhe über der Hauptstadt Aschgabad thronenden goldenen Statue noch heute über das Land.

 

Am 15. Dezember wurde das Parlament gewählt, die Bürger konnten entweder für die herrschende »Demokratische Partei Turkmenistans« unter Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow ihr Kreuzchen machen, oder die ihm ebenfalls treu ergebene »Partei der Industriellen und Unternehmer« unterstützen. Mehr als 91 Prozent der Wahlberechtigten gaben externen Wahlbeobachtern zufolge ihre Stimme ab. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Man munkelt, dass darauf ohnehin niemand wartet.

 

Prügelnde Polizisten: Amnesty International beklagt Kinderfolter in Bahrain

 

In Bahrain folterten Sicherheitskräften Kinder, klagt Amnesty International (AI) an. Um Geständnisse zu erlangen, soll es zu Schlägen, Folter und Vergewaltigungen sogar von 13-Jährigen gekommen sein. Den Kindern werde vorgeworfen, an Anti-Regierungs-Demonstrationen teilgenommen zu haben, die das Land nach dem 14. Februar 2011 vor eine Zerreißprobe stellten. Die Regierung reagierte mit aller Härte und schlug die Proteste blutig nieder.

 

Seit Beginn der Aufstände sollen mindestens 89 Menschen getötet worden sein, sagt die »International Federation of Human Rights«. Mindestens 110 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren werden Amnesty International zufolge in »Dry Dock« festgehalten, ein Gefängnis für Erwachsene auf der Insel al-Muharraq. Dort warten sie auf ihren Prozess. Die Jüngeren, im Alter bis zu 15 Jahren, seien in einer Jugendeinrichtung in Manama unter der Aufsicht des bahrainischen Innenministeriums eingesperrt. Die hier eingesetzten Sozialarbeiter seien jedoch nur tagsüber vor Ort, am Abend übernehme die Polizei die Kontrolle – und in der Nacht würden denn auch die meisten der Übergriffe stattfinden.

 

Heikle Hymnen: Eklat bei Jerusalemer Wagner-Konferenz

 

Musik von Richard Wagner ist und bleibt ein Politikum in Israel. Mit seinem Pamphlet »Das Judenthum in der Musik« outete sich der romantische Komponist im Jahr 1850 als glühender Antisemit; auch Hitler pflegte eine unbestrittene Vorliebe für die monumentalen Musikdramen des »Meisters«. In Wagners musikalischem Werk lässt sich der Chauvinismus jedoch schwerlich verorten. Und so finden sich auch zahlreiche Liebhaber seiner Musik in Israel.

 

Eine Gruppe solcher Wagnerianer lud nun am Dienstag, 17. Dezember, zur Konferenz über die Musik des umstrittenen Künstlers nach Jerusalem ein. Und diese begann prompt mit einem Paukenschlag: Während der Eröffnungsrede enterte ein junger Mann lauthals schreiend die Bühne, sang die israelische Hymne »Ha-Tikva« und rief dem Publikum die Namen nationalsozialistischer Konzentrationslager zu. Dabei stellte die Konferenz an sich keinen neuartigen Tabubruch dar. Bereits ins Jahr 2001 datiert die erste Aufführung eines Wagner-Stücks unter der Leitung von Daniel Barenboim in Tel Aviv.

 

Affe im All: Die iranische Weltraumstrategie

 

Mit einem Affenzahn hat das iranische Weltraumprogramm einen Primaten ins All hinaufgeschossen, wozu Präsident Rouhani öffentlich gratulierte. »Fargam« (»Der Aussichtsreiche«) ist bereits das zweite Tier, dem die zweifelhafte Ehre zuteil wird, als Testpilot für den 2020 geplanten ersten iranischen Weltraumspaziergang sein Leben zu riskieren. Sein Vorgänger »Pishgam« (»Pionier«) hatte den Orbit schon im Januar erreicht und Tier betrat nach offiziellen Angaben wohlbehalten wieder iranischen Boden.

 

Doch so genau weiß niemand, ob die Meldungen aus dem Iran auch stimmen: Im Januar musste der Gottesstaat einräumen, dass der damals gezeigte Weltraumaffe den Trip ins All doch nicht überlebt hatte – man hatte das Tier für die Vorher-Nachher-Bilder einfach ausgetauscht.

Von: 
Kristina Milz und Ruben Schenzle

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